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Geistesgegenwärtig führen. Daniel Zindel
Читать онлайн.Название Geistesgegenwärtig führen
Год выпуска 0
isbn 9783862567140
Автор произведения Daniel Zindel
Жанр Зарубежная деловая литература
Издательство Bookwire
Als Theologe schöpfe ich dabei aus der geistlichen Führungsweisheit der Bibel. Mit besonders geschärftem Blick lese ich in der Apostelgeschichte, wo Lukas die Anfänge des Projekts Kirche und damit auch spirituelle Führungserfahrung beschreibt. Benedikt von Nursia (um 480 bis 547), dem großen Klostergründer und Organisator, verdanke ich manche Hinweise. Weiter blicke ich zurück auf Segensspuren und Flurschäden, welche meine eigene Leitertätigkeit in einer Kirchgemeinde und in einem christlichen Sozialwerk zurückgelassen hat. Ich habe viele Fehler gemacht, einige Male sogar dieselben! Meine Leserinnen und Leser können sich vielleicht da oder dort einen Umweg ersparen.
Schließlich bin ich auch ein wenig im Gespräch mit Literatur über Management. Neben »heißer Luft in neuen Schläuchen«,1 die ich gelegentlich antraf, habe ich daraus manche wertvollen Impulse bekommen.
Ich erlebe mich selber nicht so sehr als pionierhaften Unternehmer. Mir ist vielleicht eher die Gabe des Nachdenkens, des Unterscheidens und des rechten Maßes geschenkt. Von diesen Dingen handelt der erste Teil des Buches, wo es um das Verstehen christlicher Organisationen geht.
Im zweiten Teil denken wir über die Persönlichkeit von Leitenden nach. Sie werden merken, dass mir ein personaler Ansatz im Wahrnehmen von Führungsverantwortung (die Grundbeziehung von Ich und Du) wichtig ist. Gott baut sein Reich mit Menschen, die sich ihm zur Verfügung stellen, und nicht mit Funktionsdiagrammen.
Im dritten Teil geht es um verschiedene Führungswerkzeuge, wobei deren geistliche Dimension mit berücksichtigt werden soll. Als Möglichkeit zur persönlichen Weiterarbeit habe ich nach jedem Kapitel einige weiterführende Fragen zusammengestellt. Sie mögen insbesondere jene Gruppen zum vertiefenden Gespräch anleiten, welche das vorliegende Buch gemeinsam lesen.
Jeder Teil beginnt mit einer Meditation über das Bild vom Engel und dem Schuster, das diesem Buch als Karte beigelegt ist. Es hängt in meinem Büro und verkörpert für mich das Kernthema des Buches: Geistesgegenwärtig führen. Dieses Jahrhundert wird jenen Machern gehören, die Gottes Wirken immer weniger im Wege stehen, die für das Wirken seines Geistes immer durchlässiger werden.
Die einzelnen Kapitel des dritten Teils schließe ich gegenläufig mit einer Art »Antiratgeber« ab. Diese »verführerischen Ratschläge« sind für all jene Leitenden gedacht, die sich und ihr Umfeld systematisch unglücklich machen wollen. Der Erfolg stellt sich beim gewissenhaften Befolgen dieser Ratschläge schlagartig und mit Bestimmtheit nachhaltig ein.
Mein dreifacher Dank geht erstens an den Verleger, David Neufeld, der in einer unkomplizierten und effektiven Zusammenarbeit eine zweite, leicht überarbeitete Auflage ermöglicht hat. Zweitens an den Evangelischen Kirchenrat der evangelischen Landeskirche Graubünden für den Druckkostenzuschuss und schließlich an Gertrud Hunziker-Fromm für die Erlaubnis, die Lithographie Max Hunzikers zu verwenden.
Daniel Zindel
Anmerkung
1 Christine Demmer/Rolf Hoerner, Heiße Luft in neuen Schläuchen – Ein kritischer Führer durch die Managementkonzepte, Eichborn, Frankfurt am Main 2001
Der Engel und der Schuster – geistesgegenwärtig führen (I)
Mir ist die gegensätzliche Spannung und zugleich tiefe Einheit von Spiritualität und Management nirgends so eindrücklich vor Augen gemalt worden wie im Bild »Der Engel und der Schuster« von Max Hunziker. Betrachten Sie das Bild auf der Karte, die diesem Buch beiliegt. Ein bärtiger Schuster sitzt an seiner Arbeit im Halbdunkel seiner Werkstatt. Er ist nicht mehr der Jüngste. Sorgfältig hält er mit seiner Linken einen Nagel; seine Rechte treibt den Stift energisch in die Ledersohle. Schuster, den wievielten Nagel in deinem Leben hämmerst du in eine Schuhsohle? Als Meister seines Fachs beherrscht er seine Arbeit im Schlaf. Schuhmacher, ist das nicht langweilig, Tag für Tag in der halbdunklen Werkstatt zu sitzen und Schuhe zu flicken?
Der Mann arbeitet ruhig und ist ganz bei der Sache. Der Schuster bleibt bei seinem Leisten. Er misstraut jenen, die sagen: »Schön ist es anderswo, hier bin ich sowieso.« Er weiß, dass er am richtigen Platz ist: »Hier ist nicht anderswo, schön ist es sowieso.« Er muss keinen Rekord im Nageln aufstellen, um seine repetitive Arbeit als etwas Besonderes darzustellen. Er versinkt aber auch nicht in Selbstmitleid wegen seiner Routinearbeit.
Der Schuster scheint ganz konzentriert. Worauf? Dass er sich mit dem Hammer nicht auf den Daumen schlägt? Kaum! Seine gesammelte Haltung mit dem leicht zur Seite geneigten Kopf deutet vielmehr auf etwas anderes hin:
Von oben her neigt sich ein Engel zu ihm herab. Der Bote ist ganz in Weiß gekleidet. Der Schuhmacher aber schaut nicht hin, sein Blick ruht auf seiner Arbeit; doch er hört auf die Stimme, die zu ihm spricht, ihm etwas zuflüstert oder zuruft, die lauten Hammerschläge übertönend. Er hört gut zu, wach und gesammelt. Er horcht auf eine höhere Eingebung. Er »passt auf, was man droben sagt« (Johann Christoph Blumhardt). Er nimmt die unsichtbare Wirklichkeit Gottes wahr. Und er ist bereit zu gehorchen.
Wer nichts hört, bleibt auch stumm. Lateinisch: surdus bedeutet »taub«, aber auch »lautlos«. Wo überhaupt nicht mehr aufgehorcht, sondern einfach gemacht wird, herrscht das Absurde, das Widersinnige. Es fehlt der Sinn, wenn sich alles rein diesseitig abspielt. Führen, das sich allein an stummen Marktmechanismen orientiert, ist absurd. Ziele erreichen, die sich rein aus dem horizontalen Managen ergeben, macht Leitende vielleicht erfolgreich, aber nicht sinnerfüllt. Sinnvoll Verantwortung tragen und sinnvoll Menschen leiten kann nur, wer horchen kann und gehorsam ist. –
»Rede Herr, dein Knecht hört«,1 das heißt, zuerst hingegeben hören ist wichtiger als gleich zum Wettlauf antreten, wo es dann heißt: »Rede Herr, dein Knecht läuft schon.«
Im Bild herrscht Spannung und zugleich tiefe, fast zärtliche Einheit:
Der Handwerker und der Engel bedeuten für mich: Alltagsarbeit und Erleuchtung sind Zwillinge. Transpiration und Inspiration gehören zusammen wie Schale und Kern einer Frucht. Berufliches Können und begnadete Kunst durchdringen sich. Professionalität und Spiritualität sind Freunde. Du bist im Alltag ganz bei der Sache und zugleich geistesgegenwärtig offen für den Gedankenblitz von oben. Wer an der irdischen Institution baut, traut der göttlichen Inspiration. Umgekehrt fehlen der Inspiration, die nicht in eine Institution mündet, die Hände. Sie wird nicht Fleisch. Sie bleibt schwebend und verpufft, weil der Heilige Geist immer auf Verleiblichung aus ist. Was wäre, wenn der Engel spräche und es wäre kein Schuster da, der Nägel mit Köpfen macht?
Institution ohne Inspiration bleibt flach, technisch und leblos. Sie verfehlt in bester Absicht vielleicht Gottes Absicht. Sie perfektioniert ihre Form ohne Inhalt. Anstatt dass sie ein Feuer hütet, bewahrt sie Asche auf. Man tut in ihr vielleicht viele Dinge richtig, aber nicht die richtigen Dinge. »Als sie die Orientierung endgültig verloren hatten, verdoppelten sie ihre Anstrengungen« (Mark Twain).
Managergebet
Lebendiger Gott,
der Schuhmacher ist Macher – wie ich. Ich mache gerne Nägel mit Köpfen. Ich schlage sie gerne ein, damit sichtbar etwas entsteht. Ich kann gut mit dem Hammer umgehen. Vergib mir, dass ich dann manchmal alles in der Welt für einen Nagel halte.
Ich will wirken, bewegen, damit ein tauglicher Schuh entsteht, ein aufbauendes Buch, ein heilendes Heim, eine Leben fördernde Gemeinde, ein guter