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ihn aufs neue. Noch ist alles so märchenhaft, so traumähnlich.

      Nicht das Äußere, Rosmaries hohe Stellung, ihr Reichtum ist das Wunderbare, nein, wenn er daran denkt, kann er sich eines Schauders nicht erwehren, – wenn er sich das ganze Braunecker Zeremoniell in seine Heimat verpflanzt vorstellt. Das Wunderbare ist, daß gerade auf ihn, den verrückten Thorsteiner, den Ruinengrafen, sich alles Glück der Erde herabsenken will. Er muß seine erschütterte Seele fragen in der einsamen Nacht am Strand des fremden Meeres ...

      Seele, meine alte Seele, bist du's wirklich? Bist du es, die so lange in der Einsamkeit gehungert hat, die nun die Fülle haben soll, die du nie in den kühnsten Träumen erhofft. Du sollst die höchsten Güter des Lebens besitzen, dir soll die hehre Kunst gedeihen, dir soll eine neue Heimat erstehen, und darin wird die Holdseligste walten, mit ihren feinen Händen täglich an dem Goldgespinste deines Glückes weben.

      Warum das alles für dich, das in seiner Fülle auf drei hungernde Seelen fallen dürfte, und keine könnte sich beklagen: ich stehe leer da.

      Und seine Seele hebt die Hände nach den funkelnden Lichtern da oben, dorthin, wohin es immer das Kind der Erde zieht, wenn es »seines bleibenden Teils ewigen Frieden bedenkt«.

      Oh, könnt ich jetzt danken, könnt ich mein Glück aus einer Vaterhand nehmen und mich vor ihr beugen. Wie ein blöder Tor steh ich da, der nimmt und nimmt, als wäre es sein gutes Recht, das ihm vor Tausenden und Tausenden geworden ist.

      Aber fremd und feindlich schauen des Himmels Heere auf ihn herab. Was ist dem, der da oben seine Sonnen und Sternenheere weidet, eine einzige Menschenseele?

      Wie verworrenes Getöse, so mag wohl das Seufzen und Klagen, das Flehen der Menschen von der dunkeln Erde aufsteigen.

      Wie könnte eine einzige Stimme hoffen dürfen, das millionenfache Stimmengewirre zu durchdringen?

      Seltsam, wie eine halbverwischte Erinnerung plötzlich wieder in ihm auftaucht. Aus einer alten feierlichen Bilderbibel des Thorsteiner Schlosses. Der nächtliche Kampf einer Seele vor Jahrtausenden und dieselbe Bitte, die jetzt in seiner Seele aufsteigt: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.

      Immer stehen die Worte vor ihm; die dunkeln, nur von matten Lichtern erhellten Wellen tragen sie ihm aus nächtlicher Ferne zu, in den glitzernden Himmelslichtern stehen sie geschrieben: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.

      Und aus der Tiefe seines Herzens steigt etwas auf, formlos noch, ein Hauch, ein fremdes Gebilde unter den gewohnten Dingen seines Innern ... es ist, als durchglühe es ihn – die Tränen stürzen aus seinen Augen ...: ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.

      Und ist es nicht, als ob sich eine leise, zarte Welle von goldenem Lichte auf ihn herabsenkte, als überströme etwas Fremdes, Herrliches, unsäglich Geheimnisvolles ihn, daß der ganze Körper es mitempfindet, was die Seele, die »Einsame«, in ihm erlebt.

      Einen Menschen erschüttert das Leid, der Tod in seinen Tiefen. An diesem Manne hat es die Freude getan.

      Die in sein Leben eingetretenen, in alle Winkel ihre bunten Strahlen geworfen hat und der Seele mit ihrer frohen Silberstimme zugerufen hat: Nun bin ich da!

      Vierundzwanzigstes Kapitel.

       Der nächste Tag

       Inhaltsverzeichnis

      Der Fürst fuhr am andern Morgen zum Bahnhofe, nicht ohne die sichere Erwartung, daß der Tag ihm einige recht wenig angenehme Stunden bringen würde. Es fröstelte ihn jetzt schon wie einen, der lange in der Sonne gestanden hat und nun in den Schatten treten muß.

      Die Fürstin hat im Schlafwagen eine sehr gute Nacht gehabt, und ihre plötzliche, unerwartete und, wie sie wohl ahnt, unerwünschte Ankunft macht sie freundlicher und geschmeidiger. Freilich, in ihres Mannes Augen ist ein gewisser Blick, der ihr nicht gefällt. – Das wird Rosmaries Einfluß sein.

      »Nun, diese graue Luft könnte man zwar auch in Berlin haben, aber ich bin froh, daß ich dem alten Nebel- und Regenneste entflohen bin. Du freust dich auch, daß ich komme; nichts als Scherereien und Ungemütlichkeiten wirst du gehabt haben.«

      Der Fürst lächelt ein wenig. »Recht sorgliche Tage hatte ich, und Rosmarie ist noch sehr zart, aber sie hat in der letzten Zeit Fortschritte gemacht. Große Fortschritte!«

      Sie stehen in dem schön mit Palmen geschmückten Vestibül des Hotel Angst, und mit großer Schnelligkeit zieht der Fürst seine Gemahlin in den Lift; er hat oben den nichts ahnenden Harro gesehen, der mit einem Blütenzweig in der Hand die Treppe hinauf steigt. Die Fürstin hat aber schnelle Augen.

      »War das nicht der Thorsteiner? Wie ist das möglich?« Aber der Fürst zieht vor, ihre Frage zu überhören, und nun sind sie schon in den Räumen, die er für sie bestellt hat. Es sind nicht die besten Zimmer, die sind schon vergeben, aber die Fürstin findet vorderhand nichts auszusetzen. Sie darf nur ihren Reisemantel abwerfen, sie hat schon Toilette gemacht.

      »Nun also, Fried, was macht die arme Rosmarie heute, sie wird noch elender geworden sein.«

      »Du wirst dich sehr verwundern, wenn du sie siehst, Charlotte.« »Ich kann es mir schon denken, größer und fahler als irgend ein Mensch sonst. Diese unglückselige Länge.«

      »Sie ist sehr schön geworden.«

      »Schön, die Rosmarie?«

      »Sie schlägt damit vollständig aus der Art. Wie ein Schwan im Hühnerhof wird sie unter den andern Brauneckern aussehen. Ich muß ein Bild von ihr haben.«

      Die Fürstin starrt ihren Mann an. Was hat er denn nur? Etwas ganz Fremdes, fast Fröhliches ist an ihm!

      »Es macht die große Freude, Charlotte, die verschönt auch, und du hast recht gesehen, der Thorsteiner ist da.«

      »Der Thorsteiner – er ist dir nachgereist?«

      »Er war schon da, als ich kam.«

      »Fried, was soll das heißen, ich bin sprachlos, ich verstehe dich nicht mehr.«

      »Nun also, die Rosmarie ist Braut, seit gestern. Und wen sie liebt und immer geliebt hat, das weißt du ja auch; du hast ihn ja mit seinem Blütenzweig gesehen.«

      Die Fürstin stieß eine fast gellende Lache aus.

      »Der Ruinengraf! Der Harro Thorstein, der mit seinen Schildereien handelt, und die Rosmarie! Ja will er sie denn? Sie war ihm doch so lästig mit ihrer lächerlichen Verliebtheit, schon als kleines Mädchen!«

      »So wird sie wohl mit Rosmarie gehandelt haben,« denkt der Fürst.

      »Es wird das beste sein, Charlotte, du suchst dich so bald als möglich mit dem Gedanken auszusöhnen. Harro ist mir stets sehr wert gewesen, und ich war ihm immer dankbar für seinen Beistand.« »Du willst sagen, er habe sich, als Rosmarie allein mit dieser Person, dieser Miß Granger, war, an sie wieder herangepirscht. Nun, ein Goldvogel ist ja die Rosmarie für einen armen Raubritter wie den Thorsteiner!«

      Der Fürst stand mit dem Rücken gegen das Fenster, und sein Gesicht hatte einen merkwürdig starren Ausdruck angenommen, den sie gar nicht an ihm kannte.

      »Ja, hast du dir denn nicht überlegt, was die Vettern, was deine Schwester dazu sagen werden, daß du die einzige Tochter einem Abenteurer gibst?«

      »Zu welch verschiedenen Dingen der gute Harro, dessen Leben so offenbar neben dem unsrigen hergegangen ist, sich entwickelt hat. Ein Raubritter ... – ein Abenteurer –«

      »Von seinem Leben in Paris – wie es die Herren Künstler mit ihren Modellen treiben, das weiß man ja, – wirst du auch nichts erfahren haben. Und jetzt in Rom – du glaubst doch nicht, daß die Rosmarie, die sich ihm schamlos in den Weg warf ...«

      »Beendigen wir dies Gespräch, Charlotte! Erhole dich ein wenig von deiner Reise und suche dich mit dem Gedanken auszusöhnen. Harro Thorstein schien dir früher nicht unangenehm

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