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an bis zu den allerunmöglichsten Dingen ... Und Frau von Hardenstein hat nur trösten müssen.

      Heute trägt Seelchen ihre Freudenschuhe, einen La France Rosenkranz und das von Harro gezeichnete silbergestickte Tüllkleid. Es ist immer noch kein richtiges silbernes Kleid, aber doch das nächste dazu. Und nun steht sie auf den Zehenspitzen, zupft ungeduldig an Harro herum ... »Sieh mich an ... wie gefall ich dir?« Harro wiegt bedenklich seinen Kopf, mehr als je ist er von seiner Unfähigkeit als Prinzessinnenerzieher überzeugt.

      »Reichlich seltsam ist's, Harro,« klagt Frau von Hardenstein.

      Das Kleidchen ist aus ägyptischen Tülltüchern gemacht, die Harro aufgetrieben hat, die mit dünngehämmerten Silberbändchen in einfachen Mustern durchzogen sind. Und er ist nun doch betreten über den Eindruck, den das Kind macht. Das Kleid betont noch das Geheimnisvolle, Feierlich-Zarte, das immer über dem Kinde schwebt.

      »Ich bitte Sie, Harro,« flüstert ihm Frau von Hardenstein zu, »ein präraffaelitisches Engelchen; man kann es auf jeden Altar stellen. Und Sie wissen, wie wichtig der erste Eindruck ist!«

      »Nun, dann ist es gerade gut, daß die Mutter das Kind zuerst sieht in einem Kleide, das seine Eigenart betont ... Übrigens verspreche ich Ihnen feierlich, daß ich mich nie mehr in Toilettenangelegenheiten mische.«

      Und nun hört man einen fernen Kanonenschuß ... Es ist nichts mehr zu machen. Es ist eine weiße Lilienflamme auf einem Altar, das Seelchen, denkt Harro. Und wie sich das Silber an die feinen Glieder schmiegt, glatt und glänzend wie eine Schlangenhaut, und wie es sich in rhythmischem Fall bewegt. Und der rosa Kranz macht, daß es doch nicht tot ist, das Weiß und Silber ...

      Fräulein Klara hat zwar richtig an der dritten Zeile eine kleine Kunstpause gemacht, aber die braunen schönen Augen der jungen Fürstin haben so heiter geglänzt, da hat sie doch weitergefunden. Die Pferde, die man vorher durch hochrufende Schulbuben auf ihre heutigen Pflichten dressiert hat, sind nur ein ganz klein wenig unruhig geworden. Fürst und Fürstin sind ausgestiegen und langsam über die Brücke, die über den tiefen Graben führt, gegangen.

      An der Schloßpforte, wo die Gobelins hängen, steht ganz allein das Kind und sagt »Willkommen Mama und Papa«, wie Papa es gewünscht hat. Die befrackten Herren treten etwas zurück und die Fürstin sagt verlegen:

      »Willst du mir einen Kuß geben?«

      Die junge hübsche Frau mit den Braunaugen beugt sich zu dem Seelchen herab. Das hat ein Gefühl, daß es etwas Außerordentliches tun müsse und verspricht:

      »Ich will so lieb sein, als ich immer kann.«

      Und die Fürstin erhebt sich wieder, froh, daß ein unbehaglicher Moment vorüber ist, denn alle Augen sehen auf sie, noch mehr als vorher. Und nun darf Seelchen den Vater begrüßen, und dessen Augen leuchten auf bei ihrem Anblick, er nimmt sie an seine Hand, und zu dritt steigen sie die Treppe hinauf in das große Empfangszimmer.

      Dort sind die Herrschaften aus den benachbarten Schlössern, die Honoratioren des Städtchens, die Patronatspfarrer versammelt, und jedermann stammelt ein paar passende Worte. Die junge Fürstin muß erwidern und lächeln und selbst ein paar Worte sprechen, denen man anmerkt, daß sie nicht immer an die richtige Adresse gelangen. Der Fürst läßt seine Kleine nicht von der Hand, als ob sie ihm entwischen oder sonst etwas Unpassendes tun könnte. Und es ruhen die Augen der Gäste fast ebensoviel auf ihr, wie auf der jungen Mutter. Niemals hat man das Kind, von dem doch so viel Gerede war, in der Nähe gesehen. Sie fuhr im Wagen vorbei mit ihren Begleiterinnen, oder ging im Park zu ihrer eingezäunten Spielecke. Und die dicke Frau von Statten flüstert ihrer Nachbarin zu: »Das hätte kein Mensch gedacht, daß die Braunecker so etwas Liebliches vermöchten. Haben Sie die Prinzeß Helen gekannt? Ich bitte Sie! Oder sehen Sie an den Wänden hinauf. Die Männer, ja, die sehen alle gut aus!« ...

      Seelchen benimmt sich heute tadellos, sie beantwortet jede Frage sogar ziemlich richtig und weiß, daß sie vor den alten Damen und dem Herrn Stiftsprediger ein Knickschen machen muß. Der Fürst strahlt, eben hat er, etwas abseits von seinen Nachbarn und Standesgenossen den Thorsteiner entdeckt.

      »Liebe Charlotte, nun muß ich dir unsern nächsten Nachbarn, den Grafen Thorstein vorstellen. – Was macht die edle Kunst, blüht und gedeiht sie? – Graf Thorstein wird ein großer Maler werden und unserem stillen Waldwinkel einen Glanz von Berühmtheit verleihen.«

      Die junge Fürstin sieht mit entschiedenem Wohlgefallen an der hohen Gestalt des Nachbars hinauf. Sie wagt sogar einen kleinen Scherz: »Er überragt uns schon jetzt.« »Jetzt nicht, Durchlaucht,« sagt der Thorsteiner und beugt sich, um die junge Hand zu küssen. »Euer Durchlaucht untertänigster und dankbarster Nachbar. Schloß Brauneck hat mir sehr viel gegeben, wofür ich nicht dankbar genug sein kann.«

      »Das klingt freundlich,« erwidert die junge Fürstin, »und Sie sind das ganze Jahr hier, da werden wir gute Nachbarschaft halten und viel von Ihnen sehen.«

      Ihre Augen kehren immer wieder zu dem großen Mann Zurück. Die andern Herren sind zumeist älter. Ein junger Prinz und Vetter ist da, dem sein blaues Band gut zu seinem offenen frischen Jungengesicht steht. Und der spricht eifrig mit der Kleinen, da denkt sie, es wird eine angenehme Nachbarschaft ... Und nun verabschiedet sich alles, – ein Teil der Gäste wird zur Abendtafel wieder erscheinen. Die Fürstin hat ihren ersten Empfang überstanden.

      Sie sinkt mit einem Seufzer der Erleichterung auf den Diwan ... Der Fürst setzt sich lachend an ihre Seite.

      »Nun ist's überstanden. Und nun, was sagst du zu der Kleinen? Wie sie aussieht, und keinen einzigen faux pas hat sie gemacht. Ich staune. Und runde Wängchen! Diese Frau von Hardenstein ist ein Juwel. Liebe Charlotte, vergiß ja nicht, heute ihr einige freundliche Worte zu sagen. Deine Freude darüber ... sie kann es erwarten ... Ja, wie du aussiehst, Kleine!«

      »Schön, Papa.«

      »Ei, wer hat dich so eitel gemacht?«

      »Niemand hat's gesagt, aber ich habe es in Harros Augen gesehen.«

      »Wer ist dieser Harro,« fragt Mama, »der so Bewunderung geblickt hat? der Herr Vetter?«

      »Nein, der Thorsteiner, – der Kleinen ganz besonderer Freund.«

      »Ach, der Maler, oder hast du nur gescherzt?«

      »Nein, er ist Maler, und sein Bild von der Kleinen müssen wir noch vor dem Diner ansehen, wir müssen ihm doch auch etwas Freundliches darüber sagen.«

      »Sonst noch mehr Pflichten?« schmollt die junge Frau.

      »Nur die Pflicht, dich noch einmal schön zu machen, und ich hoffe, es wird ebenso Bewunderung geblickt werden, wie bei der Kleinen. Nun, Kleine, wollen wir der Mama ihr Zimmer zeigen. – Ich hoffe sehr, daß alles nach deinen Wünschen ist. Ein alter Bau, weißt du, es läßt sich nicht verleugnen.«

      »Es kommt mir noch sehr labyrinthisch vor, Fried, – die Gänge, die Treppen und, oh, der Eingang! Ein bißchen nach dem Geist der Ahnfrau ... Weißt du gewiß, daß keine umgeht? Sie könnte am Ende mit mir unzufrieden sein.«

      »O nein,« ruft Seelchen, »gewiß nicht.«

      Aber ihr Vater schneidet schnell alles weitere ab und sagt: »Geh in die Sommerstube und warte dort auf mich, Kleine!« –

      Als die Kleine fort war, drehte er sich um und fragte strahlend: »Nun, wie findest du sie?«

      Die junge Frau denkt, daß nun schon sehr viel von dem Kinde die Rede gewesen und sagt mit einer hübschen kleinen Weisheitsmiene: »Es soll nicht gut sein, wenn man vor den Kindern über sie spricht. Es nimmt ihnen die Naivität.«

      »Da ist bei unserer Kleinen nichts zu verderben, für sechs Kinder ist sie naiv ...«

      Und er reichte seiner jungen Frau den Arm und führte sie in ihr neues Reich.

      »O wie schön hast du das gemacht, Fried, wie lieb! Und gar keine Ahnen! Wie dank ich dir! Helen sagte, man könne sich bei euch nicht drehen und wenden, ohne daß einem ein paar Onkel und Tanten aus den verschiedensten Jahrhunderten zusähen ... Und

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