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auf, und richtig – – –!

      »Hier, lieber Carpio, schau her!«

      Als er die Rudera seiner polizeilichen Existenzberechtigung in Augenschein genommen hatte, wurde sein Gesicht länger und immer länger.

      »Hier ist ein Viertel vom Direktorialstempel!« rief er aus. »Das stammt von meinem Passe! Wer hat die Fidibus gemacht?«

      »Du selbst.«

      »Wirklich?«

      »Ja. Ich kann beschwören, daß deine Schwester nicht hier gewesen ist.«

      »Das kann ich auch. Aber mir ist ganz so, als ob du mir die Fidibus gegeben hättest!«

      »Fällt mir nicht ein! Ich bin keine Schwester – eine Behauptung, welcher du wohl zustimmen wirst.«

      »So bleibt freilich nichts anderes anzunehmen, als daß ich es selbst gewesen bin, der in meine Westentasche gegriffen hat. Unbegreiflich! Eine solche Gedankenlosigkeit ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht vorgekommen! Nun ist der Paß futsch, vollständig futsch! Wenn es nun der Polizei einmal einfällt, mich mit einem gesuchten Raubmörder oder durchgegangenen Bankdirektor zu verwechseln, so kann ich mich nur ruhig einsperren lassen, bis mich mein lieber Vater wieder holt!«

      »Mach dir darüber keine Sorge! So lange ich bei dir bin, reicht mein Paß für uns beide aus, denn erstens habe ich keine Schwester, welche alle Dummheiten begeht, zweitens geht bei mir kein Nagel durch die Stiefelsohle, und drittens habe ich es auch noch nicht zum Fidibusfabrikanten en gros gebracht. Übrigens hast du weder mit einem Raubmörder noch mit einem Bankdirektor die geringste Ähnlichkeit.«

      »Wirklich?«

      »Ja.«

      »Warum?«

      »Weil du für einen Bankdirektor viel zu jugend-und für einen Raubmörder viel zu tugendhaft aussiehst. Du wirst also einstweilen noch nicht eingesperrt werden.«

      Diese Ausführungen waren von solcher Beweiskraft für ihn, daß er sich beruhigte.

      Unser guter Franzl wurde durch die bekannte Association der Ideen von den Fidibus auf die Cigarren geleitet; er offerierte uns von neuem welche. Ich griff zu, warnte aber Carpio, dies auch zu thun, denn die Wirkung der mit dem Reisepaß genossenen war noch nicht vorüber. Er warf die Oberlippe verächtlich auf und würdigte mich keiner Antwort. Gegen den Wirt aber wurde er um so zutraulicher, was so weit ging, daß er ihm versprach, ihn zu den Osterferien, wo wir wiederkommen würden, mit gepaschten Cigarren zu versehen. Als Franzl dies hörte, machte er ein außerordentlich appetitliches Gesicht und fragte:

      »Gepaschte? Hm! So etwas raucht man freilich lieber als diese hier; aber verstehen Sie sich denn auch auf dieses Geschäft?«

      »Na, und ob!« antwortete Carpio, indem er eine Miene zog, als ob er schon Wagenladungen von Cigarren über die Grenze geschmuggelt hätte. »Wir sind ja diesmal auch nicht so ganz ohne gekommen!«

      »Wie? Was? Wirklich? Wo haben Sie denn abgeladen?«

      »Gleich hinter Eger. Am ersten Abend, nachdem wir über die Pfähle waren.«

      »Bei wem denn?«

      »Geschäftsgeheimnis!«

      »Viel?«

      »Will ich meinen!«

      »Auf welche Art haben Sie denn das fertig gebracht?«

      »Auf eine höchst – – höchst – –«

      Da der Schmugglerhauptmann Carpio vor Verlegenheit ins Stocken kam, fuhr ich an seiner Stelle fort:

      »Auf eine höchst lederne Art und Weise. Es hängt das mit dem vorübergehenden Domizile seines Passes eng zusammen.«

      »War es bedeutend?«

      »Vier.«

      »Vier Tausend oder vier Centner?«

      »Wir paschen nicht nach dem Tausend und auch nicht nach dem Centner, sondern nach der Qualität, und die war ausgezeichnet, so ungefähr wie ungarisches Weizenmehl Nummer Null. Wenn es uns auf unserer Osterreise in derselben Weise wieder glückt, werden Sie große Augen machen. Mehr kann ich jetzt nicht sagen!«

      Der jetzige Gesprächsgegenstand hätte auch ohnedies nicht weitergeführt werden können, weil wir unterbrochen wurden. Die fremde Frau kam wieder zu uns. Sie brachte ihren Knaben mit und sagte, da ihr Vater nun eingeschlafen sei, würde es sie glücklich machen, hier im warmen Zimmer noch ein Weilchen bei uns sitzen zu dürfen. Es wurde ihr natürlich gern erlaubt. Franzl gab ihr noch ein Glas Wein und beschloß, um den Knaben zu erfreuen, die gegen seine Frau geplante Kriegslist schon jetzt gleich in Ausführung zu bringen. Er holte neue Lichter, welche aufgesteckt und angezündet wurden. Dann saß die Frau, ihr Kind zärtlich an sich gedrückt, im Glanze des Weihnachtsbaumes mit wehmütigem Lächeln da, ohne an unserem Gespräch teilzunehmen.

      Carpio war infolge des ungewohnten Weines außerordentlich mitteilsam geworden; er erzählte seinen ganzen Lebenslauf oder vielmehr alles nach seiner Ansicht Merkwürdige, was sich auf demselben zugetragen hatte. Diese Merkwürdigkeiten bestanden meist darin, daß ihm durch die unbegreifliche Zerstreutheit anderer Leute die mannigfaltigsten Drangsale bereitet worden waren; besonders spielten seine Schwestern dabei eine große, für ihn verhängnisvolle Rolle, und wenn seine Erlebnisse wirklich so geschehen waren, wie er sie berichtete, so hatte er seine ganze Zeit und alle seine Geisteskräfte nur dazu anzuwenden gehabt, die Gedankenlosigkeit dieser jungen Damen für sich unschädlich zu machen. Als er dann auch auf unsere innige Freundschaft zu sprechen kam, hatte er die freundliche Gewogenheit, meine jungen Vorzüge mit einigen gütigen Streiflichtern zu berühren. Er erwähnte dabei, daß ich auch ein nur mit Sappho zu vergleichender Dichter sei, und daß das vorhin deklamierte Weihnachtsgedicht aus meiner berühmten Stahlfeder stamme. Als die Frau dieses hörte, fragte sie mich:

      »Ist das wahr, wirklich wahr? Sind Sie wirklich der Verfasser dieses Gedichtes, Sie junger Mann?«

      Ich bejahte diese Frage mit dem bekannten, sanften Erröten, welches ein Zeichen jener verdienstvollen Bescheidenheit ist, die jeden zeitgenössischen deutschen Dichter ziert.

      »Wie mich das freut! Denn eigentlich bin ich dieses Gedichtes wegen noch einmal heruntergekommen. Es hat auf mich und ganz besonders auf meinen Vater einen tiefen Eindruck gemacht; ja, es schien, als ob es gerade nur für uns und für keinen andern Menschen gedichtet worden sei. Ich möchte es darum gern, ja gar so gern besitzen, und wollte Sie, der Sie es deklamiert haben, fragen, ob Sie mir es wohl diktieren möchten, falls ein Papier vorhanden wäre.«

      Diese letzteren Worte waren an Carpio gerichtet, welcher Busenfreund sofort aufsprang und sein Notizbuch hervorzog. Ich habe bereits erwähnt, daß es eine Zeit gab, in welcher jeder Mitschüler mein Gedicht bei sich trug; Carpio war diesem Brauche treu geblieben. Dieser Busenfreund nahm es aus dem Buche und reichte es der Frau mit jener wundervoll abgerundeten, gentlemanliken Armbewegung hin, welche nur jungen Gymnasiasten eigen ist, wobei er sagte:

      »Ich besitze es zweimal, nämlich im Kopfe und hier auf dem Papiere. Nehmen Sie, bitte, die Abschrift, und lassen Sie mir den Kopf, so ist uns beiden geholfen.«

      Der gute Mensch schien diesen Worten nach zu fühlen, daß ihr mit seinem Kopfe wahrscheinlich sehr wenig geholfen sei. Sie zögerte nicht, sein Geschenk anzunehmen, und die Art und Weise, wie sie dies that und sich bei ihm und mir bedankte, bestätigte aufs neue unsere Ansicht, daß sie früher nicht das gewesen sei, was sie jetzt war. Dies brachte auf meinen Freund eine so gute Wirkung hervor, daß er ihr in geheimnisvoller Weise andeutete, es sei ihm auch außerhalb dieses Gedichtes möglich, ihr einen vielleicht noch größeren Dienst zu erweisen.

      Als sie ihn hierauf stumm fragend anblickte, brannte er sich eine neue Cigarre an und begann dann, von Christoph Kolumbus und Amerigo Vespucci zu erzählen. Er durchflog die Zeit vom Ende des fünfzehnten bis zum Beginn der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts mit feierlicher Gründlichkeit, überging nichts von allem, was während dieser Zeit in Amerika geschehen war, brachte dann seinen geheimnisvollen Verwandten zur Sprache und ließ dann

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