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mein Sohn... Sie ruhen von ihren Werken, keine Qual rührt sie an... Wie hast du sie glücklich gemacht, deine Rose. In deinen Armen, sieh ihr letztes Lächeln... So hast du sie getragen zu ihren himmlischen Gärten.« »Meine Rose, meine Rose,« flüstert er, und da fällt sanft und geheimnisvoll der Schleier der Gisela über ihn – – –

      Die Rose hat recht gehabt. Die alte Braunecker Zeremonialkutsche rollt ihren Gang in den alten ausgefahrenen Gleisen. Niemand stört den Mann dort an dem stillen Lager, an dem er steht, niemand fragt ihn; Fräulein Berger tut ihre Schuldigkeit. Wenn die andern kommen, so geht er so lange hinüber in das große leere Zimmer, wo die alten Säulen stehen. Dort sitzt der Märt an einen Säulenknauf gelehnt, sein altes Gesangbuch in der Hand, seinen struppigen Kopf tief darüber gebeugt.

      Und wie der Morgen graut, steht ein schmaler weißer Sarg da unter der mittleren Säule.

      »Märt,« es ist das erste Wort, das er spricht... »Hilf mir.«

      Der steht auf, seine Lippen bewegen sich... Die beiden Männer tragen zum letztenmal die Rose.

      In ihrem Schlafzimmer auf ihrem Bette liegt sie, sie haben ihr das silberne Gewand angezogen und von dem goldenen Haupte geht unter der alten Spange ein weißer Schleier hervor und windet sich über Hals und Schultern. Ganz allein hebt Harro sie und trägt sie auf ihr letztes Lager. Und seine Künstlerhände tun noch einmal ihr Werk. Einen Kranz von weißen Rosen, kühl und frisch, legt er auf ihr Haupt, er streicht über die Falten ihres Gewandes, er legt ihr die Hände unter die Brust, so wie sie oft lagen in ihrer Leidenszeit. Es wären Höllenschmerzen, die er litte, wenn der Schleier der Gisela nicht wäre.

      »Märt,« flüstert er, »ehe das Leben wach wird... Wir tragen sie hinunter.«

      Und wieder schleppen sie. Kein Mensch ist noch auf, ein kalter Hauch, ein Seufzerwehen fährt durch die Galerie... Die Kapelle steht offen, an den Wanden hängen die schwarzen Tücher, am Boden erglänzt das Kreuz. Ein starker Blumenduft weht ihnen entgegen, von Rosen, von vielen, vielen Rosen.

      »Märt,« sagt er, »halt die Wache,« und er geht hinauf. Am Nachmittag dürfen sie kommen, die die Rose von Brauneck geliebt haben und die mit ihrem Vater trauern wollen.

      Nun ist das geheimnisvolle Lächeln von ihrem Antlitz verschwunden. Es ist eine marmorblasse junge Königin, die da liegt unter ihrem Rosenkranze in ihrem Silbergewand, und sie sieht nun der Gisela auf seinem Bilde ähnlich. Den Brautring der Braunecker haben sie ihr gelassen und sein blauer Zauberstein leuchtet an ihrer Hand. Über ihren Knien liegt ein Zweig von dem Wunderbaum, der vor dem Sterben blühte.

      Während sie alle an ihr vorübergehen, die paar Stunden lang, steht Harro an ihrer Seite als ihr getreuer Wächter und Beschützer. Niemand redet mit ihm... wie eine Bildsäule steht er da. Sein Gesicht ist wie aus Erz.

      Nun sind alle gegangen, und der Fürst kommt herein. Er ist schon oft dagewesen, nun, da alle fort sind, kommt er wieder.

      Harro hebt seine schweren Augen zu ihm auf. »Vater,« sagt er leise, »sieh sie dir noch einmal an.«

      Der Fürst zuckt zusammen. »Du willst schon ...?«

      »Sie schläft noch, Vater. Heute morgen hat sie sich noch zurechtgelegt. Sieh, die Hand, sie sank ein wenig herab... Willst du warten, bis sie tot ist? Und ich kann sie auch nicht vorher verlassen, bis wir das letzte an ihr getan haben...«

      Der Fürst nickt, schweigend stehn sie da, draußen verglüht der Abendhimmel und der Schein fällt auf die weißen Rosenkränze und auf ihr Antlitz. Und nun senken sich die Schatten, der Fürst wendet sich, einen Blick, einen letzten... dann geht er hinaus. Das Kind hat man die Mutter nicht mehr sehen lassen.

      Nun ist Harro allein. Ein tiefer Atemzug hebt seine Brust... Seine Augen ruhen auf ihr, daß das Bild sich einbrennt auf dem Grunde der Seele... Dann ruft er seinem Knecht, der steht vor der Türe. »Das letzte, Märt.« Nein, das kann er nicht. Und der Knecht legt den Deckel über seine schöne strahlende junge Herrin.

      »Bleibe du bei ihr, Märt, bis alles vorüber ist.«

      Dann geht er langsam hinauf. Die Glocken läuten von der Höhe und aus dem Tale, ein weicher grauer Nebel hängt auf dem alten Städtchen mit seinen schmalen, hochgiebligen Häusern. Die Spitze des Kirchturms verschwindet in den grauen Schleiern. Die Straßen sind voll dunkelgekleideter Menschen, und nur aus der Kirche bricht ein goldenes warmes Licht. Dort hinein tragen sechs Förster die Rose von Brauneck. Und wie sie die Schwelle überschreiten, fluten ihnen Klänge voll himmlischen Wohllauts entgegen. Hans Friedrich sitzt auf der Orgel, läßt seine Liebe, seine Trauer, seine Hoffnung in mächtigen Akkorden dahinströmen, und nun erhebt sich aus dem herrlichen Tongefüge großartig und lieblich, freudevoll dahinstürmend und jubelnd die Wundermelodie des Herrgottsnarren:

      Jerusalem, du hochgebaute Stadt,

       Wollt Gott, ich wär in dir...

       Mein sehnlich Herz so groß Verlangen hat

       Und ist nicht mehr bei mir...

      Harros Augen leuchten auf, seine sehenden Augen... Oh, wie köstlich ist der Schleier der Gisela... Er sieht sie vor sich, die himmlische Stadt. Die seligen Chöre jubeln, die lieblichen Knabenstimmen, die jetzt die Melodie aufnehmen... Es grüßen über den Wällen die Bäume der himmlischen Gärten ... Seine Rose, seine geliebte Rose, sie wirft den starren, eisigen Schlummer von sich... Oh, wie ihre holden Augen leuchten, wie der Rosenschein auf ihren Wangen liegt.

      Was für ein Volk, was für ein' edle Schar

       Kommt dort gezogen schon?

       Was in der Welt von Auserwählten war,

       Seh ich, die beste Kron,

       Die Jesus mir, der Herre,

       Entgegen hat gesandt. – – –

      Oh, darum hast du deine goldnen Schuhe angezogen, deine Freudenschuhe, du schweigende Seele. Weil du ihm entgegengingst, den du geliebt hast von deiner Kindheit an.

      Wie lieblich die himmlischen Melodien nun rauschen:

      Mit Jubelklang, mit Instrumenten schön,

       In Chören ohne Zahl,

       Daß von dem Schall und von dem süßen Ton

       Sich regt der Freudensaal!

      Unzerreißbar fest gehämmert ist das goldene Band von jener Christnacht im Winterwald. In ihren seligen Händen dort an den Toren hält sie sein Ende...

      Nun spricht ihr Lehrer. Oh, die feinen, gütigen Worte. Welch ein holdes Bild malt er von ihr in wenig Strichen. Die das Schönste ihrer Seele in Geheimnissen verbarg... Hat er sie denn so gut gekannt? Oder weiß er noch ein Letztes von ihr, der Geheimnisträger dort? ...

      Er hämmert nicht auf ihrem Schmerze herum, der weise Mann dort, die Priesterseele, er zeichnet ihnen den lichten Pfad zur Höhe, den die Rose von Brauneck gegangen.

      Von der Orgel ertönt des alten Bach großartiger Choral:

      In meines Herzens Grunde

       Dein Nam und Kreuz allein

       Funkelt all Zeit und Stunde,

       Drauf kann ich fröhlich sein...

      Nun ist das Goldlicht in der Kirche erloschen, die Melodien sind verklungen, die tiefe, sternlose Nacht hat sich herabgesenkt. Der Fürst sitzt, ein grauer, gebeugter Mann, in seiner Sommerstube vor dem Bilde des Seelchens. Da ertönt ein Schritt, er fährt auf: »Du bist's, Harro? Wir ängstigten uns um dich. Gott sei Dank, daß du da bist.«

      Harros Augen blendet das Licht noch... es ist ein Geruch von feuchtem Herbstwald und nassem Moos um ihn... er hat seine Lodenjacke an, und in seinen grauen Haaren hängen ein paar Flöckchen von dürren Blättern. Der Ruinengraf wieder, nur älter und mit einem ganz andern Blick in den Augen. Er setzt sich auf den breiten Lederdiwan nieder und sagt freundlich:

      »Ich wollte dich noch nicht allein lassen heute abend, Vater.«

      »Es ist mir so sehr lieb, daß du kommst, Harro, sehr lieb, ich bin

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