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      »Herr Hofrat!«

      »Eilt es so, Herr Graf?«

      Gott, was ist der Mann langsam, bis er sich aus dem Wagen geschält hat.

      »Ich meine, Durchlaucht gehen ins Atelier,« befiehlt der Hofrat mit der größten Ruhe.

      Harro steht in seiner goldblitzenden Empfangshalle. Wie ihm das Gleißen und Glänzen heute weh tut. Auch all die Farben sollten den Atem anhalten und sich mit Grau bedecken. Und wie lange der Doktor braucht. Harro sieht sich genötigt, mit der Uhr in der Hand zu warten, denn schon wieder hat eine Minute sich zur Stunde gedehnt.

      Nun kommt der Herr Hofrat heraus und findet alles in bester Ordnung. Die Kollegin eine sehr tüchtige Person. Und es wird wohl noch einige Stunden gehen. Sagte das nicht die Berlinerin vor wie langer Zeit? »Gehen Sie jetzt hinein, Herr Graf, Ihre Durchlaucht hat jetzt Mut gefaßt, hat es sich zu einfach vorgestellt. Ja, mit dem Verschweigen! Es ist auch nicht immer das beste. Und ich weiß noch, wie man Ihre Durchlaucht behandeln muß.«

      Und der Hofrat knöpft ihm die Weste zu und bietet ihm ein Glas Champagner an und geht ins Atelier zu dem Fürsten hinüber. Harro wendet sich, da sieht er sein Spiegelbild. Nein, so darf sie ihn nicht sehen, jedes einzelne Haar sieht verzweifelt aus. Er stürzt schnell ein Glas Champagner hinunter, dann versucht er sein Bild im Spiegel noch einmal. Darauf geht er hinein.

      Die Kollegin steht unbeweglich wie eine Säule da, und Rosmaries gequälte Augen hängen an ihr mit ganz anderem Ausdruck wie zuvor. Und jetzt streckt sie ihre bebenden Hände nach ihm aus.

      »Harro, es ist alles gut so.«

      Und nun verzerrt ihr Gesicht wieder das Entsetzliche und wirft und schüttelt sie mit unsichtbaren Händen und läßt sie erst fallen, wie ihre Kraft erschöpft ist. Zwei, drei Atemzüge gönnt es ihr, und dann fängt das Spiel wieder an. Eine Stunde, zwei, drei Stunden, und dieser Doktor und die Kollegin sagen, es sei gut so. Harro ist einmal hinausgegangen, und Märt hat ihn am Brunnen aufgelesen. Und der geliebte Brunnen ist zu einem Becher geworden, aus dessen nachtschwarzem Grunde alles Weh der Welt klagt, und immer noch ist dem Grausen etwas von Süßigkeit beigemischt. Es ist immer noch ihre Stimme.

      Harro geht zu dem Fürsten ins Atelier und sagt:

      »Wenn ich zum Mörder werde –«

      Der Fürst ergreift ihn am Arm: »Komm zu dir, Harro, wenn die Nacht gut... Gott, daß man keine Gelübde mehr tun kann.«

      Harro lacht auf: »Gütige Mutter Natur!« Und wirft sich auf Rosmaries Stuhl. »Hast du es schon einmal gesehen, Vater?«

      Der Fürst nickt. »Es ist hart. Ein Fluch. Und es trifft sie so schuldlos. Meine arme Rosmarie! Sie war doch zu jung... Harro!«

      »Warum sagst du: war – Vater?« stöhnt Harro und geht wieder hinüber. Da ist eine leichte Veränderung in des Herrn Hofrats Gesicht, wie ein gespanntes Warten, nur die Kollegin bleibt sich gleich. Rosmarie liegt ganz regungslos da, das Gesicht ist verzerrt, fast nicht mehr kenntlich, die feinen Hände geballt. Und nun beginnt es wieder, das war nur ein schwaches Vorspiel bis jetzt gegen diesen Kampf, ihre Stimme ist's auch nicht mehr, es ist ein fremdes, wildes Tier, das da schreit, immer wieder. »Erbarme dich, erbarme dich!« Der Hofrat und die weiße Frau sind plötzlich Leben und Bewegung. Harro sieht mit den Augen eines Verdammten auf den schrecklichen, fremden Geist da vor ihm. Einen Stoß noch, und das ist das Ende. Da gleitet etwas wie eine Hand unsichtbar über die Stirne, die Augen, verschwunden das fremde Zerrbild. Sein Weib liegt vor ihm, ein Licht auf der reinen Stirne, in den großen klaren Augen eine fremde Schönheit.

      Seine Augen hängen an ihrem Antlitz. Ein kleines meckerndes Stimmchen hört er durch ein Brausen hindurch und des Doktors Stimme.

      »Ein Sohn, Herr Graf.«

      »Mein Kind,« flüstert sie, »oh, mein Kind, ich höre mein Kind.«

      Aber Harro sieht nicht nach dem zappelnden Wesen, das ihm der Doktor hinhält, nicht nach dem armen, entblößten und blutigen Leibe, nach dem Antlitz sieht er, als sähe er in den Himmel hinein. Sie lebt ja, und nun lächelt sie schon ein wenig, und ihre Augen verfolgen die Frau, die ihr Kind trägt. Ein grauer Morgenschein ist hereingebrochen, deutlich hört man den Jubelruf der Drossel von der Tanne aus am Bergfried und des Brunnens Antwort.

      Der Doktor packt ihn am Arme.

      »Gehen Sie zu dem Fürsten, Herr Graf, und lassen Sie uns Ihre Durchlaucht noch einen Augenblick. Nein, es geschieht ihr nichts mehr. Meine herzlichsten Glückwünsche. Sehr schnell und glücklich.«

      Aber Harro ist zu schwach, um sich selbst über diese Worte zu entrüsten. Einen Blick wirft er noch auf das rötlich gelbe zappelnde Wesen in seiner linnenen Umhüllung, dann hinüber. Der Fürst erhebt sich sehr hastig, aber Harro hat noch den Eindruck, als ob er auf den Knien gelegen wäre.

      »Ein Sohn,« sagt er und wird zum ersten Male in seinem Leben strack ohnmächtig. Zum Glück währt es nicht lange, und er kann seinen Schwiegervater in eine ihm im Augenblick ganz unerklärliche Freude ausbrechen sehen.

      »Ein Sohn, Harro, ein Sohn! und ganz glücklich gegangen!«

      »Schnell und glücklich.« knirscht Harro.

      Eine Stunde später dürfen beide auf einen Augenblick in das Schlafzimmer kommen. Alles Schreckliche ist verschwunden. Rosmarie liegt still und gerade unter ihrer weißen Decke. Sie ist so, schön, daß es Harro fast den Atem verschlägt. Obgleich der Himmelsglanz von der Stirne gewichen ist. Er kann nicht begreifen, daß es nicht Sitte sein soll, daß man vor ihr auf die Knie fällt. Und nun besieht er seinen Sohn, über dessen Anblick der Fürst in laute Bewunderung ausbricht, und findet ihn »menschenähnlich«. Aber sie müssen beide Zu ihrem großen Schmerz hinaus, und Harro sieht mit Erstaunen, daß Rosmarie sehr zärtlich mit der Kollegin tut und mit ihren Augen an ihrem Munde hängt. Dann geht Harro hinauf in die Tantenstube und tut einen eisernen Schlaf. Der Fürst wandelt auf und ab zwischen Atelier und Empfangshalle, so schnell kann er sich nicht trennen. Ein Sohn, ein Sohn!

      Dreiunddreißigstes Kapitel.

       Wolken

       Inhaltsverzeichnis

      Im Goldhaus ist ein sehr schönes Tauffest gefeiert worden. Tante Ulrike und Marga, schwarzatlassen und strahlend, waren erschienen. Tante Helen aus Baden und sehr schüchtern in einem wunderbaren schwarzen Rock Hans Friedrich als Pate. Auch die Fürstin ist da und benimmt sich fast tadellos. Sie ist sogar ganz menschenfreundlich zu Hans Friedrich und tolerant gegen die Tanten. Nur Tante Helen scheint sie zu meiden. Und wenn diese nach ihrer Richtung sieht, zieht sie die Augenbrauen hoch. Der Fürst strahlt und schämt sich Zar nicht, bei des Herrn Pfarrers Taufrede von seinem Taschentuch Gebrauch zu machen. Es ist ein wundervoller Apriltag mit ziehenden Schäfchen am Himmel und Holzapfelblütensträußen in allen Vasen und Zimmern. Und Märt verbraucht gewiß eine Handvoll Salz.

      Am Abend, ehe der Fürst hinüberfährt, kommt er noch in Rosmaries Zimmer, wo sie am Fenster sitzt, ihr Kind, das eben getrunken hat und darüber eingeschlafen ist, im Arm. Er beugt sich über die beiden Geliebtesten und ergreift ihre linke Hand und läßt etwas hineingleiten. Sie sieht erstaunt auf:

      »Vater, kannst du mir denn gar nicht genug tun? Und was hast du mir gegeben! Das hättest du nicht dürfen, den Brautring!«

      Sie sieht erschrocken auf ihre Hand, daran der Ring der Braunecker glänzt, kostbare, wohl italienische Arbeit. In der Mitte ein Saphir von der Art, die auf ihrem Grunde einen hellen Stern trägt. Das Rankenwerk, das den Stein trägt, ist von großer Zartheit und doch Festigkeit und so gearbeitet, daß der Ring jeder Hand paßt, ein Federdruck verändert seine Weite und stellt sie ein. Rosmaries Mutter hat den Ring getragen, sie haben ihn alle getragen, die Brauneckerinnen. »Vater, das darf ich nicht annehmen, er gehört ja Mama.«

      »Hat sie ihn je gewollt? Sie war ganz außer sich über die Zumutung, den Ring einer Toten zu tragen. Wir haben den ersten Streit darüber gehabt.

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