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      Ohne sich melden zu lassen, trat der Graf ein, er sah um einen halben Schuh größer aus als sonst und um viele, viele Jahre jünger; seine Augen leuchteten.

      »Wo ist Lord Fauntleroy?« rief er.

      Vor Erregung errötend, trat Mrs. Errol ein paar Schritte vor.

      »Ist er Lord Fauntleroy?« fragte sie bebend. »Ist er's wirklich?«

      Der Graf ergriff ihre Hand.

      »Ja,« erwiderte er, »ja, er ist's!«

      Dann legte er die andre Hand auf Cedriks Schulter.

      »Fauntleroy,« sagte er in seinem gebieterischen Tone, »frage deine Mutter, wann sie zu uns aufs Schloß kommen will!«

      Fauntleroy schlang jauchzend die Arme um des Mütterchens Hals.

      »Ganz bei uns bleiben sollst du! Hörst du, bei uns wohnen!«

      Der Graf sah Mrs. Errol an und sie ihn. Es war sein voller Ernst; er hatte es für angemessen erkannt, mit der Mutter seines Erben Frieden zu schließen, und einmal zum Entschluß gelangt, wollte er die Angelegenheit mit gewohnter Bestimmtheit und Raschheit erledigt haben.

      »Sind Sie ganz gewiß, daß Sie mich brauchen können?« fragte Mrs. Errol mit ihrem reizenden, sanften Lächeln.

      »Ganz gewiß,« versetzte er kurz, »wir hätten Sie von Anfang an haben sollen – wir haben's nur nicht gewußt. Ich hoffe, daß Sie kommen!«

      Vierzehntes Kapitel.

       Der achte Geburtstag

       Inhaltsverzeichnis

      Ben kehrte mit samt seinem Jungen zu seiner Farm in Kalifornien zurück und zwar unter den denkbar günstigsten Verhältnissen. Kurz vor seiner Abreise von England hatte ihm Mr. Havisham die Mitteilung gemacht, daß Mylord für den Knaben, der unter Umständen Lord Fauntleroy hätte werden können, etwas thun wolle, und daß er es für das Beste halte, seinerseits eine größere Summe in Grundbesitz in Kalifornien anzulegen, dessen Bewirtschaftung, beziehungsweise die auf demselben zu betreibende Viehzucht Ben unter Bedingungen übernehmen solle, die ihn in den Stand setzen würden, für die Zukunft seines Sohnes ausreichend zu sorgen. Ben verließ also Europa als zukünftiger Herr einer kalifornischen Farm, die so gut wie sein Eigen war, und die er in wenig Jahren als sein alleiniges Besitztum zu sehen hoffen konnte, was auch in der That geschah, und Tom wuchs heran, kräftig und tüchtig und mit ganzem Herzen an seinem Vater hängend. Die beiden hatten überall und in allem Glück und Erfolg, und Ben pflegte zu sagen, daß sein Sohn ihn reichlich für alles frühere Mißgeschick entschädige.

      Dick und Mr. Hobbs dagegen – letzterer war mitgekommen, um »allerorten nach dem Rechten zu sehen« – segelten nicht so bald in die Neue Welt zurück. Der Graf hatte von Anfang an im Sinne gehabt, für Dick zu sorgen, und es ward beschlossen, ihm vor allen Dingen eine richtige Erziehung zu teil werden zu lassen, Mr. Hobbs aber hatte bei sich erwogen, daß in Anbetracht des tüchtigen Vertreters, den er für sein Geschäft in Blankstreet gefunden hatte, er sich wohl den Luxus erlauben könne, den Festlichkeiten noch beizuwohnen, die für Lord Fauntleroys achten Geburtstag vorbereitet wurden. Sämtliche Pächter und sogar Tagelöhner waren mit Kind und Kegel dazu geladen, und im Park sollte ein Festschmaus, Spiele und Tanz abgehalten werden und für den Abend waren Freudenfeuer und allerlei Feuerwerk geplant.

      »Ganz wie der 4. Juli!« sagte Lord Fauntleroy. »Schade, daß mein Geburtstag nicht am vierten ist, dann könnten wir's miteinander feiern – gelt?«

      Es muß leider zugestanden werden, daß die Freundschaft zwischen dem Grafen und Mr. Hobbs sich vor der Hand noch nicht bis zu der im Interesse der britischen Aristokratie dringend wünschenswerten Innigkeit entwickelt hatte. Mylord hatte im Umgange mit Spezereihändlern unglücklicherweise ebensowenig Erfahrung wie Mr. Hobbs in dem mit »'ristokraten«, und es mochte wohl daran liegen, daß das Gespräch zwischen ihnen nicht recht in Fluß kommen wollte. Ferner muß zugegeben werden, daß die Herrlichkeiten, welche Fauntleroy dem Freunde zu zeigen für seine Pflicht hielt, einen einigermaßen überwältigenden Eindruck auf ihn gemacht hatten, so daß sein Selbstgefühl etwas an fröhlicher Sicherheit eingebüßt zu haben schien.

      Das äußere Thor, die steinernen Löwen und die Avenue hatten ihre Wirkung auf das Gemüt des stolzen Republikaners schon nicht ganz verfehlt, und der Anblick des Schlosses selbst, der Terrassen und Blumenbeete, der Gewächshäuser und des unterirdischen Gefängnisses, der Pfauen und Hunde, der Ställe und Waffen, des großen Treppenhauses und der zahllosen Livreediener hatte ihn dann etwas aus der Fassung gebracht, der Ahnensaal jedoch war es, der ihn um den Rest seiner Gemütsruhe brachte.

      »Na, scheint so was wie ein Museum, hm?« fragte er, als Fauntleroy ihn in den großen, herrlichen Raum führte.

      »Nein, ich – ich glaube nicht,« sagte Cedrik etwas unsicher. »Ich glaube nicht, daß es ein Museum ist. Großvater sagt, das alles seien Verwandte, Onkel und Tanten von ihm.«

      »Die alle,« stieß Mr. Hobbs erschüttert hervor. »Die alle, Onkel und Tanten, der Großonkel muß aber eine Familie gehabt haben! Hat er sie alle aufgezogen?«

      Er sank ergriffen von der Größe solchen Familienglücks in einen Stuhl und sah ganz aufgeregt um sich, bis es Lord Fauntleroy nicht ohne Schwierigkeit gelang, ihm auseinander zu setzen, daß es sich bei den sämtliche Wände vollständig bedeckenden Porträts nicht um die Nachkommenschaft eines einzigen Großonkels handle.

      Zu guter Letzt fand er es aber doch geraten, Mrs. Mellon zu Hilfe zu rufen, welche die Geschichte jedes einzelnen Bildes und die Namen der Maler kannte, und die noch überdies höchst romantische und merkwürdige Dinge aus dem Leben der hier verewigten Lords und Ladies zu erzählen wußte. Nachdem Mr. Hobbs den Stammbaum des Hauses Dorincourt einigermaßen begriffen und einige derartige Erzählungen gehört hatte, fing er an, unter den Schätzen Schloß Dorincourts die Ahnengalerie fast am höchsten zu stellen, und manch liebes Mal sah man ihn von den »Dorincourts Arms«, wo er Quartier genommen hatte, herüberwandeln, um eine Stunde im Ahnensaale zu verbringen und unter stetem Kopfschütteln die gemalten Damen und Herren anzustarren, die ihn ihrerseits ebenso verwundert wieder anstarrten.

      »Und lauter Grafen oder beinahe Grafen,« sagte er dann vor sich hin. »Und er wird auch so einer!«

      Im Innersten waren ihm die »'ristokraten« und ihre Art zu leben keineswegs so sehr zuwider, als er sich gedacht hatte, und es ist sehr zweifelhaft, ob seine republikanischen Grundsätze durch die nähere Bekanntschaft mit Schlössern und Ahnen und all den sonstigen Annehmlichkeiten nicht in ein bedauerliches Schwanken gerieten. Eines Tages wenigstens vernahm man eine Aeußerung aus seinem Munde, die zu solchem Verdacht Anlaß zu geben ganz geeignet war.

      »Na, ich würd' mir am End' nichts draus machen, auch so ein Graf zu sein.« Das ließ tief blicken.

      Es war ein großer Tag für alle, Lord Fauntleroys achter Geburtstag, und Seine kleine Herrlichkeit war glückselig dabei. Wie schön sah der Park nicht aus, gedrängt voll Menschen in ihren besten, buntesten Kleidern und die Zelte mit flatternden Fähnlein darauf, und die große Flagge, die vom Schlosse wehte. Kein einziger, der kommen durfte und konnte, war zu Hause geblieben, denn alle, alle waren ja von Herzen froh, daß ihr kleiner Lord Fauntleroy auch gewiß und wahrhaftig ihr Lord Fauntleroy bleiben und dereinst ihr Herr werden sollte. Jedermann wollte ihn heute sehen, ihn und seine hübsche kleine Mutter, die schon so viele Herzen gewonnen hatte, und jedermann hatte etwas mehr Achtung und weniger Furcht vor dem alten Herrn, weil der kleine Junge ihn so lieb hatte und so unverbrüchlich an ihn glaubte, und auch weil der Graf endlich mit seines Erben Mutter Frieden geschlossen hatte und ihr mit Achtung begegnete. Ja, einige waren sogar der Ansicht, daß die einstige Feindschaft im Begriff stehe, sich in warme Freundschaft zu verwandeln, und daß unter dem zweifachen Einfluß des Kindes und der Mutter noch ein ganz manierlicher alter Edelmann aus ihm werden könne, was dann jedenfalls männiglich zu gute käme.

      Welche Scharen von Menschen sich unter den Bäumen

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