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Roselill. Kjersti Scheen
Читать онлайн.Название Roselill
Год выпуска 0
isbn 9788711464960
Автор произведения Kjersti Scheen
Издательство Bookwire
Henny blieb stehen, während die anderen drei hinter der Hausecke verschwanden.
Schließlich ging sie auch langsam die Treppe nach unten und folgte ihnen.
Da schien schon vor ihnen jemand durchs Fenster eingestiegen zu sein. Es hing lose in den Angeln, eine Scheibe fehlte. Sie mussten nur noch auf die wackelige Gartenbank steigen, die an der Hauswand stand, und reinklettern.
Was aber so einfach auch wieder nicht war, weil es ein altes Haus mit einer hohen Grundmauer war und das Erdgeschoss sehr hoch lag. Sie hätten es fast nicht geschafft, sich hochzuziehen. Henny schürfte sich das Handgelenk an dem rauen Fensterrahmen auf, bevor sie drinnen auf den Boden plumpste, auf braunes, gewelltes Linoleum, übersät mit vertrockneten Blättern, die von draußen hereingeweht waren.
Henny richtete sich auf und sah sich um.
Sie waren in so einer Art Wintergarten oder Glasveranda gelandet: Auf drei Seiten Fenster und eine Tür, die ins Freie führte, aber abgeschlossen war. Hinter einem alten Divan und einem grün gestrichenen Eisentisch, der leicht gekippt stand und auf dem lauter vergilbte Zeitungen verstreut lagen, ging es in den nächsten Raum, das Wohnzimmer.
Sie traten nacheinander ein.
Keiner sagte etwas, sie schauten sich nur aufmerksam um, Henny fühlte, wie ihr Herz unter der Jacke hämmerte.
An der Decke hing ein Lüster, ein Wagenrad mit schief aufgesteckten Lampenschirmen. Lasse probierte den Wandschalter aus, aber es tat sich nichts. Ansonsten stand dort nur noch ein einsamer Ohrensessel mit abgewetztem, verschossenem Bezug aus blaugrauem Stoff. Henny sah sich um. Das von draußen hereinfallende Licht tauchte den Boden und die Wände in einen gelblichen Schimmer.
Auf der vergilbten Tapete zeichneten sich helle Vierecke ab. An diesen Stellen hatten wohl einmal Bilder gehangen.
Das war alles.
Henny schob die Hände in die Jackentaschen. Es war kalt, fast noch kälter als draußen. Sie folgte Lotte mit ihrem Blick, als die mit Lasse im Schlepptau durch die nächste Tür verschwand.
Emil stellte sich neben sie.
»Findest du es nicht gut, dass wir hierher gekommen sind?«, fragte er.
Sie schüttelte den Kopf.
»Was meintest du mit dem, was du in der Straßenbahn gesagt hast?«
»Gar nichts«, sagte sie. »Das war nur Spaß.«
Irgendwo ertönte Lottes Lachen, laut und hohl.
»Na, komm schon, sehen wir uns ein bisschen um«, sagte Emil.
Henny nickte.
Sie gingen durch die Tür und kamen in eine Art Eingangshalle, von der eine breite Treppe mit Treppengeländer in einem Bogen ins obere Stockwerk führte. Die Tapete hing in Streifen von den Wänden. Von der Decke bröckelte der Putz. Es roch erdig und faulig, dunkel war es obendrein, dunkler als in dem Wohnzimmer. Henny fröstelte trotz warmer Jacke.
»Gehen wir hoch?«, fragte Emil.
3
Im oberen Stockwerk gab es eine Reihe Zimmer.
Henny und Emil betraten eins, von dem aus eine Doppeltür auf einen Minibalkon führte, auf den sie sich aber nicht trauten, denn der Bretterboden des Balkons sah morsch und lebensgefährlich aus.
An der einen Wand stand ein kleines Sofa mit geschwungener Rückenlehne, aus dem die Polsterfüllung quoll. Ansonsten gab es nur noch ein Bettgestell mit einer Matratze, das ganz in die Ecke geschoben war. Die kaputten Federn beulten den gestreiften Bezug aus.
Emil ließ sich auf die Matratze fallen.
»Komm her!«
Henny schluckte.
Es war die gleiche Situation wie in der Straßenbahn: Entweder sie ging jetzt oder sie ließ alles Weitere auf sich zukommen.
Dasselbe Licht, das unten durchs Fenster gefallen war, warf auch hier seine Schatten. Henny stellte sich vor die Balkontür und sah nach draußen, um Zeit zu gewinnen. Das Licht kam von den Autoscheinwerfern, die von der Straße unten bis hier hoch leuchteten, stellte sie fest. Ganz weit unten konnte sie die Bestumbucht sehen. Die Boote lagen bewegungslos im Eis. Die Straße selbst war nicht zu erkennen, nur dichtes, blattloses Gestrüpp und hohe Bäume.
»Guck mal! Ein Hund!«
Emil warf Schattenbilder an die Wand, er legte die Hände übereinander und spreizte die Finger so, dass es aussah, als ob der Hund die Schnauze auf- und zumachte.
»Quatsch, das ist doch kein Hund, das ist ein Schaf«, sagte Henny und ließ sich auf die Matratze plumpsen, worauf die Federn schrill quietschten. »So macht man einen Hund.«
Sie hob die Hand, streckte den Daumen hoch und spreizte die Finger zwischen Mittel- und Ringfinger. Sie musste lachen. Ihr Schattenbild sah aus wie eine wütende Gans.
Emils Kopf zeichnete sich als blaulila Schattenprofil auf der Wand ab. Er sah ihre Gans an und klimperte mit seinen langen Wimpern, sein Schatten zwinkerte ebenfalls.
»Dreh dich um«, sagte er. »Zeig dich auch im Profil.«
Sie wandte ihm das Gesicht zu.
Jedes Mal, wenn sie versuchten, ihre eigenen Schattenrisse anzusehen, verschwammen sie. Sie schielten so stark zur Seite, wie sie nur konnten, wobei sich ihre Nasenspitzen immer näher aufeinander zubewegten. Als sie sich fast berührten, zuckte Henny zurück, weil sie Lotte und Lasse auf der Treppe hörte. Sie drehte sich um und sah zur Tür.
»Was treibt ihr denn hier?«
Lottes Tonfall war schnippisch.
»Wir machen Schattenbilder«, sagte Emil und legte wie selbstverständlich seinen Arm um Hennys Schulter. Henny rückte etwas näher an ihn heran, Lotte sollte ja nicht glauben, dass Henny hier oben hockte und Angst hatte. Sie schob sich in Emils Armbeuge und legte ihren Kopf auf seine Schulter. Ihr Atem ging schneller und sie musste schlucken, so etwas hatte sie noch nie gemacht.
Lotte verzog das Gesicht.
Sie wäre wahrscheinlich gern die Erste gewesen, dachte Henny gehässig. Lotte hasste es, nicht die Erste zu sein.
»Komm, setzen wir uns auch hin«, sagte Lasse. Lotte schien einen Moment zu zögern und Henny wurde prompt nervös. Das wäre mal wieder typisch, jetzt, nachdem Henny sich von Lotte hatte breitschlagen lassen, weil Lotte unbedingt vor den Jungs großtun wollte, dass sie ausgerechnet jetzt nach Hause wollte, nur weil Henny ...
Sie schluckte noch einmal.
»Okay«, sagte Lotte und setzte sich auf das kleine Sofa. Sah sich um. »Wer hier wohl früher gewohnt hat?«, fragte sie.
»Hast du nicht gesagt, du wüsstest das?«, flüsterte Emil in Hennys Ohr. Sie schüttelte ganz leicht den Kopf. Lotte schien nicht mitbekommen zu haben, über was sie geredet hatten, trotzdem sah sie misstrauisch zu ihnen hinüber. Henny erwiderte ihren Blick, versuchte, Lotte die stumme Mitteilung zu schicken, nichts von Roselill zu erwähnen, als Lasse sich nach hinten lehnte und sagte: »Die Kaiserinnenwitwe von ... von Moldora. Oder, noch besser, ein paar Rockstars! Ein englischer Rockstar namens ... Barry Bla ... bla ...«
»Barry Blabla«, sagte Lotte. »Nachdem er ein paar hundert Millionen mit seinen Platten verdient hatte, kehrte er nach Norwegen zurück, weil er geborener Norweger war!«
Sie hatte die Füße aufs Sofa hochgezogen und lachte laut. »Eigentlich hieß er nämlich Bjarne ... Bla ... blubb ...«
»Bjarne Blutberg«, fiel Lasse ein.
Lotte legte das Kinn auf die Knie. »Äh, wie ekelig!«
Aber dann musste sie doch wieder lachen.
Henny lag in Emils Armbeuge, sie atmeten im gleichen