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an dieser Stelle, dass das Thema der Krankenheilung nicht isoliert abgehandelt werden kann. Es steht in der Bibel in viel weiteren Zusammenhängen und führt bewusst in diese Zusammenhänge hinein. Es gehört zu den Schwächen der meisten vorhandenen Arbeiten zu unserem Thema, dass diese Zusammenhänge entweder kaum gesehen oder sonst nur ungenügend deutlich gemacht werden. Damit kommt es zu Verkürzungen, die der Bibel nicht gerecht werden und sich für die Praxis als hinderlich erweisen.

      Kehren wir zu den Berichten der Evangelien über die Wirksamkeit Jesu zurück. Jesu Wort vom Binden des Starken (Markus 3,27)36 spielt auf ein alttestamentliches Wort an, das den ersten Hörern sofort klar vor Augen stand (Jesaja 49,24f). Es meint im Zusammenhang des Evangeliums die Austreibung von Dämonen, die Befreiung von Besessenen.

      Für unser Denken handelt es sich hier um zwei Bereiche, die zu unterscheiden sind. Einerseits sprechen wir von »normalen« Krankheiten, andererseits von besonderen »okkulten«, vielleicht sogar von »dämonischen« Bindungen. Diese Unterscheidung hängt mit unserer Geistesgeschichte zusammen, bleibt aber für unseren Umgang mit der Bibel problematisch. Eine Grenzziehung stößt auf Schwierigkeiten.

      Einmal konnte man in der Umwelt des Neuen Testamentes hinter Krankheiten Dämonen und unreine Geister als Verursacher sehen. Im Neuen Testament selbst scheinen verschiedene Aussagereihen parallel zu bestehen. Manche Texte verbinden Aussagen über Besessenheit mit konkreten Krankheitssymptomen.37 In anderen werden dieselben Krankheiten genannt, ohne dass der Text einen Hinweis auf Dämonie enthält. Die Zurückführung jeder Krankheit auf die Einwirkung von Dämonen scheint eher verwehrt.38 Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn man den Vorgang des Heilens durch Jesus betrachtet. Manche Aussagen über Jesu heilendes Handeln scheinen ganz einer Dämonenaustreibung zu gleichen (z. B. Lukas 4,39; 13,10ff). Dabei kann man fragen, ob es sich nicht doch um Krankheiten handelt (vgl. die Parallelen zu Lukas 4,39 bei Matthäus und Markus). Andererseits gibt es Aussagereihen, die offensichtlich zwischen Heilungen und Dämonenaustreibungen unterscheiden. Eine strenge Systematisierung des Befundes scheitert daran, dass das Neue Testament zwar Hinweise auf Grundakzente gibt, selbst aber an einer Systematisierung nicht interessiert scheint. Über unsere unmittelbare Fragestellung hinaus ist für das Neue Testament eine Voraussetzung grundlegend. Hinter beiden, den »natürlichen« und den »dämonischen« Schwächezuständen wird die eine, Gottes Schöpfung zerstörende Macht Satans sichtbar, die im Anbruch des Reiches Gottes entmachtet wird. »Dazu ist der Sohn Gottes erschienen, dass er die Werke des Teufels zerstöre« (1. Johannes 3,8). Die Unterscheidung zwischen Krankheit und dämonisch verursachtem Schwächezustand besteht zurecht, scheint aber nicht streng durchführbar zu sein. Die Grenzen sind zumindest fließend. Beide sind vom Kampf Jesu um die Aufrichtung und Durchsetzung der Herrschaft Gottes betroffen. Darum gehören in unsere Überlegungen über die Krankenheilung die Berichte über die Dämonenaustreibungen mit hinein.

      Nach der Verheißung des Alten Testamentes, die Jesus (nach dem Bericht des Lukas 4,18) zu Beginn seiner Wirksamkeit in Nazareth zitiert, werden mit dem Anbruch des Reiches Gottes »die Bande gelöst« werden (Jesaja 61,1).39 Unter den »Banden«, die im Text genannt sind, hat man einerseits das Binden Satans in Dämonie, vor allem in der Form der Besessenheit,40 andererseits die »Banden des Todes« (vgl. Psalm 18,5; 116,16 u. a.) verstanden, die ja in Form der Krankheit mitten in unser Leben hereinschlagen. Es zeigt sich, dass Jesus in den Prozessen der Krankheit eine Macht am Werk gesehen hat, die sich zerstörerisch gegen den Menschen und damit letztlich gegen Gott erhebt. Diese Macht kann so stark über einen Menschen kommen, dass er zeitweilig oder ganz seiner eigenen Persönlichkeit beraubt wird. Auch unsere Erfahrung, die sich in unserer Sprache niederschlägt, wird diese Sicht bestätigen. Schon ein Fieber kann uns »regelrecht überfallen« und in kürzester Zeit unsere ganze Kraft rauben. Stimmungen »kommen irgendwie über uns« und »wir mussten einfach …«. Der Umgang mit suchtkranken Menschen zeigt uns, dass man mit Therapie und mit Medikamenten manche Hilfe leisten kann. Die Mächte, die zum Konsum von Drogen treiben, werden aber nicht gebrochen. Trotz großem Einsatz an Zeit, Menschen und Mitteln bleiben die Heilungserfolge äußerst gering.

      Jesu heilendes Handeln greift nicht bloß die Krankheit an, sondern greift hinter sie zurück und bindet die Mächte, die hinter dieser Krankheit stehen. Erst dadurch wird ein Mensch wahrhaft frei. Es zeigt sich erneut, dass die Heilungen ein Teil seines Kampfes gegen den Bösen sind, der sich aufgemacht hat, die gute Schöpfung Gottes zu zerstören. Jesus bringt die Herrschaft Gottes, die neue Schöpfung.

      Die bisher gewonnenen Einsichten können uns zu einer Antwort hinleiten, warum Jesus ausgerechnet am Sabbat geheilt hat. Für den Sabbat galt ja, vom biblischen Gebot her, das Arbeitsverbot. Heilen aber fiel als Tätigkeit des Arztes unter die Liste der Arbeiten, die am Sabbat gemieden werden mussten. Man muss sich ja tatsächlich fragen, warum denn Jesus bei der Frau, die achtzehn Jahre vom Satan gebunden war, nicht noch einen Tag zugewartet und so das religiöse Gefühl der Menschen geschont hat. Genau so empfiehlt es ja der Synagogenvorsteher: »Sechs Tage gibt es, an denen man arbeiten soll; an diesen nun kommet und lasset euch heilen und nicht am Sabbattag!« (Lukas 13,14). Nach pharisäischer Anschauung befreite konkrete Lebensgefahr vom Arbeitsverbot. Aber das lag bei den Sabbatheilungen Jesu in keinem Fall vor. Jeder der Geheilten hätte, so denken wir, gut noch einen Tag warten können. Warum hat Jesus gerade am Sabbat geheilt?

      Das rechte Verständnis scheint sich von dem alttestamentlichen Wort her zu ergeben, das wir schon betrachtet haben, von Jesaja 61,1f her. Die Botschaft, die der Gesalbte, der Messias auszurichten hat, wird dort mit dem Ausdruck »Gnadenjahr des Herrn« zusammengefasst. Was ist damit gemeint?

      Israel kannte eine eigenartige soziale Vorschrift, das Sabbatjahr und das Jubel- oder Erlassjahr.41 Jedes siebte Jahr sollte der Ackerboden ruhen, also »dem Herrn einen Sabbat feiern« (Levitikus 25,2). Der hebräische Ausdruck Sabbat bedeutet ja »Ruhe«. Nach sieben Sabbatjahr-Perioden soll dann das fünfzigste Jahr als umfassendes Erlösungsjahr ausgerufen werden. Der Besitz, den die Armen hatten verkaufen müssen, wurde wieder zurückerstattet. Ja, die Israeliten, die durch Verarmung sich selbst und ihre Familien als Knechte hatten verkaufen müssen, wurden wieder frei. Der Grundgedanke war, dass damit der alte, ursprüngliche Zustand wieder hergestellt wird. »In diesem Halljahr sollt ihr ein jeder wieder zu seinem Besitz kommen« (25,13). Schulden sollen nicht endgültig sein! Verlust des Besitzes der Väter, es ging dabei vor allem um den Grundbesitz, durfte nicht die alte, von Gott gegebene Ordnung außer Kraft setzen. Es gibt ein Jahr, in dem die alte Ordnung wieder hergestellt wird. »So sollt ihr das fünfzigste Jahr weihen und Befreiung ausrufen im Lande für alle, die darin wohnen; als Halljahr soll es euch gelten. Da sollt ihr ein jeder wieder zu seinem Besitz und ein jeder wieder zu seinem Geschlecht kommen« (25,10). Das ist es, was Jesus in der Synagoge von Nazareth als Freudenbote ausruft, wenn er den Jesajatext vorliest. Nun ist »Erlassjahr«, das Gnadenjahr des Herrn. Es ist das Jahr, in dem man wieder zur Ruhe kommen soll, zum »Sabbat« findet und wo Ordnung in unsere menschlichen Verhältnisse kommen wird. Auf diesen großen »Sabbat«, diese große Ruhezeit wartete man in Israel,42 denn dann sollte auch im Verhältnis zwischen Gott und Mensch die alte Ordnung wieder einkehren. Dieses »Erlösungsjahr« war nach den Worten Jesu angebrochen: Jetzt ist es soweit (Lukas 4,21). Die Heilungen Jesu erweisen, dass nun wirklich die »Befreiung im Lande« (Levitikus 25,10) beginnt. Nun wird gelöst, was bisher gebunden war. Die alte Ordnung wird wieder hergestellt. Wahrhaftig, die Schuld erweist sich als nicht endgültig.43

      Damit allein wäre aber nicht erklärt, warum Jesus gerade am Sabbat geheilt hat. Hätte er nicht erst recht am Sabbat ruhen sollen, wenn er doch den alten Zustand der Schöpfung wiederbringen wollte? Eine letzte Antwort darauf zu geben, ist wohl nicht möglich, da die Texte des Neuen Testamentes diese Frage nicht eingehend behandeln. Eine Stelle jedoch enthält zumindest einen leisen Hinweis. Bei der Heilung der Frau mit dem krummen Rücken sagt Jesus: »Musste sie nicht am Sabbattag von dieser Fessel befreit werden?« (Lukas 13,16). Ist es gerade der Sabbat, an dem geheilt werden muss? Dem, was uns die Evangelisten über die Wirksamkeit Jesu erzählen, scheint das durchaus zu entsprechen.

      Liegt

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