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sprach Giles mit Jammermiene. "Drauf schwören, daß er es ist, kann ich nicht."

      "Nun, wofür halten Sie ihn denn?"

      "Ich weiß nicht, wofür ich ihn halten soll. Ich glaube nicht, daß es der Junge ist, ich möchte sagen, ich weiß es fast gewiß, daß er es nicht sein kann. Sie wissen, es ist nicht möglich."

      "Hat der Mann getrunken?" fragte Blathers den Doktor.

      "Sie sind wirklich ein richtiger Konfusionsrat", sagte Duff zu Giles mit verächtlicher Miene.

      Der Doktor hatte währenddessen Olivers Puls gefühlt, er bemerkte nun, daß, wenn die Herren noch Zweifel hätten, so möchten sie so gut sein und in das anstoßende Zimmer gehen und dort Brittles verhören.

      Die beiden Beamten begaben sich nun in das nächste Gemach und vernahmen Brittles. Dieser verwickelte sich in so viele Widersprüche, daß daraus nur seine eigene Unklatheit deutlich wurde. Er erklärte, daß er den Jungen des Einbrechers, wenn man ihm denselben vorführen würde, nicht wiedererkennen würde. Er habe Oliver nur für diesen Jungen gehalten, weil Herr Giles sagte, er wäre es. In der Küche habe eben Herr Giles aber gesagt, er fürchtete, in der Sache ein wenig voreilig gewesen zu sein.

      Es wurde nun die Frage aufgeworfen, ob Herr Giles überhaupt jemand getroffen habe. Als man die zweite Pistole untersuchte, stellte sich heraus, daß sie nur mit Pulver geladen war. Diese Entdeckung machte auf alle einen tiefen Eindruck – nur auf den Doktor nicht, der einige Minuten vorher die Kugel herausgezogen hatte. Nun überließen die Kriminalbeamten, ohne sich weiter um Oliver zu kümmern, das Haus der Obhut des Ortspolizisten und nahmen ihr Nachtlager in der Stadt. Am nächsten Morgen wollten sie wiederkommen.

      Des anderen Tages verbreitete sich das Gerücht, daß sich im Gefängnis von Kingston zwei Männer und ein Junge befänden, die in der Nacht unter verdächtigen Umständen aufgegriffen worden seien. Blathers und Duff begaben sich sofort dorthin. Eine genaue Untersuchung stellte fest, daß die Männer schlafend in einer Scheune gefunden waren. Obgleich dies nun ein "großes" Verbrechen war, konnte es doch nur mit Gefängnis bestraft werden. In Ermangelung aller weiteren Zeugnisse vermochte man es aber nicht als einen genügenden Beweis zu betrachten, daß die Schläfer einen mit Gewalttat verbundenen Einbruch begangen hätten und damit der Todesstrafe verfallen wären. Die beiden Detektive kehrten also ebenso klug zurück, wie sie hingegangen waren.

      Um uns kurz zu fassen – nach einigem Hin und Her ließ sich der benachbarte Friedensrichter leicht bewegen, Frau Maylies und Herrn Losbernes Bürgschaft dafür anzunehmen, daß Oliver, falls verlangt, vor Gericht erscheine. Blathers und Duff, mit einigen Guineen von Frau Maylie belohnt, kehrten mit grundverschiedenen Ansichten von der Sache nach London zurück. Der letztere neigte nach reiflicher Erwägung aller Umstände zu dem Glauben, daß der Einbruch von der Familie Pet verübt sei, während ersterer zu dem Schlusse kam, daß einzig und allein der große Herr Conkey Chickweed die Tat ausgeführt haben könnte.

      Inzwischen erholte sich Oliver allmählich unter Frau Maylies, Rosas und des guten Doktors Pflege.

      Zweiunddreißigstes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

       Von dem glücklichen Leben, das Oliver bei seinen gütigen Beschützerinnen zu führen anfing

      Oliver hatte viel Schmerzen auszustehen. Die Wunde tat arg weh, und dazu gesellte sich noch ein heftiges Fieber, das viele Wochen anhielt und ihn sehr herunterbrachte. Endlich fing es an mit ihm besser zu werden, und er konnte unter Tränen seinen Dank abstatten und sagen, wie tief er die Güte der Damen empfinde. Er wünschte und hoffte, ihnen nach seiner Genesung Beweise seiner Dankbarkeit geben zu können. Er sehne sich danach, ihnen irgendwie dienen zu können, damit sie sähen, daß sie ihre Güte nicht an einen Unwürdigen verschwendet hätten.

      "Liebes Kind", sagte Rosa, "du wirst manche Gelegenheit dazu haben. Wir gehen aufs Land, und meine Tante will dich mitnehmen. Die ländliche Ruhe und die reine Luft werden dich in kurzer Zeit wieder ganz gesund machen, dann wollen wir dich auf hunderterlei Art beschäftigen, sobald du der Mühe gewachsen bist."

      "Mühe?" rief Oliver. "Ach, liebes Fräulein, wenn ich nur für Sie arbeiten oder Ihnen eine Freude machen könnte, indem ich Ihre Blumen begösse, Ihre Vögel pflegte oder Gänge für Sie machte. Ich würde wer weiß was darum geben!"

      "Gar nichts sollst du darum geben", versetzte Rosa lächelnd, "denn wie ich schon vorhin sagte, wirst du dich auf vielerlei Art nützlich machen können. Wenn du nur die Hälfte davon hältst, was du jetzt versprichst, so wirst du mich sehr glücklich machen."

      "Glücklich?" rief Oliver aus. "Wie lieb sind Sie!"

      "Du wirst mich glücklicher machen, als ich dir sagen kann", entgegnete die junge Dame. "Schon der Gedanke, daß meine liebe Tante das Werkzeug Gottes gewesen ist, jemand aus einer so unglücklichen Lage, wie du sie beschrieben hast, zu erretten, gewährt mir eine unaussprechliche Freude. Aber die Überzeugung, daß ihr Schützling in aufrichtigem Danke ihr zugetan ist, macht mich überglücklich. Verstehst du mich?" fragte sie, Olivers nachdenkliches Gesicht betrachtend.

      "O ja, Fräulein", antwortete Oliver hastig. "Aber es fiel mir eben ein, daß ich jetzt schon undankbar bin."

      "Gegen wen?" fragte Rosa.

      "Gegen den gütigen Herrn und die liebe alte Dame, die sich meiner so herzlich angenommen haben. Ich weiß bestimmt, sie würden sich freuen, wenn sie erführen, daß ich hier so glücklich bin."

      "Das glaube ich auch, und Herr Losberne hat sich bereits vorgenommen, mit dir dort einen Besuch zu machen, sobald es dein Zustand erlaubt."

      "Wirklich, Fräulein?" rief Oliver, und sein Gesicht strahlte. "Ach, ich wüßte mich vor Freude nicht zu lassen, wenn ich die lieben Menschen wiedersehen würde."

      Nach ziemlich kurzer Zeit war Oliver so weit wiederhergestellt" daß er die kleine Reise zu Herrn Brownlow wagen durfte. In einem kleinen Wagen der Frau Maylie fuhr er zusammen mit Herrn Losberne nach Pentonville. Als sie an die Chertseybrücke kamen, erblaßte Oliver und stieß einen lauten Schrei aus.

      "Was ist los?" fragte der Doktor mit seiner gewöhnlichen Lebhaftigkeit. "Siehst du etwas? Hörst du etwas? Fühlst du etwas – wie?"

      "Dort, Herr Doktor, jenes Haus!"

      "Ja – was ist damit? Halt, Kutscher! – Was ist mit dem Hause, Junge, he?"

      "Die Diebe – in jenes Haus haben sie mich mitgenommen", flüsterte Oliver.

      "Donnerwetter! Halt, Kutscher, ich will aussteigen!"

      Aber ehe noch der Kutscher halten konnte, war der Doktor schon aus dem Wagen gesprungen. Er lief auf das Haus zu und begann wie toll an die Tür zu klopfen.

      "Hallo, was soll der Lärm?" schrie ein kleiner, buckliger Mann und öffnete die Tür so plötzlich, daß Losberne beinahe ins Haus gefallen wäre.

      "Was das soll?" brüllte er und packte das Männchen am Kragen. "Gar viel. Es ist von Raub und Einbruch die Rede."

      "Und auch bald von Mord", versetzte der Bucklige kaltblütig, "wenn Sie mich nicht sofort loslassen, verstanden?"

      "Ich verstehe sehr gut", entgegnete der Doktor und schüttelte ihn kräftig. "Wo ist – Donnerwetter, wie heißt doch gleich der verdammte Spitzbube – Sikes – richtig. – Wo ist Sikes, Halunke?"

      Der Bucklige starrte ihn entrüstet und wütend an, entwand sich dann durch eine geschickte Bewegung den Händen des Doktors und zog sich in das Haus zurück, schreckliche Flüche ausstoßend. Ehe er jedoch die Tür zumachen konnte, war Herr Losberne, ohne ein Wort zu sprechen, ins Zimmer eingedrungen. Er sah sich schnell um, aber nichts entsprach Olivers Beschreibung vom Hause.

      "Nun", sagte das Männchen, "was soll das bedeuten, daß Sie so gewaltsam in mein Haus eindringen? Wollen Sie mich berauben – oder ermorden?"

      "Hast du jemals

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