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Die Ansiedler in Kanada. Фредерик Марриет
Читать онлайн.Название Die Ansiedler in Kanada
Год выпуска 0
isbn 9788711447703
Автор произведения Фредерик Марриет
Издательство Bookwire
„Ich danke dir, lieber Alfred. Du weißt nicht, wie du mir das Herz erleichtert hast. Jetzt kann ich dem Vater wieder in’s Gesicht blicken.“
„Das wirst du hoffentlich; wir an Schiffsbord beunruhigen uns nicht mit so zarten Gefühlen, Henry. Ich würde ihm schon längst die Wahrheit gesagt haben und es nicht auf dem Herzen behalten. Wäre das Unglück vor unserer letzten Kreuzfahrt geschehen, hätte ich mich genau in deiner Lage befunden; denn ich hatte eine Schneiderrechnung so lang wie ein Fregattenwimpel und besaß in meiner Tasche nicht so viel, um das Frühstück für eine Maus zu kaufen. Doch nun laß uns wieder hineingehen und vergnügt sein, um die anderen etwas aufzumuntern.“
Sobald der Diener nach dem Tee das Zimmer verlassen hatte, gab Mr. Campbell, der sich vorher mit seiner Frau darüber besprochen hatte, eine offene Darlegung der ihnen gebliebenen Mittel.
Er erklärte, daß er in seiner Bedrängnis der ganzen Familie die Zukunftsfrage vorlegen wolle, um zu hören, ob in einem von ihnen ein Plan auftauchen möchte, für den sie sich entscheiden und wonach sie handeln könnten. Henry wurde zuerst zum Sprechen aufgefordert.
„Meine lieben Eltern, wenn ihr miteinander kein Projekt zu fassen vermögt, so fürchte ich, daß ich euch noch weniger raten kann. Was ich zu sagen habe ist nur, daß ich stets meine Pflichten gegen euch und die Geschwister erfüllen werde, wofür ihr euch auch immer entscheiden mögt. Meine Erziehung war keine derartige, um einem armen Manne besonderen Nutzen zu gewähren, indessen bin ich bereit, mit Kopf und Händen zu arbeiten, soweit es meinen Fähigkeiten entspricht.“
„Davon bin ich überzeugt, lieber Sohn“, versetzte sein Vater. „Nun Alfred, müssen wir auf dich unsere Hoffnung setzen, denn deine beiden Cousinen werden uns vermutlich nicht viel raten können.“
„Gut, Vater, ich habe schon nachgedacht und will einen Vorschlag machen, der euch zwar zuerst befremden mag, mir indessen als unser einziger und bester Ausweg erscheint. Die paar hundert Pfund, die dir geblieben sind, nützen dir in unserem Lande zu nichts weiter, als daß sie dich für ein bis zwei Jahre vor dem Hungertode schützen; in einem andern Lande aber mögen sie den gleichen Wert haben, wie hier ebenso viele Tausende. Bei uns gilt eine große Familie für eine schwere Bürde, in einem anderen Lande ist ein Mann um so reicher, je mehr Kinder er besitzt. Wenn du dich entschließen könntest, mit deiner Familie in ein anderes Land überzusiedeln, könntest du von der Armut wieder zu Reichtum gelangen.“
„An welches Land denkst du, Alfred?“
„Ei, Vater, der Zahlmeister unseres Schiffes hat einen Bruder, der, bald nachdem die Franzosen aus Kanada vertrieben worden waren, sich dorthin begeben hat. Er hatte nur 300 Pfund. Er ist seit vier Jahren dort, und als unsere Fregatte in Portsmouth eintraf, empfing der Zahlmeister einen Brief von ihm, worin er schreibt, daß es ihm gut geht und sein Wohlstand sich zusehends mehrt. Er hat eine Farm von 500 Acres, von denen 200 bereits gelichtet sind und meint, wenn er nur einige Kinder hätte, die in dem Alter wären, um ihm zu helfen, so könnte er bald das zehnfache Vermögen besitzen, da er sofort mehr Land kaufen würde. Dort bezahlt man den Acre mit einem Dollar und kann das Land auswählen. Mit deinem Gelde könntest du es verbessern, und nach einigen Jahren würdest du in behaglichen, wenn auch nicht glänzenden Verhältnissen sein. Deine Kinder würden für dich arbeiten, und du würdest das befriedigende Bewußtsein haben, sie dereinst unabhängig und glücklich zurückzulassen.“
„Ich kann dir einräumen, mein lieber Sohn, daß du einen Plan entworfen hast, der viele Vorzüge besitzt. Doch er hat auch seine Schattenseiten.“
„Schattenseiten“, versetzte Alfred, „nun natürlich hat er die, doch, Vater, ich sehe keine Schwierigkeiten, die nicht zu überwinden wären. Laß uns dieselben näher ins Auge fassen. Zunächst harte Arbeit, Entbehrungen, eine Blockhütte für die erste Zeit, strenge Winter, Abgeschiedenheit, Gefahren durch wilde Tiere und die Eingeborenen. Ich gebe zu, daß dies ein trauriger Ersatz ist für ein prächtiges Haus, für schöne Möbel, ausgezeichnete Küche, gebildete Gesellschaft und das Interesse, das man an allem nimmt, was sich im eigenen Lande zuträgt, wovon uns täglich Kunde wird. Henry und ich werden unser möglichstes tun, um euch die harte Arbeit abzunehmen; wenn der Winter streng ist, ist kein Mangel an Brennholz, und wenn unsere Blockhütte roh ist, wollen wir sie dafür gemütlich machen; abgeschieden von der Welt werden wir aneinander genug Gesellschaft haben, und sind wir in Gefahr, so sollen Feuerwaffen und Tapferkeit uns schützen. Ich sehe nichts anderes, als daß wir sehr glücklich, sehr angemessen und vor allen Dingen sehr unabhängig leben könnten.“
„Alfred, du sprichst, als ob du mit uns ziehen wolltest“, sagte Mrs. Campbell.
„Denkst du denn, daß ich das nicht will, liebe Mutter? Bildest du dir ein, ich würde hier bleiben, wenn ihr dort wäret, wo meine Anwesenheit euch von Nutzen sein könnte? Nein, nein, ich hänge zwar an meinem Berufe, aber ich erkenne auch die Pflicht, meinen Eltern beizustehen und ihr gebe ich den Vorzug. Ein Steuermann hat einen hohen Begriff von der Unabhängigkeit. Ich möchte lieber zu den freien und unabhängigen Wilden Amerikas gehören, als im Dienste bleiben und vielleicht zwanzig Jahre lang vor jedem Unterleutnant an den Hut fassen müssen. Wenn ihr geht, gehe ich auch, so viel steht fest. Wie unglücklich würde ich sein, wenn ihr ohne mich wäret. Jede Nacht würde ich träumen, daß ein Indianer unsere Mary geraubt, oder ein Bär unsere kleine Emma aufgefressen hätte.“
„Nun, ich werde die Gefahr mit dem Indianer schon bestehen“, versetzte Mary.
„Und ich mit dem Bären“, sagte Emma, „vielleicht wird er mich nur so leicht umarmen wie Alfred es heute bei seiner Rückkehr tat.“
„Ich danke Euch für den Vergleich, Miß“, versetzte Alfred lachend.
„Ich glaube wirklich, Alfred, daß dein Vorschlag Überlegung verdient“, bemerkte Mrs. Campbell. „Dein Vater wird sich mit mir darüber beraten, und vielleicht sind wir schon morgen früh zu einer Entscheidung gekommen. Jetzt aber tun wir alle gut, zu Bett zu gehen.“
„Ich werde ganz gewiß von dem Indianer träumen“, sagte Mary.
„Und ich von dem Bären“, fügte Emma mit schalkhaftem Blick auf Alfred hinzu.
„Und ich werde von einem sehr hübschen Mädchen träumen — das ich — in Portsmouth sah“, sagte Alfred.
„Das glaube ich dir nicht“, sagte Emma.
Kurz darauf klingelte Mr. Campbell nach den Dienstboten. Die Abendandacht wurde abgehalten, und dann begaben sich alle guten Mutes zur Ruhe.
Am nächsten Morgen fanden sie sich frühzeitig zusammen, und nachdem Mr. Campbell seiner Gewohnheit gemäß einen Abschnitt aus der Bibel und ein Dankgebet gelesen, setzten sie sich zum Frühstück nieder. Als es beendigt war, sagte Mr. Campbell: „Meine lieben Kinder, nachdem ihr uns gestern abend verlassen, hatte ich mit eurer Mutter noch eine lange Beratung, und wir haben eingesehen, daß uns keine Wahl bleibt als dem Ratschlag zu folgen, den Alfred uns gemacht hat. Wenn ihr alle derselben Meinung seid, sind wir entschlossen, unser Glück in Kanada zu versuchen.“
„Ich bin ganz eurer Ansicht“, versetzte Henry.
„Und ihr, meine Mädchen?“ fragte Mr. Campbell.
„Wir folgen dir bis ans Ende der Welt, Onkel“, entgegnete Mary, „und werden alles tun, was in unserer Macht steht, um eure Güte gegen uns arme Waisen zu vergelten.“
Mr. und Mrs. Campbell umarmten ihre Nichten, tief gerührt über Marys Antwort.
Nach kurzem Stillschweigen sagte Mrs Campbell: „Und nun, nachdem wir zur Entscheidung gekommen sind, müssen wir unsere Vorkehrungen treffen. Wie sollen wir uns arrangieren? Sagt, Alfred und Henry, was schlagt ihr vor?“
„Ich muß nach Oxford zurück, um meine dortigen Angelegenheiten