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      Jean Paul

      Dr. Katzenbergers Badereise

      Saga

      Dr. Katzenbergers BadereiseCoverbild/Illustration: Shutterstock Copyright © 1809, 2020 Jean Paul und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726614664

      1. Ebook-Auflage, 2020

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

      – a part of Egmont www.egmont.com

Erste Abteilung

      1. Summula

      Anstalten zur Badreise

      Ein Gelehrter, der den ersten Juli mit seiner Tochter in seinem Wagen mit eignen Pferdeu ins Bad Maulbronn abreifet, wünscht einige oder mehre Reisegesellschafter.“ — Dieses liess der verwittibte ausübende Arzt und anatomische Professor Katzenberger ins Wochenblatt setzen. Aber kein Mensch auf der ganzen Universität Pira (im Fürstentume Zäckingen) wollte mit ihm gern ein paar Tage unter einem Kutschenhimmel leben; jeder hatte seine Gründe — und diese bestanden alle darin, dass niemand mit ihm wohlfeil fuhr als zuweilen ein hinten aufgesprungener Gassenjunge; gleichsam als wäre der Doktor ein ansässiger Porträuber von innen, so sehr kelterte er muntere Reisegefährten durch Zu- und Vor- und Nachschüsse gewöhnlich dermassen aus, dass sie nachher als lebhafte Köpfe schwuren, auf einem Eilbotenpferde wollten sie wohlfeiler angekommen sein und auf einer Krüppelfuhre geschwinder.

      Dass sich niemand als Wagen-Mitbelehnter meldete, war ihm als Mittelmanne herzlich einerlei, da er mit der Anzeige schon genug dadurch erreichte, dass mit ihm kein Bekannter von Rang umsonst mitfahren konnte. Er hatte nämlich eine besondere Kälte gegen Leute von höherem oder seinem Range und lud sie deshalb höchst ungern zu Diners, Gouters, Soupers ein und gab lieber keine; leichter besucht’ er die ihrigen zur Strafe und ironisch; — denn er denke (sagte er) wohl von nichts gleichgültiger als von Ehrentgastereien, und er wolle eben so gern à la Fourchette des Bajonettes gespeist sein, als feurig wetteifern mit den Grossen seiner Stadt im Gastieren, und er lege das Tischtuch lieber auf den Katzentisch. Nur einmal — und dies aus halben Scherz — gab er ein Gouter oder Dégouter, indem er um 5 Uhr einer Gesellschaft seiner verstorbnen Frau seinen Tee einnötigte, der Kamillentee war. Man gebe ihm aber, sagte er, Lumpenpack, Aschenbrödel, Kotsassen, Soldaten auf Stelzfüssen: so wüsst’ er, wem er gern zu geben habe; denn die Niedrigkeit und Armut sei eine hartnäckige Krankheit, zu deren Heilung Jahre gehören, eine Töpfer- oder Topfkolik, ein nachlassender Puls, eine auffallende und galoppierende Schwindsucht, ein tägliches Fieber; — venienti aber, sage man, currite morbo, d. h. man gehe doch dem herkommenden Lumpen entgegen und schenk’ ihm einen Heller, das treueste Geld, das kein Fürst sehr herabsetzen könne.

      Bloss seine einzige Tochter Theoda, in der er, ihres Feuers wegen, als Vater und Witwer die vernachlässigte Mutter nachliebte, regte er häufig an, dass sie — um etwas Angenehmeres zu sehen, als Professoren und Prosektoren — Teegesellschaften, und zwar die grössten, einlud. Er drang ihr aber nicht eher diese Freude auf, als bis er durch Wetterglas, Wetterfisch und Fussreissen sich völlig gewiss gemacht, dass es gegen Abend stürme und giesse, so dass nachher nur die wenigen warmen Seelen kamen, die fahren konnten. Daher war Katzenbergers Einwilligen und Eingehen in einen Tee eine so untrügliche Prophezeiung des elenden Wetters als das Hinuntergehen des Laubfrosches ins Wasser. Auf diese Weise aber füllte er das liebende Herz der Tochter aus; denn diese musste nun, nach dem närrischen Kontrapunkt und Marschreglement der weiblichen Visitenwelt, von jeder einzelnen, die nicht gekommen war, zum Gutmachen wieder eingeladen werden; und so konnte sie oft ganz umsonst um sieben verschiedne Teetische herumsitzen, mit dem Strumpf in der Hand. Indes erriet die Tochter den Vater bald und machte daher ihr Herz lieber bloss mit ihrer innersten einzigen Freundin Bona satt.

      Auch für seine Person war Katzenberger kein Liebhaber von persönlichem Umgang mit Gästen: „Ich sehe eigentlich“, sagte er, „niemand gern bei mir, und meine besten Freunde wissen es und können es bezeugen, dass wir uns oft in Jahren nicht sehen; denn wer hat Zeit! — Ich gewiss nicht.“ Wie wenig er gleichwohl geizig war, erhellt daraus, dass er sich für zu freigebig ansah. Das wissenschaftliche Licht verkalkte nämlich seine edlen Metalle und äscherte sie zu Papiergeld ein; denn in die Bücherschränke der Ärzte, besonders der Zergliederer mit ihren Foliobänden und Kupfermerken, leeren sich die Silberschränke aus, und er fragte einmal ärgerlich: „Warum kann das Pfarrer- und Poetenvolk allein für ein Lumpengeld sich sein gedrucktes Lumpenpapier einkaufen, das ich freilich kaum umsonst haben möchte?“ Wenn er vollends in schönen Phantasien sich des Pastors Goeze Eingeweidewürmerkabinett austalte — und den himmlischen Abrahamsschoss, auf dem er darin sitzen würde, wenn er ihn bezahlen könnte — und das ganze wissenschaftliche Arkadien in solchem Wurmkollegium, wovon er der Präsident wäre —, so kannte er, nach dem Verzichtleisten auf eine solche zu teuere Brautkammer physio- und pathologischer Schlüsse, nur ein noch schmerzlicheres und entschiedeneres, nämlich das Verzichtleisten auf des Berliner Walters Präparaten-Kabinett, für ihn ein kostbarer himmlischer Abrahamstisch, worauf Seife, Pech, Quecksilber, Öl und Terpentin und Weingeist in den feinsten Gefässen von Gliedern anfgetragen wurden, samt den besten trockensten Knochen dazu; was aber half dem anatomischen Manne alles träumerische Denken an ein solches Feld der Auferstehung (klopstockisch zu singen), das doch nur ein König kaufen konnte? —

      Der Doktor hielt sich daher mit Recht für freigebig, da er, was er seinem Munde und fremdem Munde abdarbte, nicht bloss einem teuern Menschenkadaver und lebendigen Hunde zum Zerschneiden zuwandte, sondern sogar auch seiner eignen Tochter zum Erfreuen, so weit es ging.

      Dieses Mal ging es nun mit ihr nach dem Badorte Maulbronn, wohin er aber reisete, nicht um sich — oder sie — zu baden oder um da sich zu belustigen, sondern ein Reisezweck war die

      2. Summula

      Reisezwecke

      Katzenberger machte statt einer Lustreise eigentlich eine Geschäftsreise ins Bad, um da nämlich seinen Rezensenten beträchtlich auszuprügeln und ihn dabei mit Schmähungen an der Ehre anzugreifen, nämlich den Brunnenarzt Strykius, der seine drei bekannten Meisterwerke — den Thesaurus Haematologiae, die de monstris epistola, den fasciculus exercitationum in rabiem caninam anatomicomedico-curiosarum 1 — nicht nur in sieben Zeitungen, sondern auch in sieben Antworten oder Metakritiken auf seine Antikritiken überaus heruntergeletzt hatte.

      Indes trieb ihn nicht bloss die Herausgabe und kritische Rezension, die er von dem Rezensenten selber durch neue Lesarten und Verbesserung der falschen vermittelst des Ausprügelns veranstalten wollte, nach Maulbronn, sondern er wollte auch auf seinen vier Rädern einer Gevatterschaft entkommen, deren blosse Verheissung ihm schon Drohung war. Es stand die Niederkunft einer Freundin seiner Tochter vor der Türe. Bisher hatte er hin und her versucht, sich mit dem Vater des Droh-Patchens (einem gewissen Mehlhorn) etwas zu überwerfen und zu zerfallen, ja sogar dessen guten Namen ein bisschen anzufechten, eben um nicht den seinigen am Taufsteinte herleihen zu müssen. Allein es hatte ihm das Erbittern des gutmütigen Zollers und Umgelders 2 Mehlhorn nicht besonders glücken wollen, und er machte sich jede Minute auf eine warme Umhalsung gefasst, worin er die Gevatterarme nicht sehr von Fangkloben und Hummerscheren unterscheiden konnte. Man verüble dem Doktor aber doch nicht alles; erstlich hegte er einen wahren Abscheu vor allen Gevatterschaften überhaupt, nicht bloss der Ausgaben halber — was für ihn das Wenigste war, weil er das Wenigste gab —, sondern wegen der geldsüchtigen Willkür, welche ja in einem Tage zwanzig Mann stark von Kreissenden alles Standes ihn anpacken und aderlassend anzapfen konnte am Taufbecken. Zweitens konnt’ er den einfältigen Aberglauben des Umgelders Mehlhorn nicht ertragen, geschweige bestärken, welcher zu Theoda, da unter dem Abendmahlsgenuss gerade bei ihr der Kelch frisch eingefüllt wurde 3 , mehrmal listig-gut gesagt hatte: „So wollen wir doch sehen, geliebt’s Gott, meine Mademoiselle, ob die Sache eintrifft und Sie noch dieses Jahr zu Gevatter stehen; ich sage aber nicht bei wem.“ — Und drittens wollte Katzenberger seine Tochter, deren Liebe er fast niemand gönnte als sich, im

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