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Der Palast des Poseidon. Thomas Thiemeyer
Читать онлайн.Название Der Palast des Poseidon
Год выпуска 0
isbn 9783948093327
Автор произведения Thomas Thiemeyer
Серия Die Chroniken der Weltensucher
Издательство Bookwire
»So wie du aussiehst, hat nicht mehr viel dazu gefehlt. Was ist passiert?«
»Ärger mit einem Geldverleiher, ist doch egal. Ich habe ihm Geld geschuldet und es zurückgezahlt. Wir sind jetzt quitt. Ende der Geschichte.«
»Und das soll ich dir glauben? Bei dem Veilchen, das du kassiert hast? Ach, was mische ich mich da ein! Du hörst ja doch nicht auf mich. Aber eines kann ich dir sagen: Wenn mein Onkel dich so sieht, schmeißt er dich raus, und zwar achtkantig. Vergiss nicht, er hat dir verboten, dich mit diesen Leuten zu treffen.«
»Du verstehst das nicht«, sagte Oskar. »Meine Freunde sind wie meine Familie. Ich kann nicht von heute auf morgen ein neues Leben beginnen und so tun, als sei davor nichts gewesen. Ich musste sie einfach wiedersehen. Tut mir leid, wenn ich deinen Ansprüchen nicht genüge …«
Charlotte sah einen Moment wütend auf ihn herab, dann wurde ihr Ausdruck sanfter. »Ich hab’s nicht so gemeint. Ich mach mir nur einfach Sorgen.«
Irrte er sich oder huschte da ein roter Schimmer über ihre Wangen?
In dem Moment schien sie es selbst zu bemerken und änderte ihre Haltung sofort. »Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass wir jetzt ein Problem haben«, sagte sie. »Mein Onkel will, dass wir uns beide unten einfinden. Er hat Besuch bekommen und möchte, dass wir seine Gäste kennenlernen. Was mache ich nur mit dir …?« Sie blickte sich um, dann rief sie: »Ich habe eine Idee! Warte hier, ich bin gleich zurück.«
Sie verschwand und lief einen Stock höher in ihr Zimmer. Oskar konnte hören, wie sie in irgendwelchen Schubladen herumwühlte. Der Gedanke, dass sie so besorgt um ihn war, erzeugte ein warmes Gefühl in seinem Bauch. Er hatte dieses Gefühl schon seit Peru, aber es nie so richtig zugelassen. Doch seit sie wieder daheim waren, war es stärker geworden.
Charlotte kam zurück und schloss die Tür. »So«, sagte sie. »Setz dich da ans Licht. Ich muss dich ein bisschen zurechtmachen.«
Oskar blickte misstrauisch auf das Täschchen in Charlottes Händen. »Schminksachen?«, fragte er.
»Abdeckpuder, ganz genau. Wir müssen etwas gegen dein Veilchen unternehmen.« Sie reichte ihm einen Handspiegel. Was Oskar darin erblickte, ließ ihn erschrocken zusammenfahren. Seine ganze linke Wange war blau. Es sah aus, als wäre er in einen Blaubeerkuchen gefallen. Erschrocken ließ er sich auf den Stuhl fallen. Vielleicht sollte er den Forscher doch mal darum bitten, einen Spiegel über dem Waschbecken anzubringen.
Ohne Vorwarnung fing Charlotte an, ihn mit Pinseln und Wattebäuschen zu bearbeiten. Früher hätte er eine solche Prozedur nicht ums Verrecken über sich ergehen lassen, aber er sah ein, dass es diesmal nicht anders ging. Nach einer Weile fand er sogar Spaß daran. Charlotte war ausgesprochen geschickt und er genoss es, ihr so nahe zu sein. Ein leichter Duft nach Lavendel umschmeichelte seine Nase. War das ihr Parfüm oder roch sie einfach so gut?
Er hätte gerne irgendetwas Charmantes gesagt, doch ihm fiel nichts ein. Es war doch komisch, dass er sich in ihrer Gegenwart immer befangen fühlte. Dabei hatte er bei den Mädchen in seiner alten Gegend einen Ruf als richtiger Casanova. Vielleicht lag es daran, dass Charlotte ihn so gut durchschaute. Mit ihr war jedenfalls alles anders.
Etwa fünf Minuten später war sie fertig. »So müsste es gehen, glaube ich.« Sie reichte ihm den Spiegel. Oskar drehte seinen Kopf. Die Nichte des Forschers hatte wirklich gute Arbeit geleistet. Außer der leichten Schwellung war kaum noch etwas zu sehen. Die Hautfarbe und der Übergang waren perfekt gelungen. Er wollte sie loben, doch sie klappte den Spiegel zu und steckte ihn zurück in ihre Tasche. »Keine Zeit jetzt«, sagte sie. »Humboldt wartet schon auf uns. Schuhe an und dann nichts wie runter!«
4
Die Tür der Bibliothek stand weit offen. Oskar strich die Haare aus seinem Gesicht und betrat den Raum.
»Na endlich!«, rief der Forscher. »Das hat ja gedauert. Herr Nikomedes, darf ich Ihnen mein Team vorstellen, wie man im Englischen so schön sagt? Das ist meine Begleiterin Eliza Molina, meine Nichte Charlotte und mein Diener Oskar. Nicht zu vergessen natürlich Wilma, die auch schon bei unserer ersten Expedition mit dabei war und uns dort wertvolle Dienste geleistet hat.« In einem Körbchen unter dem Tisch saß ein Kiwi, der sie aufmerksam beobachtete. Humboldt griff in eine Dose mit Kraftfutter und warf ihm einen kleinen Appetithappen zu. Begierig schluckte der Vogel den Leckerbissen herunter.
»Sehr erfreut.« Nikomedes begrüßte sie mit einem warmen Händedruck. »Eine ungewöhnliche Forschergruppe, aber wir leben ja auch in ungewöhnlichen Zeiten.«
»Das kann man wohl sagen«, gab Humboldt zurück.
»Eine beeindruckende Kartensammlung, die Sie da haben«, sagte Nikomedes. »Vor allem Ihre Atlanten sind von ausgezeichneter Qualität. Darf ich?«
»Bitte, bedienen Sie sich.«
Der Reeder zog eines der Bücher heraus, blätterte darin und stellte es vorsichtig wieder zurück an seinen Platz.
»Und Sie sind beide Griechen?«, fragte Humboldt, während er Wilma ein weiteres Häppchen zuwarf.
»Aus Athen. Gestern Abend mit dem Hellas-Express angekommen. Eine lange und beschwerliche Fahrt.«
Humboldt deutete auf zwei Sessel. »Bitte setzen Sie sich doch«, sagte er. »Übrigens ist Ihr Deutsch wirklich ausgezeichnet. «
»Vielen Dank.« Nikomedes wirkte geschmeichelt. »Ich hatte das Privileg, auf einer der besten Schulen Athens unterrichtet zu werden. Mein Lehrer in Fremdsprachen kam aus Deutschland. Aus Hamburg, um genau zu sein.«
»Darf ich fragen, wie Sie auf mich aufmerksam geworden sind?«
»Ihr Ruf ist Ihnen vorausgeeilt. Sie haben ausgezeichnete Referenzen. Ihre Reisen, Ihre Publikationen … in der Presse wurde darüber berichtet, dass Sie Ihre Dienste künftig Privatunternehmen zur Verfügung stellen. Unternehmen, die – sagen wir mal – ungewöhnliche Probleme haben. Als ich das las, dachte ich sofort: Das ist unser Mann.« Er warf seinem Kollegen einen vielsagenden Blick zu.
»Dann hoffe ich, dass Sie Ihre Erwartungen nicht zu hoch schrauben«, sagte Humboldt lächelnd. »Wunder vollbringen wir keine.«
»Und doch ist das genau das, was ich mir von Ihnen erhoffe. Es heißt, Sie seien ein Mann, der das Unmögliche möglich macht.«
Humboldt zuckte die Schultern. »Ich bin erst seit kurzer Zeit in diesem Geschäft. Genau genommen sind Sie mein erster Auftraggeber, nachdem ich dem Universitätsbetrieb den Rücken gekehrt habe. Aber natürlich verfüge ich über eine langjährige Erfahrung im Umgang mit ungewöhnlichen Phänomenen. Sie können also versichert sein, wenn ich mich entschließe, einen Auftrag anzunehmen, widme ich ihm meine volle Aufmerksamkeit.«
»Um ehrlich zu sein: Mir fiel niemand ein, an den ich mich sonst hätte wenden können.« Nikomedes senkte die Stimme. »Die Aufgabe, mit der ich Sie betrauen möchte, unterliegt strengster Geheimhaltung. Nichts, worüber hier gesprochen wird, darf diesen Raum verlassen.«
»Sie können sich auf unsere Diskretion verlassen.«
Nikomedes schwieg einen kurzen Moment. »Was ich Ihnen zu erzählen habe, mag Ihnen seltsam vorkommen, doch ich versichere Ihnen, es ist die volle Wahrheit.«
Humboldt lächelte. »Ich habe schon allerlei seltsame Dinge in meinem Leben gesehen.«
Eliza, die vor wenigen Minuten den Raum verlassen hatte, kam mit einem Tablett voller Erfrischungen zurück. Sie stellte eine Karaffe mit Wasser und Saft sowie einige Gläser aus geschliffenem Kristall auf den Tisch. Daneben platzierte sie etwas Gebäck und einige Teller. »Darf ich den Herren einen Branntwein anbieten oder einen Cognac?«