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der Bretterwände. Walburga blickte hoch und erahnte das verrußte Gewölm, in dem sich der Rauch fing. Mehrere Holzstangen waren dort angebracht, um Schinken und Würste zur Haltbarmachung aufzuhängen. Ein einzelnes Stück Speck vom Vorbesitzer baumelte noch herab und wurde von zahllosen Fliegen umschwirrt. Nachdem sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, bemerkte Walburga, dass es an jeder Seite der großzügigen Küche einen Herd gab, einen für sie, die Hofbäuerin, und einen für die Altvorderen, die ältere Generation, wenn sie denn mit auf dem Hof lebte. Eigener Herd ist Goldes wert, dachte Walburga. Man konnte ja nie wissen, ob die Eltern hier nicht eines Tages einzögen.

      Sie kehrte zurück in den Hausgang, nun gefolgt von mehreren Kindern unter der Führung von Bibiane, die immer den Ton angab. Auf der anderen Seite der Küche gab es ein Stüble, einen kleinen Wohnraum für die Altvorderen. Sie würden sehen, wie sie diesen Raum nutzen konnten. Neben dem Stüble gab es eine weitere Haustür, die zur anderen Seite ins Freie führte.

      Walburga und ihre Kinder stiegen nun die Holztreppe ins erste Obergeschoss hinauf. Direkt über der Stube lag die Schlafkammer der Bauern, hier würden Walburga und Martin ihre eigenen Möbel, die sie zur Hochzeit geschenkt bekommen hatten, aufstellen, wenngleich die vorhandenen auf Walburga keinen schlechten Eindruck machten. Über dem Stüble wiederum lag eine ebenfalls eingerichtete Schlafkammer für die Altvorderen. Gegenüber befanden sich eine weitere, kleine Kammer für den Knecht sowie der riesige Heustock, der fast die Hälfte der gesamten Geschossfläche einnahm und gut gefüllt war.

      Eine Tür neben der Bauernschlafkammer führte nach draußen auf den Außengang, der Zugang zu drei weiteren Kammern bot, die nur über diesen Weg erreichbar waren. Sie lagen direkt über dem Stall, der von unten Wärme spendete.

      »Können wir in einer dieser Kammern schlafen?«, fragte Bibiane. Sie wartete die Antwort nicht ab und rannte ihrem großen Bruder Lorenz über den Gang hinterher.

      Es gibt wirklich viel Platz, dachte Walburga beeindruckt. Ihr Mann hatte richtig entschieden. Dies war ein stattlicher Hof, der etwas hermachte und ihnen ein gutes Auskommen sichern würde.

      Eine weitere Treppe führte sie schließlich ins zweite Obergeschoss auf die Tenne. Diese hatte ein beachtliches Ausmaß. Walburga blickte hoch und sah die enorme Spannweite des Daches, das sogar vier Fenster aufwies, durch die Licht fiel. In einem Lichtstrahl machte sie einen Ochsenkopf aus, der von der Decke hing, und Walburga war froh über dieses nicht gerade christliche Zeichen, denn ein Ochsenkopf, so waren die Bauern im Schwarzwald fest überzeugt, hielt Unglück vom Hof fern.

      Schließlich gab es ein Tor, das direkt nach draußen auf die Hocheinfahrt führte. Martin hatte es bereits geöffnet und wartete auf seine Frau und die Kinder.

      »Hab ich dir zu viel versprochen?«, fragte er. Er strahlte über das ganze Gesicht. »Du wirst sehen, Walburga, hier werden wir unser Glück finden.«

      Seine Frau nickte. Sie überlegte, wann sie Martin jemals so stolz und zufrieden gesehen hatte. Normalerweise war er keiner, der viel lachte und übermäßig freundlich war. Jetzt schaute er sich selig um. Auch Walburga freute sich über den neuen Hof. So geräumig und mächtig hatte sie ihn nicht erwartet.

      »Komm mit«, sagte Martin, »jetzt zeige ich dir noch den Stall. Du glaubst gar nicht, wie groß der ist.« Er griff nach ihrer Hand und zog sie die Hocheinfahrt hinunter.

      Familie Tritschler begann, sich einzurichten. Die älteren Kinder trieben das Vieh in seinen neuen Stall. Man hörte sie fröhlich rufen und lachen. Martin und sein Knecht Wendelin luden die Kisten und Körbe mit Wäsche, Vorräten, Werkzeugen und Geschirr von den Wagen und brachten sie ins Haus.

      Walburga nahm ihre neue Küche in Besitz. Um besser sehen zu können, stellte sie zwei Kienspäne auf, die beständig vor sich hinglommen und zumindest etwas Licht spendeten. Dann packte sie ihre Töpfe und Pfannen aus und verstaute sie im Küchenschrank, in dem ihre Vorgängerin zwei tadellose Schmalzhafen zurückgelassen hatte.

      Neben dem Herd lagen Holzscheite und Reisigwellen, die Walburga in den Herd warf und anzündete. Mit einem langen Stecken holte sie schließlich das von Maden durchzogene Stück Speck aus dem Gewölm und warf es ins Feuer. Es knisterte laut.

      »Erst einmal müssen wir kräftig durchräuchern, damit das Ungeziefer sich verzieht«, meinte sie. Ihr Kopf war ganz in Rauch gehüllt, und sie musste husten.

      Gertrudis, die Magd, holte Wasser vom Brunnenhäusle und goss es in den großen Kochtopf. Bald kochte das Wasser und Walburga warf Kartoffeln, Rüben und Zwiebeln hinein, die sie zuvor an dem großen Tisch, der sich in der Küche befand, geschnitten hatte.

      Schließlich fanden sich alle zum Essen in der Stube an dem langen Tisch ein. Martin, der neue Königenbauer, setzte sich ans Kopfende, zu seiner Rechten der prächtige Herrgottswinkel, während daneben auf der Fensterbank der Knecht Wendelin Platz nahm. Es folgten der älteste Sohn Lorenz, Thomas, der siebenjährige, und Fidel, der dreijährige Sohn. Zur Linken des Bauern saß Walburga, auf ihrem Schoß den Jüngsten, Mathäus. Neben ihr saßen die Töchter: Elisabeth, zwölf, Bibiane, fast elf, und Maria, genannt Marei, neun Jahre alt. Schließlich noch Martha mit sechs und Theresia mit fünf Jahren. Die jüngste Tochter, die zweijährige Magdalena, saß auf dem Schoß der Magd am Ende der Tafel.

      Lorenz durfte heute das Tischgebet sprechen. Danach griffen alle nach ihren Löffeln und schauten Martin am Kopf der Tafel erwartungsvoll an, dass er als Erster von der Suppe nahm.

      Nach dem Essen standen die Königenhofbewohner auf und beteten ein weiteres Mal. Diesmal sprach Martin: »Vater im Himmel, wir bitten um Schutz für unser neues Haus. Halte fern von ihm die Angriffe des Feindes. Es mögen die heiligen Engel kommen und uns den Frieden bewahren, und all dein Segen möge immer bei uns bleiben.«

      »Amen.«

      Später, am ersten Abend in ihrer neuen Schlafkammer, ließ Walburga ihren Mann gewähren. Er schob ihr Nachthemd hoch und fuhr mit seiner Hand zwischen ihre Schenkel. Schließlich legte er sich auf sie. Walburga schloss die Augen und betete wie immer, dass dieser Akt ohne Folgen bliebe.

      Am nächsten Morgen standen die zwei Buben vom benachbarten Königenhäusle wieder vor ihrer Haustür und glotzten. Bibiane rannte mit nackten Füßen auf sie zu.

      »Wie heißt du?« Sie zeigte auf den Größeren.

      »Blasius«, erwiderte er, »und du?«

      »Bibiane.«

      Blasius zeigte mit seiner Hand auf seinen jüngeren Bruder. »Das ist Philipp«, stellte er ihn vor.

      »Philo«, sagte dieser. »Ich heiße Philo.«

      »Wie denn nun?«, fragte Bibiane.

      »Ich heiße Philipp wie mein Vater, aber alle sagen Philo zu mir«, klärte der Junge sie auf. Er war etwa gleich alt wie Bibiane, Blasius ein paar Jahre älter.

      »Ihr wohnt ganz schön nah bei uns«, meinte Bibiane.

      »Oder ihr bei uns. Wir wohnen ja schon lange hier«, erwiderte Philo.

      »Rat mal, wie viele Schritte es von eurem Haus zu unserem sind«, forderte Blasius sie auf.

      Bibiane überlegte kurz. »Bestimmt hundert«, befand sie.

      »Es sind viel weniger«, trumpfte Blasius auf.

      »Woher willst du das wissen?«

      »Wir wissen es, weil wir es schon längst gezählt haben«, erklärte Blasius.

      »Kannst du denn nicht zählen?«, wollte Philo wissen.

      Bibiane wurde rot. Sie war in Urach nur sehr wenig zur Schule gegangen, aber das wollte sie nicht zugeben. Ihre Eltern legten mehr Wert darauf, dass Thomas und Lorenz lernten und nicht die Mädchen.

      »Natürlich kann ich zählen«, behauptete sie dennoch. »Das kann ja wohl jeder.«

      »Dann siehst du doch, dass das bestimmt nicht hundert Schritte sind«, sagte Blasius.

      Bibiane, sonst um kein Wort verlegen, schwieg und schaute zur Seite.

      »Komm,

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