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auf eine von drei Arten: Sie wurden entweder von irgendeinem dahergelaufenen Strolch geschwängert, landeten in einem Hurenhaus oder tot in einem Straßengraben.

      »Wir müssen ihn so schnell wie möglich vom Bösen reinigen«, sagte Lazarus an Anna gewandt. Dabei bemühte er sich, ihr nicht in die Augen zu blicken.

      »Dann komm mit in die Badestube«, erwiderte sie. Ohne auf seine Antwort zu warten, verließ sie die Stube der Wöchnerinnen und trug das immer lauter weinende Kind die Treppen hinab in den Hof, von wo aus es nicht weit war bis zur Badestube.

      »Lass ein Bad bereiten, dann schick nach mir, bevor du ihn hineinlegst«, bat Lazarus. Bevor Anna antworten konnte, floh er in Richtung Hauptgebäude.

      Anna wusste nicht, was sie denken sollte. Sein Verhalten war verletzend, doch sie machte ihm keinen Vorwurf. Sie hatte keine Ahnung, was ihm in Rom wiederfahren war, wie hart seine Bestrafung gewesen war. Vielleicht drohten ihm immer noch die Exkommunikation oder Kerkerhaft und es stand ihr nicht zu, sein Leben oder seine Freiheit erneut in Gefahr zu bringen. Er war ein Mann Gottes und ihr Verlangen nach ihm töricht. Vermutlich war seine Rückkehr eine Prüfung oder die Strafe dafür, dass sie nicht die gehorsame Begine war, die sie sein sollte.

      »Nicht weinen«, flüsterte sie und strich dem Kind sanft über das feuchte Haar. Das missgestaltete Gesichtchen war vor Wut verzogen, krebsrot und faltig. Der gespaltene Gaumen sah aus, als ob er dem Kind furchtbare Schmerzen bereiten würde. Anna wusste, dass solche Kinder kaum länger als ein paar Tage am Leben blieben, da sie nur schwer Nahrung aufnehmen konnten. Sie hatte schon oft von Hasenscharten oder Wolfsrachen gehört, gesehen hatte sie eine solche Missbildung bislang jedoch nicht. Sie trug einer Magd auf, Wasser aus dem Ziehbrunnen zu holen und zu erwärmen, ehe sie es in einen Zuber in der Badestube goss. Sobald dieser halb voll war, schickte Anna nach Lazarus.

      Als er die Badestube betrat, ging er direkt zu dem Zuber, holte mehrere Lederbeutel und ein Fläschchen aus seinen Taschen und fing an, ein Segensgebet zu sprechen. Dann streute er Asche, Salz und einige Kräuter in das Wasser und gab einige Spritzer Weihwasser hinzu. »Du kannst ihn jetzt baden«, sagte er, als er fertig war.

      Anna kniete sich neben den Zuber und tauchte das schreiende Kind ins Wasser. Einen Moment lang verstummten die Schreie, doch das Gebrüll setzte schnell wieder ein. Gleichzeitig strampelte der Junge wie verrückt und versuchte, sich aus Annas Armen zu befreien.

      »Es scheint ein starker Dämon zu sein«, stellte Lazarus fest. »Tauch ihn ganz unter!«

      Anna befolgte die Anweisung und hielt das Kind so lange unter Wasser, bis sich das Strampeln abschwächte.

      »Das sollte genügen.« Lazarus bedeutete ihr, den Knaben aus dem Zuber zu holen und in eines der Leinentücher zu wickeln, die daneben lagen. »Der Dämon scheint aus ihm gewichen zu sein.« Er legte dem Kind erneut sein Kruzifix auf die Brust und dieses Mal protestierte es nicht. »Du kannst es zurück zu seiner Mutter bringen.«

      »Lazarus, warte!«, bat Anna, als er sich zum Gehen wandte.

      Er erstarrte mitten in der Bewegung.

      »Wie ist es dir in Rom ergangen?«, fragte sie leise. »Was …?«

      »Meine Sünden sind mir vergeben worden«, fiel Lazarus ihr ins Wort. »Ich habe mit einer Pilgerreise Buße getan für das, was passiert ist.« Er errötete leicht, senkte den Blick und klammerte sich an seinem Kruzifix fest.

      »Ich hatte Angst um dich«, gestand Anna. »Ich habe befürchtet, dass man dich meinetwegen bestrafen würde.«

      »Es war nicht deine Schuld.«

      »Doch, das war es.«

      Er hob den Kopf und sah ihr kurz in die Augen, dann wandte er den Blick hastig wieder ab. »Ich habe mich auf den falschen Pfad begeben. Das wird nicht wieder passieren.«

      Die Worte schmerzten mehr, als Schläge es getan hätten. Was war mit der Ehrlichkeit, der Nähe, die sie geteilt hatten. Sie erinnerte sich an den Moment, in dem Lazarus sie vor dem sicheren Tod gerettet hatte. Wie zwei Ertrinkende hatten sie sich aneinandergeklammert und Lazarus hatte sein Gesicht in ihrem Haar vergraben. Außerdem war da der Kuss … Sie schluckte die Tränen, die in ihr aufstiegen, und war froh, dass sie den Säugling im Arm hatte. Sonst wäre sie vielleicht der Versuchung erlegen, etwas Dummes zu tun.

      »Du bist eine Begine, ich bin ein Bruder des Heilig-Geist-Ordens«, fuhr Lazarus fort. »Unser Leben gehört Gott.« Er schluckte.

      »Aber du könntest um Entlassung bitten«, platzte es aus Anna heraus, bevor sie sich auf die Zunge beißen konnte.

      »Einem solchen Gesuch ist bis jetzt nie stattgegeben worden«, erwiderte Lazarus. »Ich kann den Orden nicht verlassen. Das wäre ein Bruch meines Gelübdes, eine Sünde und ein Verbrechen! Verstehst du das denn nicht?« Verzweiflung schwang in seiner Stimme mit. »Du bist eine Begine. Du kannst jederzeit aus der Sammlung austreten. Warum heiratest du nicht einen netten Patriziersohn? Dein Bruder wäre vermutlich glücklich darüber.«

      »Ich will keinen Patriziersohn!«, erwiderte Anna hitzig. »Ich …«

      »Sag es nicht!«, unterbrach Lazarus sie. »Dein Verlangen ist sündig. Tu Buße!« Damit machte er auf dem Absatz kehrt und stürmte aus der Badestube.

      Anna sah ihm wie vom Donner gerührt hinterher, sie war fassungslos.

      Kapitel 8

      Der Spielmann Gallus setzte seine Kappe auf, strich die zwei roten Federn darauf glatt und sah an sich hinab. Er steckte in der bunten Tracht des Stadtpfeifers, die ihn mit Stolz erfüllte, und war auf dem Weg zu einer Hochzeit, auf der er spielen sollte. Braut und Bräutigam entstammten dem Patriziat der Stadt, weshalb Gallus hoffte, dass für ihn und die anderen Musikanten ein paar Leckerbissen abfallen würden. Obwohl er einen ordentlichen Lohn erhielt, lag der Traum vom großen Geld in weiter Ferne. Doch er war nicht bereit, ihn völlig aufzugeben. In dieser Stadt wimmelte es von reichen, einfältigen Gecken, denen man das Geld beim Glücksspiel aus der Tasche ziehen konnte. Ein paar gezinkte Karten hier, falsche Würfel da, schon wurde aus seinem bescheidenen Einkommen ein kleines Vermögen.

      Nach einem letzten Blick auf seine gestreifte Hose verließ er sein kleines sauberes Zimmer und machte sich auf den Weg zu dem prächtigen Haus des Bräutigams. Dort stand bereits eine lange Schlange von Kutschen und im großen Hof des Anwesens wimmelte von herausgeputzten Besuchern.

      »Musikanten müssen hinten rein!«, herrschte ihn ein Knecht an, als er durch das offene Tor spazieren wollte. »Da lang!« Er zeigte auf eine kleinere Tür in der Mauer.

      Gallus verkniff sich eine giftige Bemerkung, weil er sich keinen Ärger mit dem aufgeblasenen Kerl einhandeln wollte, und tat wie geheißen. Sobald er den Hinterhof betreten hatte, wurde er von einem Bediensteten in schwarzer Tracht empfangen, der ihn eine kleine Treppe hinaufführte. Im zweiten Obergeschoss angekommen, ging es in einen riesigen getäfelten Raum, in dem sich eine lange Tafel befand. Das Licht der Sonne, die inzwischen den dichten Nebel vertrieben hatte, fiel durch Buntglasscheiben auf einen Fliesenboden, der auf Hochglanz poliert war. Trotz der Jahreszeit standen Vasen mit frischen Blumen auf dem Tisch und Kränze waren in regelmäßigen Abständen an der einzigen weiß getünchten Wand befestigt worden. Von der Decke hing ein gewaltiger Kerzenleuchter.

      »Stellt euch dort in die Nische!«, befahl der Bedienstete Gallus und zwei weiteren Spielleuten, die bereits im Raum warteten. »Man soll euch hören, aber nicht sehen.«

      Gallus verzog das Gesicht. Wofür hielt sich der Kerl? Er war auch nichts Besseres als er und die beiden Lautenschläger, die ihn von oben bis unten musterten.

      »Bist du der Stadtpfeifer?«, fragte einer von ihnen.

      Gallus nickte.

      »Ein gutes Auskommen«, brummte der zweite. »Besser, als von der Hand in den Mund zu leben.«

      Gallus schluckte die Erwiderung, die ihm auf der Zunge lag, da es keinen der beiden etwas anging, wie er früher gelebt hatte. Es war noch nicht lange her, dass er versucht hatte, sich durch Erpressung ein Zubrot zu verdienen.

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