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Feldgang umfasst drei Methoden: Phänomenologie, Dialog und kollaborative Aktionsforschung. Alle drei zielen auf den gleichen Kernpunkt ab: die ineinander verflochtene Struktur von Wissen, Realität und Selbst. Alle folgen dem Diktum Kurt Lewins, dem Begründer der Aktionsforschung, der beobachtete und feststellte: »Man kann ein System nicht verstehen, solange man es nicht verändert.« Jede der drei Methoden hat jedoch einen eigenen Schwerpunkt:

      •Die Phänomenologie nimmt den Blickwinkel der ersten Person ein (individuelles Bewusstsein),

      •der Dialog den Blickwinkel der zweiten Person (Gesprächsfelder) und

      •die Aktionsforschung den Blickwinkel der dritten Person (institutionelle Muster und Strukturen).

      Sie werden bemerken, dass ich mich in diesem Buch nicht oft auf individuelle Führungspersonen beziehe, sondern auf unsere systemische oder gemeinsame Führung abziele. Alle Menschen beeinflussen Veränderung, unabhängig von formalen Positionen oder Titeln. Führung in unserem Jahrhundert heißt, die Feldstrukturen der kollektiven Aufmerksamkeitdes Zuhörensauf allen Ebenen zu transformieren.

      Jeffrey Hollender, Gründer und ehemaliger CEO von Seventh Generation, drückte das einmal so aus: »Führung ist die Fähigkeit, das Ganze besser hören zu können als irgendjemand sonst.« Sieh dich um. Was siehst du? Wir haben heute mit globaler Führung zu tun, und das heißt, dass wir unsere Aufmerksamkeit und unser Hinhören erweitern und über das individuelle (Mikroebene) hinauslenken, hin zu Interaktionen von Gruppen (Mesoebene) und von dort zur institutionellen (Makroebene) und globalen Ebene (Mundoebene). Die gute Nachricht ist, dass die verborgenen Umschlagpunkte für die Transformation der Feldstruktur der Aufmerksamkeit auf allen Ebenen prinzipiell die gleichen sind. Die Sollbruchstellen oder Umschlagpunkte, die ich in diesem Buch diskutiere, sind auf Systeme auf allen diesen Ebenen anwendbar.

      Der Haken an der Sache ist, dass wir einen Preis zahlen müssen. Aus dem vierten Feld des Werdens heraus zu agieren, setzt eine Bereitschaft voraus: die Bereitschaft, alles loszulassen, das nicht wesentlich ist, und entsprechend dem Prinzip des »Stirb und werde« zu leben, das Goethe 1819 als die Essenz der menschlichen Reise beschrieb:

      »Und so lang du das nicht hast,

      Dieses: Stirb und werde!

      Bist du nur ein trüber Gast

      Der wirkliche Kampf der Gegenwart ist nicht der zwischen Zivilisationen oder Kulturen, sondern der zwischen unterschiedlichen Evolutionsmöglichkeiten der Zukunft, die sich für uns als Menschen ergeben. Das, worum es geht, ist eine Bestimmung, wer wir sind, wer wir sein möchten und an welcher Zukunftsgeschichte wir teilnehmen möchten. Die wahre Frage lautet also: Wozu sind wir hier? Was ist unsere Aufgabe?

      Die alten Formen der Führung zerfallen ähnlich wie die Berliner Mauer im Jahre 1989. Wir brauchen mehr als nur einen neuen Ansatz für Führung. Wir müssen vielmehr das Konzept von Führung hinter uns lassen. Stattdessen sollten wir uns auf einen Entdeckungsweg machen, um die tieferen Quellen der gemeinsamen Wahrnehmung und Willensbildung zu erschließen – die Intelligenz des offenen Denkens, des offenen Herzens und des offenen Willens – auf individueller wie auf kollektiver Ebene.

      Ich lade Sie ein, diese Entdeckungsreise gemeinsam mit mir zu unternehmen!

      9Ich danke Göran Carstedt für den Hinweis auf Havels Rede am 4. Juli 1994 in Philadelphia. World Hunger Education Service, »2018 World Hunger and Poverty Facts and Statistics« (Verfügbar unter: https://www.worldhunger.org/world-hunger-and-poverty-facts-and-statistics/ [Zugriff: 13.1.2020]).

      10 World Hunger Education Service, »2018 World Hunger and Poverty Facts and Statistics« (Verfügbar unter: https://www.worldhunger.org/world-hunger-and-poverty-facts-and-statistics/ [Zugriff: 13.1.2020]).

      11 https://www.theguardian.com/business/2016/jan/18/richest-62-billionaires-wealthy-half-world-population-combined [Zugriff: 18.2.2020].

      12 Tony Dokoupil, »Why Suicide Has Become an Epidemic – And What We Can Do To Help«, Newsweek 23. Mai 2013. Verfügbar unter: http://newsweek.com//2013/05/22/why-suicide-has-become-epidemic-and-what-we-can-do-help-237434.html) [Zugriff: 18.2.2020].

      13 World Hunger Education Service, »2018 World Hunger and Poverty Facts and Statistics « (Verfügbar unter: https://www.worldhunger.org/world-hunger-and-poverty-facts-and-statistics/ [Zugriff: 13.1.2020]).

      14 »The State of the World’s Children ›Childhood under Threat‹« (www.unicefusa.org).

      15 Durch eine Kombination der internationalen Zahlen bezüglich starker und extremer Bodendegradation lässt sich am besten einschätzen, wie groß die Flächen sind, die durch Bodendegradation größtenteils unwiederbringlich zerstört sind. Diese Untersuchung wurde Ende der 1980er Jahre durchgeführt. Aktuellere Informationen, auch zu einzelnen Ländern, lassen sich durch eine Internetrecherche mit dem Suchbegriff »land degradation assessments« finden.

      16 Diesen Punkt verdanke ich Johan Galtung, siehe Galtung (1995).

      17 Siehe Argyris (1993); Argyris a. Schön (1995); Senge (1990); Senge et al. (1994); Schein (1989).

      18 Scharmer 2000a.

      19 Scharmer 2000b und 2000c.

      20 Da das Wort presencing auch im Englischen eine Neuschöpfung ist, haben wir uns entschlossen, dieses Wort in der deutschen Übersetzung häufig beizubehalten. Daneben haben wir Presencing auf vier unterschiedliche Weisen übersetzt: als »Gegenwärtigung«, »Gegenwärtigwerden«, »Anwesendwerden« oder als »In-die-Welt-Kommen«. Jede dieser vier Übersetzungen beleuchtet einen bestimmten Aspekt des hier beschriebenen Grundgeschehens: das In-die-Welt-Kommen des Neuen durch eine Steigerung der eigenen Gegenwartsfähigkeit.

      21 Unter anderem möchte ich hier nennen: Beth Jandernoa, Joseph Jaworski, Michael Jung, Ekkehard Kappler, Katrin Käufer, Seija Kulkki, Ikujiro Nonaka, Ed Schein, Peter Senge und Ursula Versteegen.

      22 Das Interview mit Jonathan Day, das C. Otto Scharmer am 14. Juli 1999 geführt hat, ist verfügbar unter: www.dialogonleadership.org/interviews/Day.shtml [Zugriff: 13.11.2008].

      23 Schlussstrophe des Gedichts »Selige Sehnsucht« aus dem »Buch des Sängers« in Goethes

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