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Yorker Hilfsorganisation Make the Road. »Sie packten mich und legten mir Handschellen an. In meinem BH fanden sie Kondome und behaupteten dann, ich würde anschaffen gehen. Nachdem sie mir die Handschellen angelegt hatten, sollte ich mich hinknien, und sie nahmen mir die Perücke ab. Dann sagten sie, ich sei verhaftet und nahmen mich mit.«

      In der öffentlichen Wahrnehmung arbeiten Sexarbeiter_innen und alle, die als solche angesehen werden, grundsätzlich immer. In den Augen der Polizei heißt dass, dass sie immer etwas Illegales tun. Unter denjenigen, die für die Polizei ins Profil potenzieller Sexarbeiter_innen gehören, sind transsexuelle Frauen, nichtweiße Frauen sowie queere oder nicht genderkonforme Jugendliche deutlich überrepräsentiert. Bei solchen Profilen geht es nicht darum, Sexualität an sich zu kontrollieren. Vielmehr geht es darum, einzelne Menschen, deren Sexualität und geschlechtliche Identität als suspekt gelten, zu überwachen und unter Kontrolle zu behalten.

      Diese Repression gründet sich nicht allein darin, dass die Polizei nach außen ein konsequentes Vorgehen demonstrieren muss oder dass einzelne Polizisten Befehle befolgen und bestimmte Menschen durch ständige Kontrollen, Überwachung und Verhaftungen aus dem öffentlichen Leben drängen. Rufe nach konsequenterer Durchsetzung von Prostitutionsverboten und verstärkter Kontrolle kommen nicht nur aus den Polizeipräsidien, sondern auch aus feministischen Kreisen. So auch in der aktuellen Anti-Prostitutions-Debatte, in der auch von etablierten Frauenrechtsorganisationen gefordert wurde, die polizeiliche Arbeit sollte sich nicht auf die Prostituierten selbst, sondern auf die Freier, also auf die Nachfrage nach Prostitution konzentrieren. In diesem Diskurs finden sich dann amerikanische feministische Organisationen wie die National Organization for Women oder Equality Now in einer Koalition mit denjenigen wieder, die Gewalt gegen Sexarbeiter_innen ausüben, nämlich der Polizei. Und so kommt es beispielsweise auch, dass Kathleen Rice, Bezirksstaatsanwältin von Nassau County im US-Bundesstaat New York, auf einer Pressekonferenz stolz berichten kann, dass innerhalb eines Monats 106 Männer verhaftet wurden, die mutmaßlich sexuelle Dienstleistungen in Anspruch genommen hatten – ohne dabei die Verhaftungen von 23 Frauen wegen Prostitution zu erwähnen. Die Gesichter dieser Frauen tauchten auch nicht auf dem riesigen Plakat mit den Verhaftungsfotos auf, das während der Pressekonferenz neben Kathleen Rice hing. Aber es werden weiterhin auch Frauen verhaftet, selbst wenn sich die Polizei auf die Verfolgung von Freiern konzentriert.

      Die Haltung von Staatsanwältin Rice ist ein geradezu perfektes Beispiel für das, was die Soziologin Elizabeth Bernstein als »carceral feminism«, also als »Wegsperr-Feminismus« bezeichnet hat: Ein Feminismus, der es der staatlichen Ordnungsmacht überlässt, Geschlechtergerechtigkeit herbeizuführen. Einige Feminist_innen geben sich nicht mehr damit zufrieden, Razzien gegen Sexarbeiter_innen schlicht als Verbrechensbekämpfung zu sehen, sondern sie rufen die Staatsmacht im Namen der Geschlechtergerechtigkeit aktiv dazu auf, gegen die Sexindustrie als Ganzes vorzugehen. Selbstverständlich kann man mit Verhaftungswellen keine feministische Utopie herbeiführen, aber einige einflussreiche Frauenrechtsorganisationen scheinen genau das versuchen zu wollen.

      Vor diesem Hintergrund kann auch Staatsanwältin Rice einfach behaupten, Verhaftungen von Männern seien ein Beitrag zur »Bekämpfung der Nachfrage«, während sie die verhafteten Frauen lediglich »dem Hilfesystem zuführen« wolle. Wer es gewohnt ist, von der Polizei terrorisiert oder gar zum Sex gezwungen zu werden, nur um nicht verhaftet zu werden, wird wohl schwerlich ein Vertrauensverhältnis zu Polizist_innen aufbauen, geschweige denn die Polizei mit einem Hilfesystem in Verbindung bringen, das ihnen ohnehin schon offen steht. Kann man sich denn wirklich keine Instanz vorstellen, die besser geeignet wäre, mit Sexarbeiter_innen in Kontakt zu treten, als ausgerechnet die Polizei? Haben wir das Bild der Polizei als der Instanz, die zwischen Sexarbeiter_innen und der Gesellschaft vermittelt, Sexarbeit reguliert und letztendlich kontrolliert, bereits so verinnerlicht, dass wir uns »Prostitution« ohne sie gar nicht mehr vorstellen können?

      Wenn wir Sexarbeiter_innen ausschließlich über ihre Arbeit definieren und sie als Personen ansehen, die unter Kontrolle gebracht werden müssen, dann haben wir uns den Polizeiblick zu Eigen gemacht. Und dieser Blick ist nicht nur ein vorverurteilender, sondern auch ein sexueller. Wenn Sexarbeiterinnen (und aus dieser Perspektive geht es fast immer um Frauen) immer arbeiten und entsprechend immer zur Verfügung stehen, dann sind sie völlig auf ihre Sexualität reduziert. Diese Perspektive entspricht dem Blick der Überwachungskamera im Hotelzimmer. Mit diesem Blick betrachten wir dann unser Stadtviertel und die sozialen Gruppen in unserer Umgebung, und er bestimmt unsere politischen Haltungen. Selbst die scheinbar harmlosesten »Wiedereingliederungsprogramme« für Sexarbeiter_innen in den USA sind so angelegt, dass die Teilnehmer_innen dabei vom Rest der Bevölkerung unterschieden und damit isoliert werden. Diese Programme werden zwar oft als »Rückzugsräume« dargestellt, aber die Türen sind verschlossen, die Telefone werden abgehört und Besuch ist nicht erlaubt. Wenn Hilfeangebote so aussehen, dann liegt das daran, dass sie aus demselben Geist entstehen, der Gefängnisse und ihre Insassen hervorbringt. Das hat nichts mit Hilfe für Bedürftige oder mit sozialem Engagement zu tun. Hier geht es um Kontrolle.

      Wenn wir Sexarbeiter_innen so betrachten, dann schaffen wir damit die Bedingungen, unter denen sie permanent überwacht werden. Kriminalisierung besteht schließlich nicht nur aus dem Gesetzestext, sondern beinhaltet eben auch die Art, wie jemand lebt und sich in der Welt bewegt, wie diese Person Beziehungen aufbaut, und wie diese Beziehungen von außen vorbestimmt werden. Aus diesem Kriminalisierungssystem heraus wird in der aktuellen Debatte auch der Blick der Freier auf die Prostituierten als ein absolut kontrollierender dämonisiert und die reale Gewalt gegen Sexarbeiter_innen als in der Verantwortung einzelner Männer liegend dargestellt. Prostituierte werden so als grundsätzlich macht- und schutzlos imaginiert. Zu den Prostituierten, wie wir sie konstruieren, können wir uns keine Beziehung vorstellen, die nicht von Kontrolle bestimmt wäre.

      Diese Fixierung auf Kontrolle und Überwachung behindert unser Verständnis von Sexarbeit mindestens ebenso wie die relative Heimlichkeit, in der sie stattfindet. Diese Beschränkungen möchte ich aufheben und über die Mythen über und Vorstellungen von Sexarbeit und Prostituierten hinausgehen. Ich habe nicht vor, im Folgenden eine neue Realität jenseits der käuflichen Fantasien anzubieten, mit denen Sexarbeiter_innen ihr Geld verdienen. Was ich aber versuchen möchte, ist eine langsame, kreisende Annäherung an eine hartnäckigere Fantasie über Sexarbeit – und an ihr mögliches Ende.

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