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       Inhaltsverzeichnis

       1. Die Wissenschaft der Deduktion

       2. Die Darlegung des Falles

       3. Auf der Suche nach einer Lösung

       4. Die Geschichte des kahlen Mannes

       5. Die Tragödie von Pondicherry Lodge

       6. Sherlock Holmes gibt eine Demonstration

       7. Die Episode mit dem Faß

       8. Die Baker-Street-Spezialeinheit

       9. Die Kette reißt ab

       10. Das Ende des Insulaners

       11. Der große Agra-Schatz

       12. Die seltsame Geschichte des Jonathan Small

       Editorische Notiz

       Anmerkungen

       Arthur Conan Doyle

      

       Das Zeichen der Vier

      Impressum

      Covergestaltung: Steve Lippold

      Digitalisierung: Gunter Pirntke

      ISBN: 9783955012304

      2014 andersseitig

      andersseitig Verlag

      Dresden

      www.andersseitig.de

      [email protected]

      (mehr unter Impressum-Kontakt)

      Sherlock Holmes langte die Flasche von der Ecke des Kaminsimses herunter und nahm seine Spritze aus dem fein gearbeiteten Saffian-Etui. Mit seinen langen, weißen, nervösen Fingern setzte er die feine Nadel auf und rollte sich die linke Manschette hoch. Eine Zeitlang verweilte sein Blick nachdenklich auf dem sehnigen Unterarm und dem Handgelenk, die von den Flecken und Narben unzähliger Einstiche gesprenkelt waren. Endlich stieß er die dünne Nadelspitze hinein, drückte den kleinen Kolben durch und ließ sich dann mit einem langen Seufzer der Befriedigung in die Samtpolster seines Lehnstuhls zurücksinken.

      Dreimal täglich, viele Monate lang war ich Zeuge dieses Schauspiels gewesen, aber seine Regelmäßigkeit hatte nicht dazu geführt, daß ich mich damit abgefunden hätte. Ganz im Gegenteil; von Tag zu Tag fiel es mir schwerer, diesen Anblick zu ertragen, und des Nachts regte sich mein Gewissen bei dem Gedanken, daß ich nicht die Courage gehabt hatte, meine Mißbilligung auszudrücken. Wieder und wieder hatte ich geschworen, mir die Sache vom Herzen zu reden; aber etwas in der kühlen, nonchalanten Art meines Gefährten bewirkte, daß er der letzte war, bei dem man sich auch nur annähernd so etwas wie Freiheiten herausgenommen hätte. Seine großen Fähigkeiten, sein überlegenes Auftreten und die vielen Male, da ich selbst dabeigewesen war, wenn er seine außergewöhnlichen Eigenschaften unter Beweis stellte, all dies schüchterte mich ein und ließ mich davor zurückschrecken, ihm entgegenzutreten.

      An diesem Nachmittag jedoch – ich weiß nicht, war es der Beaune, den ich zum Mittagessen getrunken hatte, oder daß meine Verbitterung durch die Planmäßigkeit seines Vorgehens noch gesteigert worden war – an diesem Nachmittag jedenfalls fand ich, ich könne nicht länger an mich halten.

      »Was ist es denn heute«, fragte ich ihn, »Morphium oder Kokain?«

      Träge hob er seinen Blick von dem alten Folianten, der aufgeschlagen vor ihm lag.

      »Kokain«, sagte er, »eine siebenprozentige Lösung. Möchten Sie mal versuchen?«

      »Nein, beileibe nicht«, antwortete ich schroff. »Meine Konstitution ist vom Afghanistan-Feldzug1 noch immer geschwächt. Ich kann es mir nicht leisten, sie noch zusätzlich zu belasten.«

      Er lächelte ob meiner Heftigkeit. »Vielleicht haben Sie recht, Watson«, versetzte er. »Wahrscheinlich ist seine Wirkung auf den Körper tatsächlich von Übel. Auf den Geist jedoch, finde ich, wirkt es so über alle Maßen anregend und erhellend, daß die Nebenwirkungen kaum ins Gewicht fallen.«

      »Aber bedenken Sie doch«, sagte ich eindringlich, »um welchen Preis! Ihr Gehirn mag wohl, wie Sie sagen, angeregt, ja erregt werden; aber dies ist ein krankhafter und zerstörerischer Vorgang, mit dem eine beschleunigte Gewebe-Erneuerung einhergeht und dessen Folge eine bleibende Schwächung ist. Sie wissen ja selbst am besten, welch schwarze Stimmung jeweils im nachhinein von Ihnen Besitz ergreift. Nein, dieses Spiel lohnt den Einsatz wirklich nicht. Warum in aller Welt riskieren Sie um einer nichtigen, vergänglichen Lust willen die großen Fähigkeiten, die Ihnen verliehen worden sind? Bedenken Sie auch, daß ich nicht nur als Freund so zu Ihnen spreche, sondern als Arzt, der bis zu einem gewissen Grade für Ihre Gesundheit verantwortlich ist.«

      Er schien nicht beleidigt zu sein. Ganz im Gegenteil; er legte die Fingerspitzen aneinander und stützte die Ellbogen auf die Armlehnen seines Sessels wie jemand, der große Lust zu einem Gespräch verspürt.

      »Mein Geist«, begann er, »rebelliert gegen den Stillstand. Man gebe mir Probleme zu lösen, man gebe mir Arbeit, man gebe mir die verworrenste Geheimschrift, die vertrackteste Analyse – da bin ich ganz in meinem Element. Dann kann ich ohne Stimulantien auskommen. Der dumpfe Trott des Daseins jedoch erfüllt mich mit Abscheu. Ich verzehre mich nach geistigen Höhenflügen. Eben darum habe ich auch meinen eigenen speziellen Beruf gewählt – oder vielmehr geschaffen –, denn ich bin der einzige meines Zeichens auf der ganzen Welt.«

      »Der einzige nicht beamtete Detektiv?«, fragte ich und zog dabei die Augenbrauen hoch.

      »Der einzige nicht beamtete Beratende Detektiv«, antwortete, er. »Ich bin das letzte und oberste Appellationsgericht in Fragen der Kriminalistik. Wenn Gregson oder Lestrade oder Athelney Jones2 am Ende ihrer Weisheit sind – was bei ihnen übrigens der Normalfall ist –, dann wird die Sache mir unterbreitet. Ich begutachte das vorliegende Material als Experte und gebe ein fachmännisches Urteil ab. Ich erhebe in solchen Fällen keinen Anspruch auf öffentliche Anerkennung. Mein Name taucht in keiner Zeitung auf. Die Arbeit selbst, das Vergnügen, ein Betätigungsfeld für die mir eigenen Fähigkeiten gefunden zu haben, ist mir der höchste Lohn. Aber anläßlich des Jefferson-Hope-Falles haben Sie ja selbst einen gewissen Einblick in meine Arbeitsmethoden gewinnen können.«

      »Ja, wahrhaftig«, sagte ich bewegt, »noch nie in meinem ganzen Leben hat mich etwas so beeindruckt wie dies. Ich habe es sogar zur Darstellung gebracht in einer kleinen Schrift mit dem etwas ausgefallenen Titel ›Eine Studie in Scharlachrot‹.«

      Er schüttelte betrübt den Kopf.

      »Ich habe

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