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spät, und ihr war unbehaglich zumute, als sie allein die Fear Street entlanglief. Normalerweise fuhr Sam sie nach Hause, doch nachdem er ihr bei den Matheaufgaben geholfen und sich dann das schreckliche Band noch einmal angehört hatte, fühlte er sich nicht besonders gut.

      Und Tanja hatte nicht darauf bestanden, nach Hause gebracht zu werden. Sie konnte deutlich sehen, wie schlecht es ihm ging. Es würde sie schließlich nicht umbringen, einmal allein nach Hause zu gehen.

      Während sie die Straße entlanglief, raschelten die alten Bäume über ihrem Kopf. Die Häuser waren alle dunkel. Fahle Nebelschwaden hingen über der tief stehenden Mondsichel. Sie sahen aus wie ein dünner Vorhang, der den Lichtschein zurückhielt. Die feuchten, dunklen Rasenflächen schimmerten im schwachen, gefilterten Mondlicht.

      Immer wieder blieb Tanja stehen und warf einen Blick über die Schulter. Sie hatte das Gefühl, verfolgt zu werden.

      Doch es war niemand zu sehen.

      Der Wind ließ eine hohe Hecke erschauern.

      Tanjas Turnschuhe scharrten auf dem Asphalt, als sie weiterging und ihre Schritte beschleunigte.

      „Reg dich ab“, ermahnte sie sich. „Du bist schon tausendmal hier entlanggelaufen.“

      Doch die Fear Street war nun mal die Fear Street. Zahllose Schreckensgeschichten wurden über diese Straße erzählt. Tanja glaubte sie nicht. Aber trotzdem wäre es ihr lieber gewesen, wenn Sam in einem anderen Stadtteil wohnen würde.

      Als sie den Friedhof erreicht hatte, sträubten sich ihre Nackenhaare. Sie blieb regungslos stehen, lauschte und starrte angestrengt in die Dunkelheit vor ihr.

      Ein Schritt hinter ihr unterbrach die Stille.

      Sie dachte an ihre Geschichte. Sams Geschichte. An das Bild, wie Sandra auf dem Boden lag und nach einem Bleistift tastete.

      Bei der Vorstellung schnürte sich ihre Kehle zu. Ihr Herz fing an zu rasen.

      Tanja schaute sich nicht um.

      Sie rannte einfach los. Doch ihre Beine waren bleischwer, und sie kam kaum vom Fleck.

      „Was ist los mit mir?“, fragte sie sich voller Panik.

      Die Schritte wurden lauter. Sie kamen immer näher.

      „Lauf!“, befahl sie sich. „Lauf schneller!“

      Sie spürte kalten Schweiß auf der Stirn. Ihre Lungen schmerzten bei jeder Bewegung.

      Die Schritte dröhnten in ihren Ohren. Sie kamen näher, immer näher. Ihr Verfolger holte auf.

      Jetzt war er nahe genug, um ihren Namen zu flüstern.

      „Tanja“, sagte die Stimme leise.

      „Tu was!“, dachte sie. „Du musst dich irgendwie wehren!“

      Dann fiel ihr das Messer ein. Es war zwar nicht echt, doch das konnte der Verfolger ja nicht wissen.

      „Das ist meine einzige Chance.“

      Im Laufen steckte sie die Hand in ihre Jeanstasche und zog das Klappmesser heraus.

      Sie ließ die Klinge aufspringen.

      Dann hob sie den Arm und bereitete sich auf den Angriff vor.

      „Oh!“, schrie sie, als sie über etwas stolperte. Sie verlor das Gleichgewicht und schlug hart auf dem Asphalt auf.

      Das Messer fiel ihr aus der Hand. Sie sah, wie es in einem kleinen Busch neben dem Friedhofszaun landete.

      Atemlos blieb Tanja auf dem Bürgersteig liegen.

      Der Verfolger kam näher und blieb nur wenige Zentimeter vor ihrem Kopf stehen.

      Tanja konnte nur noch um Erbarmen flehen.

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