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      „Wir haben dich eben gerne in unserer Nähe“, sagte ihr Vater. „Du bist doch unser Sonnenschein.“

      „Lass das, Dad“, antwortete Cari und verzog genervt das Gesicht.

      Er sagte ständig solche peinlichen Dinge. „Caris Augen schimmern so blau wie das Meer“ zum Beispiel. Oder: „Caris Haar ist so weich und golden wie das Licht an einem Frühlingstag.“

      „Dad – red keinen Quatsch!“, protestierte sie dann immer.

      Trotz der Tatsache, dass sie gertenschlank und so hübsch wie ein Fotomodell war, bildete Cari sich nicht viel auf ihr Aussehen ein. Sie fand sich selbst viel zu dünn, ihr Lächeln zu schief und ihre Haare zu fein.

      Obwohl sie schon sechzehn war, hatte sie noch nie einen Freund gehabt. Bis jetzt war sie kaum mit Jungen ausgegangen und hatte noch nie einen getroffen, für den sie sich ernsthaft interessiert hätte. Sie war zwar ein paarmal verknallt gewesen, aber das war auch schon alles.

      „Die Jungen haben Angst vor dir“, hatte ihr Vater einmal gesagt, unfähig, ein stolzes Lächeln zu unterdrü cken. „Du bist einfach zu schön.“

      „Auf welchem Planeten lebst du eigentlich?“, hatte Cari spöttisch gefragt. Sie wünschte sich sehnlichst, er würde endlich aufhören, solche blöden Bemerkungen zu machen.

      Cari fand, dass Jan viel besser aussah als sie. Ihre beste Freundin war eher der dunkle, geheimnisvolle Typ. Sie hatte lockige schwarze Haare, die ihr in einer wilden Mähne über den Rücken fielen, blitzende olivfarbene Augen, hohe Wangenknochen, volle Lippen und einen schönen Körper mit weiblichen Rundungen. Im Vergleich zu ihr kam Cari sich vor wie eine dürre Bohnenstange.

      „Neben Jan wirke ich so blass und farblos, dass ich fast unsichtbar bin“, dachte sie seufzend und fuhr sich ein letztes Mal mit der Bürste durch die Haare, bevor sie sich vom Spiegel abwandte. Dann zupfte sie sich ihr pfirsichfarbenes, langärmliges T-Shirt zurecht, strich mit beiden Händen ihre weißen Shorts glatt und stürmte gerade die Treppe hinunter, als es an der Tür klingelte.

      „Sie sind da!“, rief sie.

      „Wo ist deine Tasche?“, fragte ihr Vater, der auf der Treppe an ihr vorbeihastete und allgemeine Hektik verbreitete. „Hast du alles gepackt? Bist du fertig?“

      Cari lachte. „Ja, ich bin fertig. Will denn nicht mal jemand die Tür aufmachen?“

      „Hast du an deine Zahnbürste gedacht?“ Jetzt tauchte auch noch ihre Mutter am Fuß der Treppe auf. Sie schien genauso fertig mit den Nerven zu sein wie ihr Mann.

      „Es hat geklingelt. Irgendwer müsste mal die Tür aufmachen“, wiederholte Cari.

      Sie schob sich an ihrem Vater vorbei, überholte ihre Mutter und kam mit quietschenden Sohlen zum Stehen, während sie bereits die Haustür aufriss.

      „Hi“, sagte Jan und warf Cari einen Blick zu, der besagte: „Was ist denn bei euch los?“

      „Sie müssen Jans Tante Rose sein“, begrüßte Cari die attraktive Frau mittleren Alters, die neben ihrer Freundin stand. Sie hielt ihren Besuchern die Tür auf und bemerkte, dass es ein so strahlend schöner Junitag war, dass sogar die Fear Street heiter und sommerlich wirkte.

      „Ich freue mich, dich endlich kennenzulernen“, sagte Rose, trat ein und schüttelte Cari kräftig die Hand. Sie trug weiße, weit geschnittene Hosen und einen weißen, kurzärmligen Baumwollpullover, der ihre tiefe Bräune unterstrich. Sie hatte dunkle, lockige Haare wie Jan, nur nicht ganz so lang.

      „Wir haben uns am Telefon schon so oft unterhalten und Jan hat mir so viel von dir erzählt, dass es mir vorkommt, als würde ich dich längst kennen“, fügte sie freundlich hinzu.

      Caris Vater hatte inzwischen ihre Reisetasche geholt und in den Flur geschleppt. Die ganze Familie redete aufgeregt durcheinander.

      „Was? Nur eine Tasche?“, fragte Jan Cari überrascht. „Allein für mein Make-up brauche ich einen Koffer in dieser Größe!“

      Cari lachte nicht. So wie sie Jan kannte, war das wahrscheinlich nicht mal übertrieben. Ihre Freundin trug ein bauchfreies Top, das ihre aufregende Figur betonte, und knallenge weiße Radlershorts.

      „Na ja, Jan war schon immer ein auffälliger Typ“, dachte Cari. Aber gerade das mochte sie an ihr. Sie war mutig und nicht so zurückhaltend wie Cari.

      Einige Wochen zuvor, als Jans Tante gefragt hatte, ob sie und einige ihrer Freunde nicht Lust hätten, auf Piney Island zu arbeiten, war Jan sofort damit herausgeplatzt, worauf es ihr in diesem Sommer ankam – tolle neue Typen kennenlernen und Partys feiern bis zum Abwinken. „Das wird ein echter Partysommer!“ Der Spruch stammte von ihr.

      Außer Cari hatte sie noch Eric und Craig, ihre beiden ältesten Freunde, eingeladen mitzukommen und die beiden waren gleich begeistert gewesen. „Partysommer!“, hatten sie aufgekratzt gegrölt, und es war nicht zu übersehen gewesen, wie Eric Cari dabei angeschaut hatte.

      Partysommer …

      Und jetzt, vier Wochen später, ging es tatsächlich los. Alle umarmten sich und ein paar Tränen flossen. Sie stammten hauptsächlich von Mrs Taylor, die sich immer noch nicht mit der Vorstellung anfreunden konnte, dass Cari so viele Wochen weg sein würde. Und dann ver abschiedeten sich alle noch einmal, und Tante Rose versicherte den Taylors zum x-ten Mal, dass sie ein wachsames Auge auf die vier haben würde.

      Schließlich holperte der schwer beladene Kombi die Auffahrt hinunter. Cari winkte ihrer Familie zu und verabschiedete sich im Stillen von der Fear Street und dem langweiligen Sommer, den sie gehabt hätte, wenn sie hiergeblieben wäre.

      Die beiden Jungen warteten bei Eric, der in einem weitläufigen, ranchähnlichen Haus in North Hills, dem vornehmeren Teil von Shadyside, lebte. Wie üblich war Eric noch nicht ganz fertig. Die Hälfte seiner Klamotten, die zum größten Teil aus abgeschnittenen, ausgebleichten Jeans und Heavy-Metal-T-Shirts bestanden, stapelte sich noch im Wohnzimmer. Unter den Blicken von Craig, Cari und Jan packte Eric seine Sachen hektisch in eine Segeltuchtasche, die viel zu klein für alles war.

      „Mein Walkman! Wo ist mein Walkman?“, rief Eric aufgeregt und suchte mit den Augen das Zimmer ab, während er weiter Klamotten in seine Tasche stopfte.

      „Er hängt um deinen Hals“, sagte Craig trocken und schnitt eine Grimasse.

      „Na, logo. Wo sollte er auch sonst sein?“

      Alle lachten.

      „Hey, was hast du denn da um den Hals?“, wollte Eric von Jan wissen.

      Jan griff unwillkürlich an den großen weißen Anhänger, den sie an einer Silberkette trug. „Ach nichts. Nur einen Totenkopf aus Elfenbein. Er soll angeblich das Böse abwehren.“ Sie hielt ihm das Amulett entgegen. „Also, halt lieber Abstand!“

      „Oh Mann.“ Eric verdrehte die Augen. „Glaubst du etwa wirklich, dass es in diesem Hotel spukt?“

      „Wenn nicht, wäre ich jedenfalls sehr enttäuscht“, gab Jan zu.

      Eric schüttelte verständnislos den Kopf und schaffte es schließlich doch noch, alles in seine Tasche zu stopfen und den Reißverschluss zuzumachen. Craig hatte zum Glück schon am Abend vorher alles gepackt und seinen Kram zu Eric rübergebracht, damit Rose nicht noch extra bei ihm vorbeifahren musste.

      „Die Jungen sind genauso verschieden wie Jan und ich“, dachte Cari, während sie zusah, wie die beiden ihre Sachen in Rose’ Kombi luden. Sie sahen auch ganz verschieden aus.

      Eric war klein und dünn. Seine dunkelbraunen Haare waren zu einem kurzen Pferdeschwanz zusammengebunden. Er hatte einen Diamantstecker in einem Ohr und trug eine Nickelbrille.

      „Er ist ein richtig netter Typ“, dachte Cari. „Auch wenn er meistens einen auf cool macht.“ Eric hatte ihr schon immer ziemlich gut gefallen. Seit der Junior Highschool waren sie dick befreundet, aber sie waren noch nie zusammen ausgegangen.

      Craig wirkte eher lässig als

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