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Wir haben eine Webseite, und jeder macht Bilder von uns für Instagram. Alle turistas lieben es, Selfies von diesem magnifico Ort zu schießen!“

      Sie wartete, die Flasche fest umklammert, um zu sehen, ob Leanne ihr diese absolut wahre, aber auch völlig falsche, Erklärung abkaufen würde.

      „Ja, das wird’s sein!“ Leanne schnippte mit den Fingern. „Ich habe mir Ihre Location auf Instagram angesehen, als ich unsere Weintour geplant habe. Es ist wirklich ein sehr fotogenes Setting.“ Sie wendete sich zu ihrem Partner. „Da fällt mir ein, ich muss dir die Bilder zeigen, die ich auf meinem Spaziergang heute Morgen gemacht habe. Der Sonnenaufgang über den Bergen war spektakulär. Ich suche sie dir schnell mal raus.“

      „Genießen Sie den Vermentino.“ Olivia lächelte. „Ich bin in uno momento wieder da und schenke Ihnen den nächsten Weißwein ein, eine Mischung aus regionalen Friulano-, Pinot Bianco- und Sauvignon Blanc-Trauben.“

      Erleichtert wankte sie auf wackeligen Beinen davon und zog sich in das Hinterzimmer zurück, um ihr Büchlein mit italienischen Redewendungen zu Rate zu ziehen, das sie in ihrer Handtasche mit sich trug. Ihr schien, dass sie ein wenig zu freizügig mit dem Gebrauch des Wortes magnifico gewesen war. Sie musste sich dringend nach Alternativen umsehen.

*

      Nach der Touristen-Rushhour zur Mittagszeit bemerkte Olivia, dass sie nur noch eine Flasche der berühmten Miracolo-Rotweinmischung im Lager hatte. In der letzten Woche waren die Gäste unermüdlich in die Probierstube geströmt, und Marcellos Bruder Antonio, der sich sonst um den Lagerbestand kümmerte, hatte ein neues Feld bepflanzt. Daher war er zu beschäftigt gewesen, um für Nachschub zu sorgen.

      Olivia beschloss, die momentane Flaute zu nutzen, um Antonio zu finden.

      Sie unternahm einen kleinen Umweg ins Restaurant, wo der Mittagsservice gerade zu Ende gegangen war. Paolo räumte die Tische im Außenbereich ab. Um ihn zu erreichen, musste Olivia allerdings den Spießrutenlauf aus den dolchartigen Blicken der Restaurantmanagerin auf sich nehmen.

      Das Restaurant zu betreten fühlte sich für sie an, als würde sie den Weg über ein Minenfeld wagen, dachte Olivia, als sie sah, wie die perfekt frisierte Gabriella sich zu ihr umdrehte und sie anstarrte.

      „Buon giorno“, rief Olivia und versuchte, überlegen, aber dennoch freundlich zu wirken.

      Es war nicht ihre Schuld, dass Gabriella sie nicht mochte. Sie war Marcellos Exfreundin, die ihren Job nach der Trennung weiterhin behalten hatte und, wie Olivia erfahren hatte, grundsätzlich jeden verachtete, den Marcello mochte. Es war nichts Persönliches – oder vielleicht doch?

      „Was tust du hier?“, rief Gabriella misstrauisch.

      „Ich will Paolo fragen, ob er mich kurz vertreten kann, während ich Nachschub an Wein besorge“, erklärte Olivia. „Es ist nur für zwanzig Minuten.“

      „Wir haben viel zu tun. Sehr viel. Ich brauche ihn hier“, wendete Gabriella ein und machte eine ausladende Handbewegung über das beinahe leere Restaurant.

      Olivia wusste, dass ihr Protest zwecklos war, denn Marcello hatte selbst gesagt, dass sie wenn nötig Hilfe anfordern durfte.

      „Nur zwanzig Minuten“, wiederholte sie lächelnd, wohl wissend, dass Gabriella vor Wut schäumte.

      Paolo ließ sofort von seiner Aufgabe des Tischeabräumens ab und folgte ihr bereitwillig in den Verkostungsraum.

      „Jedes Mal fühle ich mich etwas sicherer dabei, die Weine zu erklären“, gestand er. „Es macht Spaß, den Leuten zuzusehen, wie sie die Weine würdigen. Mehr Spaß, als den Leuten beim Essen zuzusehen, was sie wiederum kein bisschen würdigen, wenn sie merken, dass sie beobachtet werden. Vielleicht werde ich eines Tages dein Vollzeit-Assistent.“

      „Das hoffe ich. Ich bin dir dankbar für deine Hilfe, und du machst das ausgezeichnet“, ermutigte Olivia ihn. Sie war sich nicht sicher, ob Paolo die Arbeit in der Weinkellerei wirklich mochte oder ob er einfach nur froh war, Gabriellas tyrannischer Kontrolle zu entkommen.

      Jetzt, wo der Verkostungsraum bemannt war, eilte sie aus der Kühle hinaus in die glorreiche Nachmittagssonne und nahm sich einen Moment, um sie zu genießen. Es war ein perfekter Tag, warm und ruhig und ohne eine einzige Wolke am tiefblauen Himmel. Sie atmete den süßen, blumigen Duft des toskanischen Jasmins ein, der an der Vorderseite des Gebäudes hinaufrankte, bevor sie sich auf den Weg hinauf zu La Leggendas höheren Lagen machte, wo Antonio eine der höchstgelegenen Hänge bepflanzte.

      Während ihres zügigen Aufstiegs entschloss Olivia, so viel wie möglich darüber zu lernen, was er dort tat und wieso. Diese hohen Ebenen des Weinguts sahen dem Terrain ihrer neuen Farm sehr ähnlich. Es musste ein Geheimnis geben, wie man Wein auf diesem trockenen und steinigen Grund erfolgreich anbaute.

      Ein kleiner Traktor, zwei der Geländewagen des Weinguts und ein weißer Van sagten ihr, wo Antonio und sein Team gerade arbeiteten.

      „Hallo, Olivia“, rief Antonio, als er sie kommen sah. „Ich habe vergessen, dir neue Weine zu bringen! Was brauchst du?“

      „Ich habe nur noch eine Flasche Miracolo, und der Sangiovese geht mir auch bald aus“, sagte Olivia.

      „Ich bringe sie dir heute Nachmittag“, versprach Antonio.

      Er streckte seine Arme über seinem Kopf aus und klopfte dann seine Taschen nach seinen Zigaretten ab, sichtlich erleichtert, eine Pause von der anstrengenden Arbeit einlegen zu können.

      „Ist dieses Land neu bepflanzt?“, fragte Olivia.

      „Ja, brandneu. Wir haben entschieden, dem vorigen Terrain eine Pause zu gönnen, da es letztes Jahr keinen guten Ertrag geliefert hatte.“

      „Welche Sorte pflanzt ihr hier?“, fragte sie.

      „Nebbiolo. Das ist eine rote Traube mit dünner Haut, die Wein mit hohem Säuregehalt und einem unglaublichen Bouquet produziert. Es ist knifflig, diesen Wein anzubauen, und man muss den Ort sorgfältig wählen. Er mag Sonne und sandigen Boden, und diese Rebsorte bevorzugt die hochgelegenen Hänge im Südwesten. Aber saurer Boden kann in den weiten Bereichen ein Problem darstellen, also auch hier.“

      „Wirklich?“ Olivia spitzte die Ohren. Sie würde den Boden auf ihrer Farm testen müssen, bevor sie mit dem Pflanzen anfing.

      „Wir nutzen einen biologischen Dünger und eine Schicht aus Kompost gemischt mit Kalk. Der Kompost hilft auch, die Feuchtigkeit zu halten. Diese hochgelegenen Böden trocknen sehr schnell aus, zu schnell für den gesunden Wachstum der Trauben, vor allem, wenn sie noch jung sind.“

      Das waren eine Menge Informationen. Olivia wiederholte sie für sich selbst, sich bewusst, dass Antonio sie neugierig beobachtete.

      Sie war versucht, ihm von ihrem verrückten Vorhaben zu erzählen, aber entschied, dass es besser wäre, es nicht zu erwähnen. Allein das Aussprechen der Worte konnte die Unternehmung in diesem frühen Stadium verhexen. Sie wurde nervös bei dem Gedanken an das Pflanzen ihrer ersten Reben, denn das bedeutete die Möglichkeit auf haushohes Versagen.

      Sie würde fürs Erste kein Wort darüber verlieren und versuchen, zu lernen, was sie nur konnte.

      Olivia dankte Antonio erneut und machte sich auf den Weg zurück zur Kellerei.

      Als sie eintrat, sah sie, wie Marcello gerade aus seinem Büro kam, welches auf der Rückseite der Verkostungsstube lag.

      „Olivia. Können wir uns jetzt unterhalten, falls du Zeit hast?“

      „Natürlich“, sagte Olivia und blickte zum Tresen, wo Paolo eine Gruppe junger, dänischer Frauen mit großem Enthusiasmus bediente. Überall sah Olivia nur lächelnde Gesichter und wusste, dass er die Situation ganz unter Kontrolle hatte, als er seine Ärmel hochschob und seine muskulösen Arme zur Schau stellte, bevor er schwungvoll eine Flasche Vermentino-Weißwein präsentierte.

      „Ich habe definitiv Zeit“, bestätigte sie.

      „Morgen früh muss ich nach Pisa“, erklärte Marcello. „Es ist ein Geschäftstrip, und ich hätte gern, dass du mit mir kommst, denn ich glaube, das wäre eine gute Lernerfahrung für dich. Wir werden hier um sieben

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