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sagte Mrs. Jayne. Und zum ersten Mal bemerkte Adele einen unbehaglichen Unterton in der Stimme der Frau. Ging es bei diesem Fall für die Interpol-Korrespondentin um etwas Persönliches? Warum war sie so emotional involviert?

      Sie zögerte, schaute dann aber direkt Agent Grant an. „Solange Sie jemand anderen den Papierkram erledigen lassen, bin ich dabei.”

      Grants Augen verengten sich und im Gegensatz zu Mrs. Jayne bemühte sie sich nicht, ihren Ärger zu verbergen. Aber schließlich war sie an der Reihe, zu seufzen und sie winkte mit einer leichten Geste zur Tür. „Ihr Wunsch ist mir Befehl. Außerdem ist Ihr Flug bereits gebucht.”

      KAPITEL VIER

      Adele näherte sich der dritten Parkebene mit einem leichten Wippen im Schritt. Es war mehr als zwei Monate her, dass sie das letzte Mal im Ausland gewesen war. Sie kannte ihr Ziel genau und, obwohl das Parkhaus dicke Mauern hatte, fühlte es sich so an, als würde ihr der Wind durchs Haar streichen. Roots konnte warten – jetzt, wo sich die Gelegenheit aufgetan hatte, war sie plötzlich erleichtert darüber, dass sie wieder reisen konnte. Eine Ablenkung von dem Gedanken an ihre derzeitige Lebensphase und ihre Ziele im Leben? Vielleicht – oder aber, vielleicht waren manche Menschen einfach nicht dazu bestimmt, zu lange an Ort und Stelle zu bleiben.

      Sie räusperte sich und rückte ihren Ärmel zurecht, als ein paar Kollegen an ihr vorbei, durch die Sicherheitsschiebetür aus Glas in Richtung der Metalldetektoren und der postierten Wachen, gingen. Adele nickte zur Begrüßung, setze ihren Weg dann wieder zum hinteren Teil des Parkhauses fort, wo sie ihre Limousine geparkt hatte.

      Sie war für einen Moment unaufmerksam gewesen.

      Plötzlich stand jemand an ihrem Auto.

      Ihre Hand näherte sich ihrer Dienstwaffe an der Hüfte, aber ihre Finger froren ein, als sie die Silhouette mit lockigem Haar erkannte. Er hatte trainiert; seine Arme waren mindestens einen Zentimeter breiter, als beim letzten Mal, als sie ihn gesehen hatte, seine Taille war einen Zentimeter schmaler. Sie musterte ihn einmal von oben nach unten und genoss die Aussicht einen Moment lang, bevor sie sich bemerkbar machte.

      „Angus?“, rief sie.

      Ihr Ex-Freund drehte sich plötzlich um und blinzelte sie an. Er trug keine Brille mehr. Kontaktlinsen? Gelasert? Sein Haar war länger, als sie sich erinnerte und er hatte eine neue, kaum sichtbare Narbe auf der Oberlippe.

      „Oh, hey… Adele“, sagte er und räusperte sich. Früher nannte er sie oft beim Kosenamen, aber jetzt sprach er ihren Namen aus, als hätte er ihn aus Angst vergessen.

      „Was machst du hier?“, fragte sie, ohne den Gruß zu erwidern.

      Angus trat unsicher auf der Stelle und lehnte sich schließlich gegen die Motorhaube ihres Autos. Adele sah mit einem strengen Gesichtsausdruck dorthin, wo er saß und hustete. Als Angus ihren Blick bemerkte stieß er sich schnell vom Auto ab, wobei er entschuldigend die Hände hob. „Oh, Entschuldigung, Entschuldigung“, sagte er schnell. „Ich war gerade… war gerade in der Gegend und wollte sichergehen, dass…"

      „Ich habe deine Nachrichten erhalten.”

      „Oh…“, sagte er leiser. „Oh“, wiederholte nochmal mit verletzlicher Stimme.

      Adele atmete durch die Nase ein und versuchte, ihre Gedanken an Morde in den Alpen wegzulenken und sich auf ihren unbeholfenen Ex-Freund zu konzentrieren.

      „Hör zu, Angus, ich wollte dich nicht ignorieren – ich war einfach ziemlich beschäftigt. Du würdest nicht glauben, wie viel Papierkram sich auf meinem Schreibtisch angesammelt hat.”

      Angus nickte und hatte immer noch einen verletzten Blick in seinen Augen. „Ich verstehe schon“, sagte er langsam. Er blickte über die dritte Ebene des Parkplatzes hinaus in den Nachmittagshimmel. Dann hielt er ihr eine braune Papiertüte entgegen.

      „Ich habe dir etwas mitgebracht – sie hatten es im Laden neben der Arbeit. Naja, eigentlich waren es ein paar Blocks. Ich musste ein paar Läden abklappern, um es zu finden… Aber, ja, hier ist es.”

      Er lächelte und wedelte mit der Papiertüte herum.

      Widerwillig nahm Adele das Geschenk an, um ihm nicht noch ein schlechteres Gefühl zu geben. Sie warf einen Blick in die Tüte und ein Teil ihres vorher gezwungenen Lächelns wurde zu einem echten. „Oh, Angus“, sagte sie mit leiser, trauriger Stimme.

      „Das hättest du nicht tun sollen.”

      „Ich erinnere mich daran, dass es dein Lieblingsessen ist. Du hast sie jeden Morgen zum Frühstück gegessen. Ich mag auch Schoko-Cerealien, aber, haha, nicht so sehr wie du.“

      Er nickte in Richtung der Packung Chocapic-Cornflakes.

      „Die ist aus Deutschland, oder?”

      Angus wusste natürlich von ihrer dreifachen Staatsbürgerschaft – amerikanisch väterlicherseits, französisch mütterlicherseits und die deutsche Staatsbürgerschaft hatte sie aufgrund des Umzugs ihrer Familie nach Deutschland erhalten. Aber obwohl er es wusste, fiel ihr manchmal auf, wie aufmerksam Angus war. Manchmal zu aufmerksam und dass manchmal, ihrer Meinung nach, zu vielen Menschen gegenüber. Sie wusste, dass sie dadurch egoistisch wirkte, aber es gab etwas, das Adele daran gefiel, die Einzige zu sein, der diese weiche Seite ihres Partners zu Teil wurde. Angus hingegen war wie ein Golden Retriever – er würde seinen Bauch jedem zeigen. Als Kind hatte Adele immer Pitbulls bevorzugt. Zuverlässig, intelligent und einer einzigen Person gegenüber äußerst loyal.

      „Frankreich“, sagte sie.

      „Wie bitte?“

      „Die Cornflakes, sie kommen aus Frankreich. Unwichtig. Angus, du bist nicht den ganzen Weg hierhergekommen, um mir eine Schachtel von meinem Lieblingsfrühstück zu bringen.”

      Er kratzte sich am Hinterkopf und zerzauste sein lockiges Haar. Sie konnte noch die Abdrücke entlang seiner Wangen sehen, wo er früher seine Brille getragen hatte, unscheinbar, ganz leicht – vielleicht war es aber einfach nur ein Sonnenabdruck. Er symbolisierte etwas Vergangenes – eine Erinnerung.

      „Ich wollte reden“, sagte er vorsichtig. „Ich habe viel nachgedacht… und mir dafür wirklich etwas Zeit genommen…“ Er begann, schneller und lauter zu sprechen und Mut zu fassen, als hätte er diese Worte schon einmal geprobt.

      Adele beobachtete ihn geduldig und ruhig, ließ ihn sprechen, hatte aber Angst davor, auf was er hinauswollte. Wollte er wieder mit ihr zusammen sein? Worum ging es? Wollte sie es überhaupt wissen?

      Sesshaft werden, Wurzeln schlagen, darüber hatte sie immer wieder nachgedacht. Wurzeln waren sicher. Die Wurzeln waren zuverlässig. Wurzeln waren ein Zuhause – ein Ort, an den man zurückkehren konnte.

      Adele schaute an der Parkhausdecke vorbei, studierte den Horizont und warf einen Blick in den weit entfernten Himmel. Eine leise Stimme – ein Teil von ihr, von dem sie behauptete, er sei nicht da – meldete sich zu Wort. Wurzeln waren restriktiv. Wurzeln waren wie Ketten. Wurzeln hielten einen gefangen.

      „Hör zu, Angus“, sagte sie und unterbrach ihn mitten im Satz. „Wir können reden. Ich verspreche, wir werden reden. Aber jetzt ist kein guter Zeitpunkt.”

      Angus sah ihr bedrückt nach, als sie sich an ihm vorbei zum Auto bewegte. Sie öffnete die Tür ihres Wagens und warf die Papiertüte mit dem Chocapic auf den Rücksitz. Sie drehte sich um, lächelte entschuldigend und zuckte mit den Schultern. „Ich verspreche es“, wiederholte sie, „Bald“.

      „Ich habe einen Fall außerhalb der Stadt. Wenn ich zurück bin, reden wir. Okay?”

      Angus hielt inne, den Mund halb geöffnet. Er war wirklich immer nett zu ihr gewesen. Der verletzte Gesichtsausdruck gab ihr das Gefühl, gerade einen Welpen mit Füßen getreten zu haben. In ihr stieg ein so starkes Schuldgefühl in der Brust auf, dass sie verzweifelt versuchte, die Emotion zu unterdrücken. Sie wusste, wenn sie ihn ansah und noch länger bliebe, würde sie ihre Meinung ändern. Sie würde ihn anhören. Und dann… Seine Worte hatten die Macht, die Menschen zu überzeugen. Und Adele war sich nicht sicher, ob sie überzeugt werden wollte. Außerdem war er derjenige,

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