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sich an.

      Srog trat vor.

      „Meine lieben Silesier!“, donnerte seine Stimme über eine wachsende Menge von Kriegern hinweg. Er sah ernster aus als Kendrick ihn je zuvor gesehen hatte. „Andronicus hat unsere geliebte und hoch geschätzte Anführerin angegriffen. Die Tochter unseres geliebten Königs MacGil, die selbst eine großartige Königin ist. Damit hat er jeden einzelnen von uns angegriffen. Er hat versucht, unsere Ehre zu beschmutzen – doch er hat nur sich selbst beschmutzt!“

      „AYE!“ schrie die Menge. Die Männer waren unruhig und griffen nach ihren Schwertern. In ihren Augen loderte Feuer.

      „Kendrick“, sagte Srog und wandte sich ihm zu. „Was schlägst du vor?“

      Kendrick sah den Männern vor sich in die Augen, langsam, einem nach dem anderen.

      „WIR GREIFEN AN!“, schrie Kendrick und in seinen Augen loderte ungezügelte Leidenschaft.

      In der Menge erhob sich zustimmender Jubel. Immer mehr Männer strömten auf den Platz und er konnte keine Furcht in ihren Augen erkennen. Er konnte sehen, dass jeder einzelne von ihnen bereit war, bis zum Tod zu kämpfen.

      „WIR WERDEN WIE MÄNNER STERBEN, NICHT WIE HUNDE!“, schrie Kendrick.

      Trotziger Jubel brandete auf: „AYE!“, riefen die Männer zurück.

      „WIR KÄMPFEN FÜR GWENDOLYN! FÜR ALL UNSERE MÜTTER UND SCHWESTERN UND FRAUEN!“

      „AYE!“

      „FÜR GWENDOLYN!“, schrie Kendrick.

      „FÜR GWENDOLYN!“, antwortete die Menge.

      Die Energie, die über dem Platz lag, war greifbar und es strömten immer mehr Männer herbei.

      Mit einem letzten Schrei folgten sie Kendrick und Srog, als sie allen voran die Treppen zur Oberstadt hinaufstürmten. Die Zeit war gekommen, Andronicus zu zeigen, aus welchem Holz die Silver geschnitzt waren.

      KAPITEL SIEBEN

      Thor stand mit Reece, O’Connor, Elden, Conven, Indra und Krohn am Fluss und alle sahen auf Convals Leichnam herab. In der Luft lag eine traurige Stimmung; Thor konnte es spüren. Das Gewicht lastete schwer auf seinen Schultern, zog in nach unten, während er auf seinen toten Waffenbruder hinuntersah. Conval. Tot. Es schien unmöglich zu sein. Sie alle hatten sich zusammen auf diese Reise begeben und kannten sich schon seit langer Zeit. Er hätte sich die bisherige Reise niemals zu fünft vorstellen können. Convals Tod erinnerte ihn an seine eigene Sterblichkeit.

      Der Gedanke an all die Zeiten, in denen Conval für ihn dagewesen war, ihn auf jedem Schritt seiner Reise begleitet hatte – vom ersten Tag an, als Thor in die Legion eingetreten war. Er war wie ein Bruder für ihn gewesen. Conval hatte sich für ihn eingesetzt, hatte immer ein nettes Wort für ihn gehabt. Anders als einige der anderen, hatte er Thor von Anfang an als Freund akzeptiert. Ihn tot daliegen zu sehen – besonders in Folge einer Fehleinschätzung von ihm selbst – bereitete Thor Bauchschmerzen. Wenn er niemals diesen drei Brüdern vertraut hätte, wäre Conval jetzt vielleicht noch am Leben.

      Für Thor waren Conval und Conven immer unzertrennlich gewesen, die zwei eineiigen Zwillinge, von denen einer die Sätze des anderen vollenden konnte. Er konnte sich nicht vorstellen, welchen Schmerz Conven gerade fühlen musste. Conven sah aus, als wäre er nicht mehr die Person, die er heute Morgen noch gewesen war. Der fröhliche und unbeschwerte Conven, ausgelöscht von demselben Schwerthieb, der seinen Bruder getötet hatte.

      Sie standen still am Rande des Schlachtfeldes und die Leichen der feindlichen Krieger stapelten sich um sie herum. Sie standen da wie angewurzelt und sahen auf Conval herab und keiner von ihnen war bereit weiterzuziehen, ohne dass er ein anständiges Begräbnis erhalten hatte. Sie hatten einige schöne Felle an den getöteten Offizieren des Empire gefunden, sie ihnen abgenommen und Convals Körper damit eingewickelt. Sie hatten ihn auf dem Boot, mit dem sie hergekommen waren, aufgebahrt. Sein Körper war lang ausgestreckt und sein Blick gen Himmel gerichtet. Das Begräbnis eines Kriegers.

      Sie waren eine ganze Weile so dagestanden, jeder Einzelne von ihnen in seine eigenen Gedanken versunken, und keiner wollte ihn gehen sehen. Indra bewegte ihre Hand in Kreisen über Convals Kopf und sang mit geschlossenen Augen etwas in einer Sprache, die er nicht verstehen konnte. Er konnte jedoch sehen, wie viel er ihr bedeutete, als sie die traurige Zeremonie zelebrierte, und Thor spürte beim Klang ihres Gesangs ein Gefühl des Friedens. Keiner der Jungen wusste, was er hätte sagen sollen, und so standen sie alle stumm und niedergeschlagen da und ließen Indra gewähren.

      Schließlich schien Indra mit der Zeremonie fertig zu sein und sie trat zurück. Conven trat vor und Tränen liefen über seine Wangen, als er neben seinem Bruder niederkniete. Er legte seine Hand auf die Hand seines toten Bruders und senkte den Kopf.

      Dann stand er auf und gab dem Boot einen Stoß. Es tauchte in das stille Wasser des Flusses, und dann, als ob die Gezeiten es verstanden, nahm die Strömung plötzlich zu und zog das Boot langsam und sanft weg. Es tanzte auf den leichten Wellen hinaus auf den Fluss und plötzlich, als ob die Strömung verstand, was geschah, begann das Boot langsam und sanft von ihnen wegzutreiben. Es driftete immer weiter von der Gruppe weg und Krohn begann zu winseln. Aus dem Nichts zog plötzlich eine Nebelwand auf und verschluckte das Boot. Es war verschwunden.

      Thor fühlte sich, als wäre auch sein Körper in die Unterwelt gesaugt worden.

      Langsam drehten sich die Jungen um und ließen den Blick über das Schlachtfeld und die Ebene, die dahinter lag, schweifen. Hinter ihnen lag die Unterwelt, aus der sie gerade gekommen waren, auf der einen Seite eine weite Grasebene und auf der anderen Seite lag nichts als leeres Ödland, eine heiße Wüste. Sie standen an einer Kreuzung.

      Thor wandte sich Indra zu.

      „Um den Nimmersee zu erreichen, müssen wir die Wüste durchqueren?“, fragte Thor.

      Sie nickte.

      „Gibt es keinen anderen Weg?“, hakte er nach.

      Sie schüttelte den Kopf.

      „Es gibt andere Wege, aber sie sind viel länger. Du würdest Wochen verlieren. Wenn du darauf hoffst, die Diebe einzuholen, dann ist das der einzige Weg für dich.“

      Die anderen starrten lange angestrengt in die Einöde hinaus. Die Sonnen brannten unbarmherzig auf sie herab.

      „Sie sieht gnadenlos aus“, sagte Reece, der an Thors Seite getreten war.

      „Ich weiß von niemandem, der jemals versucht hätte, sie zu durchqueren, und es überlebt hat“, sagte Indra. „Es ist eine unendliche Weite voller feindseliger Kreaturen.“

      „Wir haben nicht genug Vorräte“, gab O’Connor zu bedenken. „Wir würden es niemals schaffen.“

      „Und doch ist es der Weg zum Schwert“, sagte Thor.

      „Angenommen, das Schwert existiert noch“, sagte Elden.

      „Wenn die Diebe den Nimmersee erreicht haben“, sagte Indra, „dann ist dein kostbares Schwert für immer verloren. Ihr würdet eure Leben für einen Traum riskieren. Das Beste, was ihr jetzt tun könnt, ist umzukehren, und in den Ring zurückzugehen.“

      „Wir werden nicht umkehren“, sagte Thor entschlossen.

      „Besonders nicht jetzt“, fügte Conven hinzu und trat vor. In seinen Augen brannte ein Feuer, angefacht von Trauer.

      „Wir werden das Schwert finden oder beim Versuch, es zu finden, sterben“, sagte Reece.

      Indra schüttelte den Kopf und seufzte.

      „Ich hätte nichts anderes von euch erwartet“, sagte sie. „Tollkühn bis zum Schluss.“

*

      Thor und die anderen liefen Seite an Seite durch das Ödland und blinzelten in die erbarmungslose Sonne, schwer schnaufend vor Hitze. Er hätte gedacht, dass er froh sein würde, endlich der Unterwelt entkommen zu sein, aus der immerwährenden Finsternis, um die Sonnen wieder zu sehen. Doch er war von einem Extrem ins nächste gekommen. Hier, in der Wüste, gab es nichts als Sonne: Gelbe Sonnen am gelben Himmel, die ohne Unterlass auf ihn

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