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Arztroman Sammelband 8 Romane Februar 2020. A. F. Morland
Читать онлайн.Название Arztroman Sammelband 8 Romane Februar 2020
Год выпуска 0
isbn 9783745211849
Автор произведения A. F. Morland
Издательство Readbox publishing GmbH
Sie schloss die Augen, atmete mehrmals kräftig durch, und dann sagte sie: „Auf in den Kampf, Mädchen! Und mach deine Sache gut! Du bist auf diese zusätzliche Einnahmequelle angewiesen.“
Sie traf den Mann, der sich an „Flamingo“ gewandt hatte, in einem noblen Restaurant beim Kapuzinerhölzl. Er war Schweizer, Anfang sechzig, sehr distinguiert, mit dichtem grauem Haar und sorgfältig gestutztem Oberlippenbärtchen.
Sein dunkler Nadelstreifanzug war nach Maß gefertigt und saß wie angegossen, die Bügelfalten seiner Hosen waren rasiermesserscharf.
Im Knopfloch trug er eine weiße Nelke, das Erkennungszeichen. Er küsste Katja galant die Hand und bat sie höflich, sich an seinen Tisch zu setzen.
Sie nahm Platz, und er stand hinter ihr und rückte ihr den Stuhl zurecht. Ein Gentleman mit besten Manieren. Das konnte ein netter Abend werden.
Leicht verdientes Geld, dachte Katja, während sie den Schweizer freundlich anlächelte. Er winkte dem Kellner und bestellte mit ihrem Einverständnis zwei Aperitifs.
Sein Name war Urs Kägi. Er war im Bankwesen tätig und gestand ihr, dass er zum ersten Mal in seinem Leben die Dienste einer Begleitagentur in Anspruch nahm.
Entsprach diese Behauptung der Wahrheit?
Katja schien ihn so skeptisch anzusehen, dass er in schweizerisch gefärbtem Hochdeutsch mit ausgeprägtem „ch“ fragte: „Glauben Sie mir etwa nicht?“
„Ich habe keinen Grund, an Ihren Worten zu zweifeln“, gab die junge Frau zur Antwort.
„Das sagt Ihr Mund. Ihre Augen sagen etwas anderes.“
Katja lächelte. „Dann entschuldige ich mich für meine Augen.“ Der Kellner brachte die Drinks und zog sich gleich wieder zurück. Katja nahm ihr Glas und fragte: „Darf ich mit Ihnen auf einen schönen, harmonischen Abend anstoßen, Herr Kägi?“
„Nennen Sie mich bitte Urs.“
„Urs.“
Er stieß mit ihr an. „Auf diesen Abend und auf Ihre märchenhafte Schönheit.“
Sie schlug verlegen die Augen nieder. „Ich muss Ihnen ebenfalls ein Geständnis machen, Urs.“
„Nur zu.“
„Auch für mich ist es heute das erste Mal, dass ich …“ Sie unterbrach sich.
Er lachte. „Da hat der Zufall zwei blutige Anfänger zusammengeführt. Ist das nicht verrückt?“ Auch sein „ck“ war sehr prägnant.
Sie tranken, und Urs Kägi erzählte, dass er bis vor einem Jahr verheiratet gewesen war. „Manchmal habe ich meine Frau mitgenommen, wenn ich geschäftlich verreisen musste. Aber auch wenn sie nicht mitkam, konnte sie sich darauf verlassen, dass ich solide blieb. Ich halte nichts von flüchtigen Abenteuern, die von beiden Seiten nicht ehrlich gemeint sind.“
Katjas anfängliche Verkrampfung löste sich. Es schien wirklich nicht nötig zu sein, sich vor dem sympathischen Schweizer in acht zu nehmen.
Kägi schien tatsächlich nur an einem unterhaltsamen Abendessen in netter Gesellschaft interessiert zu sein, ohne jeden Hintergedanken.
Der gute Eindruck, den sie von ihm gewann, ließ sie rasch auftauen. Er hatte gesagt, er wäre bis vor einem Jahr verheiratet gewesen.
Katja fragte ihn behutsam, wieso er nun nicht mehr verheiratet war. Er wurde traurig. „Meine Frau ist vor einem Jahr gestorben“, sagte er dunkel.
„Das tut mir leid.“
„Das Herz“, sagte Urs Kägi. „Es hörte plötzlich auf zu schlagen. Wir saßen beim Frühstück. Auf einmal griff meine Frau sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an die Brust, sackte zusammen und schon war es vorbei. Ein gnädiger Tod für sie. Ein schwerer Schock für mich.“
„Wie alt war sie?“
„Achtundfünfzig. Sie hat mich viel zu früh verlassen.“
„Haben Sie eine gute Ehe geführt?“
„Es war eine sehr glückliche Ehe“, sagte Urs Kägi ernst.
„Haben Sie Kinder?“
Kägi schüttelte den Kopf und seufzte: „Meine Frau konnte keine bekommen.“
Zwei Frauen und zwei Männer nahmen am Nachbartisch Platz. Einer der beiden Männer sah bei flüchtigem Hinsehen aus wie Dr. Jan Jordan, einer der Assistenzärzte der Paracelsus-Klinik.
Katja überlief es kalt. Großer Gott, wenn es tatsächlich Dr. Jordan gewesen wäre, wäre ihr Doppelleben von kurzer Dauer gewesen.
So etwas konnte jedes Mal passieren, wenn sie mit einem Kunden ausging. Sich vorzunehmen, vorsichtig zu sein, war ein Ding der Unmöglichkeit, denn Katja konnte nie wissen, wohin es einen ihrer Kollegen, einen Pfleger oder eine Schwester verschlug. „Entschuldigen Sie“, sagte Urs Kägi.
„Wie, bitte?“
„Ich langweile Sie mit meiner traurigen Geschichte …“
„Nein“, bestritt Katja Arndt mit Nachdruck. „Nein, das tun Sie nicht. Ich schwör’s. Es tut Ihnen sicher gut, sich mal von der Seele zu reden, was Sie bedrückt.“
Obwohl Katja das sagte, sprach der Schweizer nicht weiter über seine Frau. „Wollen wir uns die Karte bringen lassen?“, fragte er stattdessen. Katja nickte. Kägi gab dem Kellner ein Zeichen, und dieser brachte zwei riesige Karten.
23
Als Katja nach Hause kam, saß ihr Mann regungslos im dunklen Garten. Sie suchte ihn zunächst im Haus, trat dann auf die Terrasse und entdeckte ihn schließlich unter den Birken. Sie ging zu ihm. Es war fast Mitternacht.
„Wieso sitzt du hier draußen?“, fragte sie.
„Ich habe es im Haus einfach nicht ausgehalten“, antwortete er rau.
Sie beugte sich zu ihm hinunter und gab ihm einen Kuss, den er nicht erwiderte. Sie hatte sogar den Eindruck, dass er den Kopf am liebsten zur Seite gedreht hätte. Das war nicht fair.
„Hast du dich gut amüsiert?“, fragte er heiser.
„Was soll das, Norbert?“
„Hast du?“
„Ich war mit einem einsamen Bankier aus der Schweiz aus, der seit einem Jahr Witwer ist“, erwiderte Katja steif. Sie war müde, wollte zu Bett gehen, hatte morgen einen anstrengenden Tag in der Paracelsus-Klinik vor sich, durfte sich als Ärztin keine Fehler erlauben.
„Was hat der Mann von dir verlangt?“, stieß Norbert Arndt gepresst hervor.
„Nichts. Er wollte seinen letzten Abend in München bloß nicht allein verbringen. Morgen früh fliegt er zurück nach Zürich.“
„Ich bin im Haus wie ein Verrückter im Kreis gelaufen“, stöhnte Norbert. „Die Eifersucht hat mich schier um den Verstand gebracht.“
„Du weißt doch, dass du mir vertrauen kannst.“
„Jeden Augenblick fragte ich mich: Was tut sie in diesem Moment? Wie viel Geld bietet er ihr, wenn sie dies oder jenes tut? Kann sie der Versuchung widerstehen, oder wird sie sich das Geld verdienen? O Liebling, es war für mich die Hölle.“
„Urs war ein vollendeter Gentleman.“
„Urs?“ Norbert hob die rechte Augenbraue.
„Urs Kägi.“
Norbert sah seine Frau finster an. „Du nennst ihn immerhin beim Vornamen.“
„Er hat mich darum gebeten“, sagte Katja.
„Hast du ihn geküsst?“,