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Sternenaugen aufleuchteten.

      Er sollte seinen Entschluss nicht bereuen, denn das Zimmer war wunderschön, hatte einen herrlichen Ausblick auf die See, und wenn er auf den Balkon hinaus trat, konnte er rechts sogar die Elbmündung erkennen.

      Nur - Julian hatte kein Interesse an irgendwelchen Schiffen, die die Elbe rauf oder runter in Richtung Nordsee schipperten. Und den Ausblick wollte er ebenso wenig genießen wie den Whirlpool und die Sauna. Er wollte bequemen, altmodischen Entspannungsurlaub. Wenn er nur daran dachte, dass er außer dem blauen Blazer nur Freizeitkleidung mitgenommen hatte, und das in diesem Luxusschuppen...

      Ach, er hätte sich selbst ohrfeigen können, dass er den dunklen Augen mit den Goldsprenkeln nicht hatte widerstehen können!

      Wütend auf sich selbst und mit der Welt total im Unreinen ging er schließlich los zur ersten Wattwanderung. Dicke hohe Stiefel, Jeans, kariertes Hemd...

      Der erste Gast, dem er auf dem Flur begegnete, war ein Herr mit grauen Schläfen, der eine viel zu junge Blondine im Arm hielt, an deren Ohrläppchen er albern herumknabberte.

      „Auch das noch“, murmelte Julian vor sich hin und verzog das Gesicht. Solche Gäste waren in seinen Augen unmöglich! Aber das sah man ja gerade in solchen Luxusschuppen immer wieder: Reiche alte Männer stiegen hier mit ihren Freundinnen ab, um ungestörten Urlaub zu machen. Daheim wartete dann die Ehefrau, die ihren schwer arbeitenden Mann auf Geschäftsreise vermutete - wenn sie nicht durch jahrelange bittere Erfahrung eines Besseren belehrt worden war!

      Julian kannte drei solche Fälle. Er hatte die Ehefrauen behandelt, zwei von ihnen hatten Selbstmordversuche unternommen, die dritte hatte sich abgesetzt, da hatten sie in der Klinik den völlig verstörten Gatten behandeln müssen, der vor Aufregung einen Herzinfarkt erlitten hatte, als er feststellen musste, dass seine altgediente Ehefrau samt großem Konto verschwunden war.

      Julians Laune wurde erst besser, als er einen halben Kilometer Wattwanderung hinter sich hatte. In den Prielen pickten die Möwen nach Krebsen, und die Sonne, die den Zenit schon überschritten hatte, verwandelte die großen Pfützen im Meer in silberne Flächen.

      Julian blieb an einem größeren Priel stehen, schloss die Augen und hielt das Gesicht der Sonne entgegen. So, genau so musste Urlaub sein! Er allein mit der Natur...

      Plötzlich durchbrach eine wohl bekannte Stimme die Stille: „Schnucki! Na endlich! Ich wusste doch, dass dich dein erster Weg hierher führen würde!“

      Es gibt keine Seeungeheuer, und ich hab auch keine Halluzinationen! Julian bemühte sich um Gelassenheit, doch seine Augen blitzten vor Zorn, als er sie langsam öffnete und die junge blonde Frau ansah, die dicht vor ihm stand.

      „Küsschen!“ Sabine Nöthen spitzte die Lippen.

      „Bin ich ein dressierter Affe?“, kam es unfreundlich zurück. Und dann: „Sag mal, warum tust du das?“

      „Was?“ Ihr Unschuldsblick, den sie sicher stundenlang vor dem Spiegel geübt hatte, ging ihm auf die Nerven. Nie wieder würde er darauf hereinfallen! Und auch nicht auf ihre naive Tour, die eine wohl einkalkulierte Masche war. Sabine wusste ganz genau, was sie wollte - und wie sie es bekam!

      Sie war ein gerissenes Biest, das nur auf den eigenen Vorteil bedacht war. Er hatte es spät - aber zum Glück nicht zu spät erkannt. Und war hierher geflüchtet, in den kleinen Ort bei Cuxhaven, wo er als Kind häufig Urlaub mit den Eltern gemacht hatte. Aber Sabine hatte ihn aufgestöbert. Und das auch noch am ersten Tag!

      „Ich bin so froh, dass dein Freund Thorsten mir geholfen hat, dich zu finden“, säuselte sie und hängte sich bei ihm ein. „Komm, Schnucki, sei wieder lieb. Es waren doch alles nur dumme Missverständnisse. Dieser Jo aus der Disko bedeutet mir doch im Grunde gar nichts. Aber er hatte ziemlich guten Stoff dabei, deshalb bin ich schwach geworden.“ Sie sah ihn mit dem nicht glaubhaften Unschuldsblick an, den er unerträglich fand. „Du weißt doch, im Grunde will ich das Zeug gar nicht nehmen.“

      „Dann lass es sein. Oder kokse weiter, mir ist es egal. Ich werde jedenfalls nicht zusehen, wie du dich ruinierst.“

      „Ich will ja aufhören!“ Sie zuckte mit den Schultern. „Du kannst mir ja dabei helfen. Ehrlich, Schnucki, ich werde mich beherrschen, ganz bestimmt. Und ich will auch...“

      „Ich will, dass du wieder abreist“, erklärte Julian unfreundlich. „Am besten ziehst du dann gleich zu Thorsten. Ihr habt euch verdient!“

      Mit langen Schritten stampfte er durch den weichen Schlick zurück zum Strand. Sabine, die nur dünne Wattschuhe trug und eine dreiviertellange weiße Hose - unpassender ging’s ja wohl nicht, war es ihm bei diesem Anblick durch den Sinn geschossen - konnte ihm kaum folgen.

      Im ersten Impuls wollte er sich, als er auf der Höhe des Deichs angekommen war, nach links wenden, wo das Hotel Zum kleinen Strandkorb lag. Aber dann fiel ihm ein, dass er ja in einer Nobelherberge logieren musste!

      „Nun warte doch endlich mal!“ Sabine kam wieder bedrohlich näher. „Wir müssen reden!“

      „Müssen wir nicht. Es ist alles gesagt, Sabine. Ich habe mich von dir getrennt, akzeptier das endlich! Es ist Schluss!“

      „Nein! Nein! Ich will das nicht! Ich liebe dich doch, Schnucki! Der Jo ist mir egal, und der langweilige Thorsten erst recht!“

      Wieder versuchte sie sich bei ihm einzuhängen, doch er wischte ihre Hand fort und ging schneller, so dass Sabine ihm nicht folgen konnte.

      Und dann sah er sie: Sie schien ihm der rettende Engel in höchster Not zu sein!

      Andrea Jannsen hatte einen Einkaufskorb in der Linken und zwei große Blumensträuße in der rechten Hand. Sie wollte zur Strandmöwe und dort die Rezeption für den Abend übernehmen. Da erkannte sie den sympathischen Typen aus Köln, dem sie das Zimmer vermietet hatte. Mit langen Schritten eilte er auf sie zu und...

      Sekundenlang blieb Andrea stocksteif stehen. Er hielt sie fest umarmt, schmiegte sein Gesicht in ihr Haar... Wenn sie doch nur eine Hand frei gehabt hätte!

      „Helfen Sie mir“, flüsterte er ihr da zu. „Meine Ex-Freundin hat mich schon wieder aufgestöbert. Bitte!“

      Er ließ sie ein wenig los, aber nur so viel, das sie ihm in die Augen sehen konnte.

      „O.k., ich bin Ihnen ja noch was schuldig.“ Andrea begann die Sache höchst komisch zu finden. Was blieb ihr auch sonst übrig? Außerdem... es gab sicher Schlimmeres, als von so einem netten Mann im Arm gehalten zu werden. Jetzt nahm er ihr auch noch galant den schweren Einkaufskorb ab, legten den freien Arm um ihre Schultern und zog sie fest an sich.

      Sabine schaute der Szene empört zu. Sie blieb wie angenagelt stehen und klopfte sich den Sand von den Füßen, während sie mit brennendem Blick auf das verliebt wirkende Paar sah.

      „So ein Schuft!“, zischte sie. „Miststück, gemeines!“ Das kam schon lauter und unüberhörbar über ihre Lippen. Doch Julian interessierte das nicht. Er fand es auf einmal höchst angenehm, das hübsche Mädchen mit den Goldaugen im Arm zu halten.

      Die Strandmöwe war viel zu schnell erreicht!

      „Sie können mich jetzt wirklich wieder loslassen. Sie sind ja in Sicherheit.“ Andrea machte sich lachend von ihm los.

      Julian grinste. „Schade. Es hat Spaß gemacht. Und außerdem... Sie haben mir wirklich sehr geholfen. Sabine ist eine Klette. Sie will einfach nicht begreifen, dass es aus ist.“

      „Aha.“

      „Ja, Sie können mir glauben“, versicherte er schnell.

      „Tu ich ja - wenn’s Ihnen etwas bedeutet.“

      „Ja.“ Toller Dialog, dachte er dabei und kam sich ziemlich dämlich vor - trotz des so mühsam erworbenen frischen Doktortitels.

      Andrea kam ihm zu Hilfe. „Was halten Sie von einem Entspannungsdrink an der Bar?“

      „Viel!“

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