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Das große Buch der Berlin-Krimis 2017 - Romane und Erzählungen auf 1000 Seiten. Alfred Bekker
Читать онлайн.Название Das große Buch der Berlin-Krimis 2017 - Romane und Erzählungen auf 1000 Seiten
Год выпуска 0
isbn 9783745201185
Автор произведения Alfred Bekker
Жанр Ужасы и Мистика
Издательство Readbox publishing GmbH
„Jochen wollte reinen Tisch machen“, behauptete Roswitha. „Mehrfach war er knapp einem Attentat entkommen. Die Leute, für die er früher gearbeitet hat, fürchteten wohl, dass er sein Wissen früher oder später an die Justiz weitergegeben hätte.“
„Sie meinen Vladi Gruschenko.“
„Wer dahintersteckt, wird sich nie beweisen lassen. Jemand beauftragt einen Killer von einem Internet Café aus per Email über einen ausländischen Server... Es gibt unzählige Möglichkeiten, um keinerlei Zusammenhang zwischen Auftraggeber und dem Lohnkiller offenbar werden zu lassen. Und jemand wie Vladi Gruschenko bräuchte es noch nicht einmal ausdrücklich zu sagen, dass er den Tod von jemandem wünscht. Tatsache ist jedenfalls, dass Jochen nicht länger die Kraft hatte, immer wieder die Identität zu wechseln und von vorn zu beginnen. Er wollte ins Zeugenschutzprogramm und dafür im vollen Umfang aussagen.“
„Dann wären sicherlich ein paar Köpfe innerhalb des organisierten Verbrechens gerollt“, meinte Rudi.
Roswitha nickte. „Ganz sicher.“
„Wissen Sie den Namen des Mittelsmannes, der den Kontakt zur Justiz herstellen sollte?“, fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf.
„Nein, tut mit leid.“
„Ist es vielleicht schon zu einem ersten Sondierungsgespräch gekommen?“
„Auch das weiß ich nicht. Ich weiß nur, was mir Jochen bei unserem letzten Treffen gesagt hatte.“ Ihr Gesicht lief dunkelrot an. Sie wischte sich durch die Augen und musste schlucken. „Er war so optimistisch, dass alles jetzt eine gute Wendung für ihn nehmen würde und dieses auf der Flucht sein für ihn nun ein Ende hätte...“ Sie schüttelte den Kopf und in ihren Augen glänzten Tränen. „Aber diese Hoffnung war leider vergebens...“
„Nennen Sie uns bitte jeweils Ort und Zeitpunkt Ihrer Treffen, die Sie mit Ihrem Bruder hatten“, forderte ich.
Sie sah auf. „Alle?“
„Alle, an die Sie sich erinnern oder die Sie durch Flugtickets und andere Unterlagen rekonstruieren können.“
„Ist das wirklich nötig?“
„Ja. Und außerdem möchten wir genaueres über die Umstände wissen, unter denen Ihr Bruder zuletzt gelebt hast. Vor allem wäre es wichtig, alle Kontaktpersonen zu kennen, von denen Sie wissen.“
Sie nickte leicht. „Sie denken, dass eine diese Personen Jochen verraten hat, nicht wahr?“, murmelte sie. Es war nur der Satzmelodie nach eine Frage.
Ich nickte. „Ja, das ist eine Möglichkeit, die wir in Betracht ziehen müssen.“
19
Wir rekonstruierten anhand von Roswitha Delgados Kalender und gesammelten Zahlungsbelegen für Flugtickets und dergleichen fast ein Dutzend Treffen. Jochen Delgado hatte in Wien unter wechselnden Adressen gelebt, zuletzt in der Langen Gasse. „Die Pension hieß Wildbolz und wurde im Internet als 'gay friendly' angepriesen“, berichtete Roswitha Delgado. „Das bedeutete wohl in erster Linie, dass die Sauna nur für Männer war...“
„War ihr Bruder homosexuell?“
„Nein. Ich glaube für Jochen war das eine Art zusätzlicher Tarnung.“
„Die ihm aber offenbar nichts genützt hat.“
„Richtig.“
„Können Sie sich vorstellen, dass irgendjemand in dieser Pension über seine wahre Identität Bescheid wusste und ihn an Gruschenko verraten hat?“
„Nein. Ich meine, ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der es starke Vorurteile gegen Homosexuelle gab und ich muss sagen, als ich sah, wo Jochen lebte, war das für mich schon zunächst etwas eigenartig. Aber die Leute dort waren sehr herzlich und nach meinem Eindruck völlig ahnungslos, was Jochens wahre Identität anging. Und zu wem er sonst noch Kontakt hatte, entzieht sich ehrlich gesagt meiner Kenntnis. Wenn ich mich ihm getroffen habe, waren wir immer allein.“
Etwa später trafen unsere Kollegen Fred Düpree und Josy Oldendorp ein. Wir hatten inzwischen mit Kriminaldirektor Bock gesprochen und dieser hatte ein paar Gespräche mit der Staatsanwaltschaft sowie seinen Vorgesetzten geführt. Es lag auf der Hand, dass Roswitha Delgado nicht in ihrem Bungalow bleiben konnte. Unsere Kollegen Fred und Josy bekamen die Aufgabe, sie in eine der vom BKA unter konspirativen Rahmenbedingungen angemieteten Wohnungen zu bringen, die unter anderem dazu dienen, gefährdete Zeugen für eine Weile zu beherbergen.
Diese Wohnung würde rund um die Uhr unter Bewachung stehen, sodass für ihre Sicherheit garantiert werden konnte, so weit das nach menschlichem Ermessen möglich war.
Rudi und ich blieben derweil noch am Tatort, um die Ermittlungsergebnisse abzuwarten. Zu den wichtigsten Spuren gehörten natürlich die sichergestellten Projektile. Dazu fanden sich auch zwischen den Sträuchern die passenden Patronenhülsen. Der Täter hatte keine Zeit mehr gehabt, sie einzusammeln.
Nach dem Van war sofort, nachdem ich die Nummer durchgegeben hatte, eine Großfahndung eingeleitet worden.
Es stellte sich zwar heraus, dass Kennzeichen und Fahrzeugtyp übereinstimmten. Aber der Halter hatte vor zwei Tagen den Diebstahl seines Nummernschildes gemeldet.
In wie fern das eine Schutzbehauptung war, würde man klären müssen - aber wenn der Attentäter wie angenommen ein Profikiller war, dann sprach vieles dafür, dass tatsächlich falsche Kennzeichen benutzt worden waren. Kennzeichen, die allerdings so sorgfältig ausgesucht worden waren, dass sie bei einer gewöhnlichen Überprüfung durch die Autobahnpolizei gar nicht als solche aufgefallen wären.
„Es könnte gut sein, dass im Van ein zweiter Mann gewartet und den Killer abgeholt hat“, sagte ich.
Wir erkundigten uns in der Nachbarschaft des leerstehenden Hauses und fragten nach, ob sich jemand in den letzten Tagen für das Anwesen interessiert hätte.
Genau gegenüber wohnte eine ältere Frau, die den Großteil ihrer Zeit am Fenster und hinter den Gardinen verbrachte. Als wir sie besuchten, hatten wir durch die anderen Nachbarn bereits von ihr gehört. Sie hatte offenbar das Hobby, Falschparker aufzuschreiben und bei jeder hörbaren Lebensäußerung gleich die Polizei zu rufen, um eine Anzeige wegen Ruhestörung aufzugeben. Dementsprechend unbeliebt war sie.
An der Tür öffnete sie bereitwillig, nachdem ich meinen Dienstausweis vor die Kameralinse gehalten hatte, mit der der Bereich vor der Eingangstür überwacht wurde.
„Das BKA! Welche Ehre“, sagte sie.
„Können wir einen Augenblick hereinkommen?“
„Sicher. Darf ich Ihnen etwas anbieten? Kaffee? Tee?“
„Nein danke.“
„Was war denn da drüben eigentlich