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Wasser (oder Schlimmeres) abzubekommen.

       Wie sieht für dich der perfekte Tag in Hamburg aus?

      Er fängt mit einem Kaffee in der »Strandperle« an, einem Kiosk, von dem man beste Sicht auf die Elbe, Kräne, Containerterminals und Frachter hat. Dann fahre ich mit dem Fahrrad ein wenig durch Othmarschen und schaue mir Villen von außen an (ich liebe es, mir anderer Leute Häuser anzugucken), in Ottensen gehe ich ein wenig an der Ottenser Hauptstraße bummeln, dann mache ich mich auf den Weg zu den Landungsbrücken, wo ich mir an der Brücke 10 eins der leckersten Fischbrötchen der Stadt genehmige und springe auf die Fähre der Linie 72 (in Hamburg gehören Fähren zu den öffentlichen Verkehrsmitteln).

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      Der berühmte Silbersack auf St. Pauli, fotografiert von Susanne.

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      Franzbrötchen, fotografiert von Susanne.

      Ich fahre rüber zur Elbphilharmonie, besteige die Aussichtsplattform in 33 Meter Höhe, um ein paar Fotos zu machen. Dann schlendere ich durch die nach Kaffeebohnen duftende Speicherstadt hinüber ins Kontorhausviertel. Der Backstein-Expressionismus von Ge bäuden wie dem Chilehaus oder dem Sprinkenhof machen mich einfach immer wieder glücklich.

      Den Abend beginne ich mit ein paar Tacos in der Taqueria »Mexiko Straße« (Detlev-Bremer-Str.). Dazu gibt es Margaritas, die schmecken wie am Strand von Tulum. Später geht’s dann querbeet durch St. Pauli. Die Nacht endet im guten alten »Silbersack«, einer legendären Kneipe, die es seit der Nachkriegszeit gibt und in der zu später Stunde alle, wirklich alle, durchdrehen und anfangen zu tanzen, wenn wieder der etwas staubige Klassiker »Auf der Reeperbahn nachts um halb eins« aus der Jukebox schallt.

       Ihr Hamburger liebt ja Franzbrötchen. Was hat es damit auf sich?

      Einer Legende zufolge soll sie ein Hamburger Bäcker während der französischen Besatzungszeit unter Napoleon Anfang des 19. Jahrhunderts in einer Pfanne voller Bratfett gebacken haben. Er wollte eigentlich Croissants herstellen. Aber er verwendete wohl etwas zu viel Butter und Zimt. Die Franzosen sollen gelacht haben. Gegessen haben sie die Dinger trotzdem. Ich liebe sie auch.

      Wenn die Sonne auf St. Pauli unterging, erwachte der Nachtjargon. Er ist die Sprache der Zuhälter, Prostituierten und sonstigen Kiezbewohner. Dr. Klaus Siewert hat diesen Jargon erforscht und in seinem Buch »Hamburgs Nachtjargon: die Sprache auf dem Kiez in St. Pauli« festgehalten. Dazu befragte er Prostituierte und arbeitete für seine Untersuchung eng mit der Kiezgröße Stefan Hentschel zusammen.

      Schriftlichkeit ist bei Geheimsprachen fremd, hätte sie doch die Gefahr der Decodierung bedeutet. Eine Geheimsprache ist laut Siewert also nicht eine Sprache, die man nicht versteht, sondern eine, die man nicht verstehen soll.

      Viele Begriffe oder Redewendungen des Nachtjargons gehen auf Hamburger Stadtteile zurück. So ist ein »Bergedorfer« ein unsicherer Typ, von dem man nicht weiß, wo er hingehört. Das Wort wurde vom Namen des Hamburger Stadtteils Bergedorf abgeleitet, das abwechselnd von Hamburg und Berlin regiert wurde. Ein Mensch, der »alles Farmsen vermacht hat«, hat all sein Geld verspielt – eine Anspielung auf die Trabrennbahn in Farmsen.

      Aber auch andere Herkunftswörter wurden im Nachtjargon benutzt. Ein »Breslauer« war ein Kunde, der die Preisverhältnisse auf dem Kiez nicht kennt und daher ein leichtes Opfer ist. Die »Tille« war die Prostituierte und hatte einen »Loddel«, einen Zuhälter. War der Zuhälter weiblich, sprach man von einem »Kessmuss«. Ein 50-Pfennig-Stück war ein »Heitack«, eine Mark eine »Miese«, zwei Mark ein »Zwilling« oder auch ein »Beischock« und das Fünf-Mark-Stück war der »Heiermann«. Bei den Scheinen war der Zehn-Mark- Schein ein »Gutmann«, zwanzig Mark waren ein »Pfund«, fünfzig Mark ein »halbfest Kilo« oder auch ein »Lübecker«, hundert Mark ein »Kilo« oder ein »Blauer«, fünfhundert Mark ein »Brauner«. Hatte man tausend Mark, sprach man von einem »Riesen« oder einer »Telofe«. Konnte der Freier nicht zahlen, war er »schi Lobi«, das heißt: ohne Kohle. Dann konnte er aber immer noch seinen »Geitling« (Ring) oder seine »Ossnick« (Uhr) zur Bezahlung abgeben.

      »So, nun lass uns aber mal ’n büsch’n ›Achiele toff‹ fassen.« Sie haben das nicht verstanden? Ganz einfach: etwas gutes Essen fassen.

      Noch heute findet man einige der Worte, die einst auf dem Kiez erfunden wurden, in unserer Umgangssprache wieder. Zum Beispiel die »Asche«, die »verbraten« wurde.

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      Blick von den Tanzenden Türmen auf die Reeperbahn

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      Von Candy Bukowski sind bisher drei Bücher erschienen. Das erste Werk trägt den Namen »Wir waren keine Helden«, danach erschien »Der beste Suizid ist immer noch, sich tot zu leben«, ihr aktuelles Buch trägt den Titel »Eine neutrale Tüte bitte«. Schlüpfrig war gestern: Candy Bukowski erzählt Geschichten direkt von der Reeperbahn, aus dem Herzen von St. Pauli: lustig, berührend und schonungslos ehrlich. Wenn sich ein schüchterner Japaner in eine schwule Porno-Veranstaltung verirrt, prahlende Halbwüchsige an Sexpuppen herumspielen oder sich ein älteres Paar routiniert mit Fetisch-Artikeln eindeckt, dann hat Candy Bukowski wahre Geschichten aus einem Sexshop zusammengetragen, die man ohne Scham genießen kann.

      SmileStuff – Ich bin ein Du

       Du bist Autorin, Verlagsfrau, Redakteurin, Erotik-Fachberaterin, Reiki-Lehrerin und hast auch schon einmal ein eigenes Kabarettprogramm auf die Bühne gebracht. Das klingt nach einem interessanten Leben. Wie können wir uns deinen Alltag vorstellen?

      Sehr schön! Da du als Überschriften zu den Fragen Kapitelblöcke aus meinem Buch »Der beste Suizid ist immer noch, sich tot zu leben« gewählt hast, erklärt sich das fast von selbst.

      Es passt eine Menge Vielfalt in den Alltag, wenn man nicht ausschließlich in die Länge, sondern auch in die Breite leben möchte. Ich habe mich immer wieder verändert, bin aber meinen Wurzeln, Interessen und Talenten treu geblieben.

      Für den Broterwerb arbeite ich seit einigen Jahren in der Boutique Bizarre, der größten Erotik-Boutique Europas. Da berate ich Menschen rund um ihre Sexualität und finde die Toys, die zu ihnen passen. Das Schreiben lässt sich dort im Social-Media-Bereich ebenso gut einbringen wie ins Autorinnenleben. Rein privat verlasse ich nach Feierabend aber den Kiez und lebe mit meiner 16-jährigen Tochter ganz solide im schönen Barmbek.

      Vielleicht ist der Wechsel zwischen den unterschiedlichen Welten das Geheimnis der Machbarkeit. Freiheit braucht auch immer wieder Erdung, sonst verliert man sich.

      HardStuff – nur dieses eine Leben

       Du bist eigentlich gebürtige Augsburgerin. Wieso hat es dich vor 20 Jahren nach Hamburg verschlagen?

      Es hat mich ebenso nach Hamburg verschlagen, wie es mich einige Jahre zuvor an den Bodensee verschlug: Ich war auf der Suche nach mehr und es ergaben sich Möglichkeiten. Die ergeben sich immer plötzlich, wenn man wirklich etwas Neues finden möchte: ein neuer Job, ein neuer Mensch, neue Ideen und Pläne … Und wenn man die Angst vor Veränderung einfach beiseiteschiebt und sich einlässt, probiert man eben aus und es ergibt sich ein neuer Abschnitt, mit dem vorher nicht zu rechnen war. Für Hamburg war der Auslöser damals tatsächlich die Liebe. Allerdings eine mit geringer Haltbarkeit, kurz nach meinem Ankommen ging mir damals der Kerl stiften. Also hatte ich wieder zwei Möglichkeiten: Entweder würde ich frustriert hadern und Hamburg unter Scheitern verbuchen oder ich blieb und machte diese Stadt zu meiner neuen Liebe. Ich habe mich für Zweites entschieden und diese Wahl nie bereut.

      Hamburg bietet viel an Freiheit, an Toleranz und Weltoffenheit. Das sind alles Züge, die mir viel

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