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zurückziehen kann. Genau genommen haben die meisten Menschen sowohl Eigenschaften von Intros als auch von Extros. Die Ausprägung ist jedoch unterschiedlich, sodass einige eben als Introvertierte und andere als Extrovertierte gelten. Du kannst dir dies als eine Skala vorstellen, wobei die Unterteilung nach dem Energiegewinn erfolgt. Am einen Ende der Skala wird die Kraft aus dem Inneren bezogen – dort sind die stark Introvertierten zu Hause. Am anderen Ende erfolgt der Kraftgewinn von außen – hier haben die stark Extrovertierten ihren Platz.

      Deine Heimat auf dieser Skala ist nicht unverrückbar, du kannst sie ebenso verlagern lernen, wie ich es getan habe. Schon C. G. Jung beschrieb, wie jeder in einem gewissen Rahmen sein Verhalten anpassen kann. So kann also auch ein Intro gelegentlich eine extrovertierte Phase haben, die Stunden oder Tage anhält. Dies ist beispielsweise in beruflichen Situationen oftmals einfach nötig. Allerdings sollten Intros dabei ihre Grenzen beachten, um sich nicht zu überfordern und somit zu schwächen. Zwar ist es für einen leisen Menschen möglich, jeden Tag mit Meetings zu verbringen oder jedes Wochenende die Nächte auf Partys durchzufeiern, doch die Energie wäre dabei schnell aufgebraucht. Ausreichend Freiräume bleiben wichtig.

      INTRO, EXTRO, GLEICHWERTIG

      Es lässt sich nicht sagen, welcher Typ besser ist. Eines ist jedoch sicher: In unserer Gesellschaft wird Extroversion als erstrebenswert angesehen und Introversion kann oft sogar zum Problem werden. Dies ist jedoch nur eine lang eingeübte Gewohnheit – und jeder Intro kann aktiv mithelfen, sie zu verändern. Dies passiert von ganz allein, wenn du zu deiner Wesensart stehst und deine Persönlichkeit zum Blühen bringst: im optimalen Betätigungsfeld und auf deine ganz eigene leise Weise.

      SIND SIE ALLE SCHÜCHTERN?

      Was ist nun eigentlich der Unterschied zwischen Introversion und Schüchternheit? Oft wird beides nämlich in den gleichen Topf geworfen. Dort aber gehört es nicht hin, denn nicht alle Intros sind schüchtern. Im Wesentlichen beziehen sie ihre Kraft aus ihrer Innenwelt, sind gern allein und schätzen Rückzugsmöglichkeiten. Sie brauchen nicht viele Menschen um sich herum und sind sich selbst genug. Das alles lässt sie auf andere schüchtern wirken. Aber sie sind meist freiwillig für sich allein, nicht weil sie nicht anders könnten.

      Schüchterne wünschen sich im Gegensatz dazu den Kontakt mit anderen, können aber nicht aus ihrem – oft als unangenehm empfundenen – Schneckenhaus heraus. Sie trauen sich selbst nicht zu, Begegnungen zu initiieren, oder entwickeln sogar Ängste und Panikzustände, wenn sie auf andere Menschen zugehen sollen. Schüchterne wünschen sich oft mehr Freunde, mehr Austausch, können aber nicht aktiv werden. Darüber hinaus haben sie häufig Angst vor Zurückweisung. Deswegen wirken sie für Außenstehende ebenso zurückhaltend und ruhig wie introvertierte Menschen. Der Unterschied ist also, dass es Schüchterne wirklich quält, so zurückhaltend zu sein. Natürlich gibt es nicht wenige Menschen, die sowohl introvertiert als auch schüchtern sind. Für sie heißt die gute Nachricht: Die Introversion steckt voller Vorteile und die Schüchternheit lässt sich überwinden (ab >).

      »Derjenige allein ist arm, der an sich selbst nicht glaubt.«

      MARK AUREL

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      WIRKE NACH AUSSEN

       Gestalte aktiv

      Wenn du introvertiert bist, kannst du all dein Wissen darüber für deinen Alltag nutzen. Immer ergeben sich sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld zahlreiche Möglichkeiten, das Leben aktiv zu gestalten – genauso wie du es brauchst und willst. Sicherlich ist es in einigen Situationen hinderlich, introvertiert zu sein, aber du kannst sie gezielt trainieren.

       Dir fällt es schwer, auf Menschen zuzugehen? Dann ist es hilfreich, in Gedanken ein Muster für den Small Talk bereitzulegen (ab >). Spiel verschiedene Situationen durch und überleg dir im Vorfeld geeignete Gesprächsthemen. Dadurch gewinnst du an Sicherheit und wirkst weniger schüchtern, handelst jedoch nicht gegen deine Natur.

       Du arbeitest in einem stressigen Job und hast jeden Tag Kontakt zu vielen neuen Menschen? Dann schaff dir Freiräume und Rückzugsmöglichkeiten. Delegier Aufgaben, bring Routine in den Alltag und erhalt dir möglichst viel Unabhängigkeit. Nutz die Freizeit, um neue Kraft zu tanken.

       Du hast das Gefühl, der Welt etwas Wundervolles geben zu können, traust dich aber nicht, es laut herauszuposaunen? Arbeite weiter daran, deine Bestimmung zu finden und dir über deine Gaben klar zu werden. Lass dich Schritt für Schritt von deiner Vision tragen, sie gibt dir die Kraft, dich auch vor anderen Menschen mit dem, was du kannst, zu zeigen. Es muss nicht laut sein. Was richtig gut ist, wird gehört.

      In den weiteren Kapiteln findest du detailliertere praktische Hinweise. Du siehst, dass du auch als introvertierter Mensch dein Leben so gestalten kannst, dass deine guten Seiten aufleben und die Schwächen nicht negativ zum Tragen kommen. Du bist in deinen Aktivitäten nicht eingeschränkt. Wenn du deine Eigenheiten kennst und dein Verhalten anpasst, ist fast alles möglich.

      INTROVERSION UND HOCHSENSIBILITÄT

      In meiner Arbeit fiel mir sehr schnell auf, wie viele hochsensible Menschen gleichzeitig introvertiert sind. Das liegt einfach in der Natur dieser Veranlagung. Wenn du introvertiert bist, könnte es also gut sein, dass du auch hochsensibel bist, es muss aber nicht so sein. Wenn du den Zusammenhang verstehst und für dich selbst begreifst, ist das eine enorme Hilfe auf deinem Weg zu dir selbst.

      AUFS HÖCHSTE SENSIBEL

      Der Begriff »Hochsensibilität« wird für Menschen verwendet, die über ein besonders sensibles Nervensystem verfügen und intensivere Wahrnehmungen über ihre fünf Körpersinne erleben als Normalsensible. Viele sind ebenfalls hochsensitiv und haben einen ausgeprägten »sechsten Sinn«. Sie spüren die Stimmungen anderer Menschen sehr intensiv, nehmen Veränderungen im Betriebsklima deutlich wahr, haben eine stark ausgeprägte Intuition bis hin zu medialen Fähigkeiten.

      VIEL REIZ – VIEL RÜCKZUG

      Ein überaus sensibles Nervensystem passt nun auch ganz wesentlich zu introvertierten Menschen. Diese sind feinfühliger für Stimulationen jeder Art und benötigen daher zumindest phasenweise eine ruhigere Umgebung, um sich wohlzufühlen und in Balance zu bleiben. Während Extrovertierte auch nach einer längeren Zeit unter vielen Menschen und ohne Zeit für sich selbst noch voller Energie sind, suchen Introvertierte viel schneller nach einer kleinen Auszeit, um sich zu regenerieren. Ein Grund kann in der Hochsensibilität liegen. Intros weisen ebenso wie Hochsensible in vielen Situationen eine höhere Gehirnaktivität auf. Es werden einfach mehr Reize ins Bewusstsein vorgelassen und dort gründlicher verarbeitet. Dies führt natürlich schnell zur Überforderung und zu einer Reizüberflutung. Und selbst wenn schon keine neuen Reize mehr eintreffen, bleibt dieser hohe Aktivitätsstand erhalten. Eine Auszeit ist nun dringend notwendig, damit das nervliche Erregungsniveau absinken kann.

      NUTZE DEIN WISSEN ÜBER DICH SELBST

      Es ist wichtig, nicht gegen die eigene Natur, sondern im Einklang damit zu leben. Da introvertierte und extrovertierte Menschen unterschiedliche Stimuli benötigen, muss jeder für sich die passende Dosis finden: weder zu viele noch zu wenige Reize. Die richtige Stimulation sorgt für maximales Wohlbefinden und höchste Leistungsfähigkeit. Zu wenig wäre langweilig, zu viel überfordernd.

      Stell dir vor, du bist auf einer Party und amüsierst dich prächtig. Doch irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem du dich zurückziehen und nach Hause gehen möchtest, statt die ganze Nacht durchzufeiern. Dann ist es besser, sich zum richtigen Zeitpunkt zu verabschieden und somit einen gelungenen Abschluss zu finden. Wer mich kennt, nickt jetzt mit dem Kopf. Ich habe mir meinen Ruf in diesem Zusammenhang

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