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aufzufordern, gegen Vorschriften zu verstoßen, schlug dem Fass den Boden aus. Was steckte hinter all dem?

      „Hallo Mel, bist du noch da? Erzähl mal, was hat dieser Typ gesagt?“

      Sie berichtete ihm hastig von ihrem Anruf bei Wolter. „Er brachte die Kohle tatsächlich vorbei. Du hättest sein Gesicht sehen sollen, als ich ihm versprach, eine ordnungsgemäße Rechnung auszustellen und Belege für sämtliche Ausgaben vorzulegen. Ich wette, das Geld ist dunkelschwarz!“

      Fred prustete. „Köstlich. Pass auf, ein bisschen was konnte ich über die Brüder recherchieren. Dein Auftraggeber ist als Makler für hochpreisige Immobilien vor allem im norddeutschen Raum bekannt. Ausschließlich Buden im siebenstelligen Bereich. Dabei kann man leicht Schwarzgeld sammeln, meine Liebe. Der Bruder ist freier Übersetzer und Dolmetscher, der in der Welt herumzukommen scheint, sofern man seiner Webseite Glauben schenken darf. Kein Wunder, dass die hessischen Kollegen wenig Lust hatten, der Vermisstenanzeige nachzugehen. Würde mich nicht überraschen, wenn er freiwillig weitergezogen ist und vergessen hat, sich bei Mutti abzumelden.“

      ­Melanie machte sich Notizen. „Wir werden sehen. Das hilft mir auf jeden Fall sehr. Danke dir.“

      „Da nicht für. Immer wieder gerne.“

      Sie legte auf und nahm den Bad Homburger Stadtplan. Schnell fand sie die Neue Mauerstraße, in der sich, und damit mitten in der Altstadt, die Gaststätte Zum Silbernen Bein befand. Ein verrückter Name! Welche Bedeutung er wohl besaß?

      ***

      Das Telefon klingelte.

      „Guten Abend.“

      „Hi, du rufst schon wieder mit einer fremden Nummer an.“

      „Klar. Wie oft muss ich dir noch sagen, dass es wichtig ist, die Telefonnummern regelmäßig zu wechseln. Pass auf. In eurer Umgebung taucht demnächst eine Privatdetektivin auf. Sie heißt ­Melanie Gramberg und soll Jan suchen. Du musst sie im Auge behalten!“

      „Aha, warum? Wir haben mit Jans Verschwinden nichts zu tun.“

      „Das will ich für euch hoffen. Dennoch ist es ratsam, aufzupassen. Die ist clever. Nicht, dass sie bei ihren Recherchen vom Weg abkommt und bei unseren Geschäften landet. Sie wird die Ermittlungen bestimmt im Silbernen Bein beginnen.“

      „Okay, verstehe. Wie sieht sie aus?“

      „Mitte dreißig, circa einen Meter fünfundsiebzig groß, grüne Augen, drahtig, schwarzer Bubikopf. Sei einfach vorsichtig. Und behalte das für dich. Je weniger Bescheid wissen, umso besser.“

      „Glaubst du, sie kommt uns in die Quere?“

      „Hoffentlich nicht. Ich beobachte ihre Schritte von hier aus. Wir tauschen uns regelmäßig aus. Wie läuft es mit dem neuen Kunden? Wie hieß er doch gleich?“

      „­Rosenthal. Schleppend. Einerseits möchte er, andererseits will er ­Sabrina Eskir nicht allein lassen.“

      „Ihr solltet das Mädel loswerden.“

      „Tolle Idee! Und wie?“

      Die Stimme lachte fies. „Sei kreativ! Ich melde mich.“

      Die Leitung war tot.

      18. April

      ­Melanie traf am frühen Nachmittag in Bad Homburg ein. Mit dem Taxi fuhr sie vom Bahnhof aus in die Elisabethenstraße, in der sich das Hotel Homburger Haus befand.

      Sie zahlte, stieg aus und betrachtete das Gebäude. Es stammte aus der Gründerzeit, Elemente der Moderne vermischten sich mit dem Ursprung. ­Melanie nickte anerkennend und trat durch die Eingangstür, wo sie überrascht stehenblieb. Der Fliesenboden im Schachbrettmuster war ein echter Hingucker.

      Sie checkte bei einem freundlichen Angestellten ein, ließ sich einen Stadtplan geben und stieg eine schwarze Holztreppe hinauf in das erste Stockwerk.

      Das Zimmer dominierte ein Boxspringbett. Ihr neues Domizil mit der auf alt getrimmten Einrichtung, zu der die langen, grellroten Vorhänge passten, gefiel ihr sofort.

      Hier lässt es sich aushalten, dachte sie, packte den Koffer aus und schloss Wolters Unterlagen in das im Kleiderschrank eingebaute Schließfach ein.

      Trotz der kühlen Temperaturen klebte die Bluse an ihrem Oberkörper und ihre Lider wurden schwer. Zeit für eine Dusche, obwohl der Gedanke, sich einfach aufs Bett zu legen und eine Weile zu dösen, ebenfalls lockte. Sie widerstand dem Reiz, zog sich aus und stellte sich unter die Brause, deren Wasserstrahl sie so heiß einstellte, bis ihre Haut zu kribbeln begann. Endlich fühlte sie sich wieder einigermaßen frisch und unternehmungslustig.

      Sie hatte bisher keine Idee, wie sie vorgehen sollte. Aus den Unterlagen kannte sie nur die Adresse, an der Jan Wolter bis zu seinem Verschwinden gelebt hatte. Das Haus mitten in der Altstadt gehörte einer ­Sabrina Eskir, die im Erdgeschoss eine Gaststätte betrieb, soviel hatte sie von Pascal Wolter erfahren. Die Wirtin war mit dem Verschwundenen liiert gewesen.

      ­Melanie nahm sich vor, zunächst das Umfeld zu sondieren. Was lag näher als ein unverbindlicher Kneipenbesuch?

      Sie schlenderte durch die Elisabethenstraße bis zur ­Obergasse, folgte dann der Rind'sche-Stift-Straße zu einem Platz, der sich An der Weed nannte.

      ­Melanie schmunzelte. Was der wohl bedeutete? Bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, entdeckte sie das Gaststättenschild Zum silbernen Bein. Sie schaute auf ihr Smartphone und stellte fest, dass das Wirtshaus seit zwei Minuten geöffnet haben musste.

      In ihrem Magen entstand ein leichter Druck, als sie die Neue Mauerstraße überquerte und auf den Eingang zu schlenderte. Sie ließ den Blick über das Gebäude schweifen. Es handelte sich um ein dreigeschossiges, weiß verputztes Doppelhaus. Wie alt mochte es sein? Schwer zu sagen, allerdings wirkte es top renoviert.

      ***

      „Guten Tag“, grüßte ­Melanie den einzigen anderen Gast mit einem Lächeln und ging zu einem Tisch auf der anderen Seite der Gaststube, an dem sie Platz nahm. Der Mann um die Vierzig trug die schulterlangen, blonden Haare in der Mitte gescheitelt. Das dunkelblaue T-Shirt und die Jeans hatten bessere Tage gesehen, auch die schwarzen Lederstiefel wirkten verschlissen. Zwei Narben auf der Stirn und an der rechten Wange zierten sein zerfurchtes Gesicht. Die Bizepse betonten eine durchtrainierte Figur.

      Er grinste ­Melanie an und nippte an einem Bier. „Hi,“ kam der Gruß mit tiefer Stimme zurück.

      Sie sah sich um. Zehn derbe Holztische mit hellbraunen Tischplatten, mit jeweils vier bis sechs dunkelbraunen Holzstühle, verteilten sich im Gastraum. Dazu ein runder Stammtisch, wie der Tischaufsteller verriet, an dem zwölf Personen sitzen konnten.

      Die Wände waren im unteren Drittel mit dunklem Holz vertäfelt, über dem Regale angebracht waren. Neben verschiedenen Bierkrügen standen hellgraue bauchige Keramikkrüge unterschiedlicher Größe mit blauer Musterung, deren Verwendungszweck sich ­Melanie nicht erschloss. Fotos mit Szenen aus der Gaststätte hingen zwischen den Gegenständen. An der Längsseite gegenüber dem Eingang befand sich der ebenfalls holzverkleidete Tresen, rechts davon ein Gang, der zu den Toiletten führte. Aus dieser Umgebung war Jan Wolter verschwunden.

      Ein Schrei riss ­Melanie aus ihren Gedanken. „­Sabrina, Kundschaft!“

      Fast augenblicklich erschien aus einer Tür in der Nähe der Theke eine Frau in ­Melanies Alter. Die feuerroten Haare, die ihr beinahe bis zum Po reichten, ließen das Gesicht schmal wirken. Sie trug ein violettes, knielanges Wollkleid und Chucks.

      ­Melanie erkannte ­Sabrina Eskir, deren Bild sie in den Unterlagen gesehen hatte. Das also war Jan Wolters Lebensgefährtin.

      „Hallo.“ Die Wirtin blickte ­Melanie freundlich an und gab ihr eine Getränkekarte. „Was darf es sein? An Speisen haben wir das, was dort auf der Tafel steht“, erklärte sie und zeigte auf eine Schiefertafel.

      ­Melanie überflog die Angebote. „Ich hätte gern einen Wurstsalat.“

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