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zog er das Tuch über den Körper auf dem Tisch des Hörsaales. Aus einer Porzellankanne goss er sich Wasser in die Handwaschschale und wusch sich gründlich die Hände.

      7.

      Die Braunschweiger Bürger achteten für gewöhnlich kaum noch auf die Kutschen, die vor dem Schloss vorfuhren. Bälle und große Gesellschaften waren viel zu oft nach ihrem Geschmack dort veranstaltet, und die adligen Herrschaften in ihren üppigen Roben lockten sie längst nicht mehr. Heute aber war das etwas anderes. Es hatte sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen, dass der geheimnisvolle Graf von St. Germain in der Stadt weilte und er am heutigen Tage während des Balles den Gästen vorgestellt werden sollte.

      Schon bei Einbruch der Dämmerung drängten sich die Braunschweiger vor dem hohen Gitter, das den Schlossplatz einfasste. Das große Tor in der Mitte war weit geöffnet, und eine Kutsche nach der anderen ratterte vor und fuhr in den Schlosshof, um direkt vor dem erst kürzlich fertig gestellten Mittelbau zu halten. Die Wachen hatten große Mühe, die Bürger vor dem Zaun zu halten, denn immer wieder einmal setzte eine kecke Magd oder auch ein Dienstmädchen ihren Fuß durch das geöffnete Tor, um ein paar Schritte in den Hof zu wagen. Es nutzte ihnen nichts, unbarmherzig wurden sie alle zurückgetrieben.

      Als jetzt die Dunkelheit vollkommen hereingebrochen war und überall die Laternen angezündet wurden, hatte sich die Menge vor dem Zaun auf einige hundert Neugierige gesteigert. Dabei war es ihnen nahezu unmöglich, auf die Entfernung über den Schlosshof auch nur zu erahnen, wer gerade aus einer der prächtigen Kutschen ausstieg, von den Dienern empfangen und in das Schloss geleitet wurde.

      Da ging ein Raunen durch die Menge, und gleich darauf wurden Rufe laut, als eine schwarze Kutsche in schneller Fahrt den Bohlweg aus der Richtung des Hagenmarktes heranjagte. „Das ist er – seht nur die Pferde – ein wahrer Teufelskutscher, wie er sie nur antreibt!“ Tatsächlich hatte die Kutsche etwas Unheimliches – gezogen wurde sie von vier Rappen, der Kutscher hieb mit der Peitsche auf sie ein, obwohl sie schon fast den Vorplatz erreicht hatten. Entsetzt wich die Menge zurück, um die Fahrgasse freizuhalten, und gleich darauf raste das Fahrzeug auch schon an den Wachen vorbei. Gefährlich schwankend passierte es die Torflügel und vollführte gleich darauf einen weiten Bogen, bei dem der Kies auf dem Schlossplatz aufspritzte. Endlich fielen die Pferde aus ihrem rasenden Galopp in den Trab.

      Als die Kutsche anhielt, standen die Tiere wild schnaubend und mit fliegenden Flanken. Der Kutscher zog die Bremse fest, die Diener rissen den Schlag auf, und mit einem kühnen Satz sprang der Graf von St. Germain heraus, um mit ein paar schnellen Schritten den Eingang des Schlosses zu erreichen.

      Natürlich konnten die Zuschauer am Zaun keinen Blick auf seine imponierende Gestalt werfen, dazu war die Entfernung viel zu groß. Aber sein furioser Auftritt mit der rasenden, schwarzen Kutsche sorgte auch so für genügend Gesprächsstoff vor dem Schloss.

      Immer zwei Stufen auf einmal nehmend eilte der Graf die Treppen hinauf, und kaum hatte der Marschall ihn angekündigt, betrat er nach allen Seiten lächelnd und höflich grüßend den Ballsaal.

      Das Geraune im Saal konnte ihm kaum entgehen, als er durch die Reihen zum Herzogspaar schritt, aber er achtete nicht weiter darauf. Der Graf von Saint Germain war heute ganz in dunkelroten Samtstoff gekleidet, geschnitten nach der neuesten Mode, mit einem langen, weißen Baptist-Jabot um den Hals. Es war mit Spitze reichlich besetzt, ein üppiger Luxus, wie der Braunschweiger Hof sogleich bemerkte, denn zum Waschen musste die kostbare Spitze immer abgetrennt und anschließend wieder angenäht werden.

      Neidvoll erkannten die Herren der Gesellschaft mit geübtem Auge den neuen Schnitt seines Oberteils. Das Justaucorps ließ vom Hals ab die Kanten nach hinten verlaufen, dadurch blieb die gesamte Vorderfront frei. Die sonst so beliebten seitlichen Falten verschoben sich weiter nach hinten und gaben der ganzen Erscheinung des Grafen etwas unglaublich Elegantes.

      In Braunschweig trug bestenfalls noch Kammerherr Graf Florian von Osten-Waldeck diese neue Mode. Und so manche der anwesenden Damen bemerkte nicht nur, dass der Graf ungewöhnlich gut aussah, sondern mit einem Seitenblick auf ihren Gemahl, dass es wohl an der Zeit wäre, zum Beginn der Ballsaison den Schneider zu rufen – nicht ohne zuvor die neuesten Modeberichte aus Frankreich und England anzufordern.

      Der Gast des Herzogpaares, über den natürlich auch bei Hof schon die tollsten Geschichten im Umlauf waren, hatte sich indessen elegant und der Etikette entsprechend vor dem Herzogpaar verbeugt und verhielt in seiner keineswegs demutsvoll wirkenden Haltung, bis Herzog Carl Wilhelm Ferdinand ihm huldvoll zuwinkte.

      „Es ist eine Freude, verehrter Graf, Euch in Braunschweig und bei Hofe zu begrüßen. Ihr müsst mir so bald wie möglich von Euren Experimenten berichten. Ich platze vor Neugier und möchte zu gern wissen, ob es Euch gelingt, das Fürstenberger Porzellan zu verbessern.“

      „Es wird mir eine besondere Freude sein, Durchlaucht schon in Kürze das Ergebnis meiner Arbeit vorzulegen. Ich bin überzeugt, dass es mir auf einfache Weise gelingen wird, die Qualität des herzoglichen Kaolins so zu verbessern, dass in naher Zukunft das Porzellan aus Fürstenberg dem aus Meißen gleich gestellt sein wird.“

      „Das ist mein größter Wunsch, wie Ihr wisst, Graf. Alle dazu erforderlichen Mittel sollen für Euch bereit stehen, mein hochgeschätzter Kammerherr hat alles schon veranlasst. Er wird sich nachher mit Euch ins Benehmen setzen, um einen Zeitpunkt zu vereinbaren, an dem ich Ergebnisse erwarte. Aber nun – lasst uns die Erfrischungen probieren, bevor die Musik den Ball eröffnet – und ich bin sicher, dass die Damenwelt Euch gleich darauf in Beschlag nehmen wird.“

      „Nur zu gern, Durchlaucht. Wenn Ihr mir indes zunächst erlaubt, Königliche Hoheit – ein kleines Präsent für Euch!“

      Mit der verblüffenden Geschwindigkeit eines geübten Taschenspielers zog der Graf ein kleines Päckchen aus einer Tasche und überreichte es mit einer erneuten Verbeugung Augusta Friederike Luise von Hannover, Herzogin von Braunschweig-Lüneburg, Prinzessin von Großbritannien. Die hohe Dame war überrascht, nahm aber das Geschenk gern entgegen und schenkte dem Grafen ein bezauberndes Lächeln.

      „Graf von St. Germain, Ihr macht mich neugierig. Sollte es sich bei Eurer Gabe etwa um das berühmte Aqua benedetta handeln, von dem man sich an allen europäischen Höfen wahre Wunderdinge erzählt?“

      „Königliche Hoheit, es ist mir ein Vergnügen, Euch davon ein Flakon zu überreichen, obwohl Ihr bei Eurem zarten Teint derartiger Mittel nicht bedürft.“ Der Graf hatte ein gewinnendes Lächeln aufgesetzt und verbeugte sich wiederum.

      „Sie schmeicheln mir, Graf“, lächelte die Prinzessin von England zurück. „Es gibt durchaus Menschen, die Eure Meinung nicht teilen würden.“ Ein rascher Seitenblick zu Ihrem Gemahl wurde von dem jedoch ignoriert, und die Prinzessin fuhr fort: „Ich bitte Euch um den ersten Tanz, lieber Herr Graf – es wird mir ein Vergnügen sein.“

      „Ganz meinerseits, Königliche Hoheit, und eine unverdiente Auszeichnung. Ich bin nur ein mäßiger Tänzer und werde mich sehr zusammennehmen müssen, um Hoheit nicht zu blamieren.“

      Wie auf ein heimliches Kommando begann in diesem Augenblick die Musik, und Augusta bot dem Grafen ihren Arm. Als das Paar auf die Tanzfläche schritt, verstummten alle Gespräche, und nur hinter den vorgehaltenen Fächern wurde hinüber und herüber gezischelt. Zu dem Menuett von Haydn bewegte sich bald alles, was nicht gerade von Gichtanfällen oder anderen Leiden geplagt sich lieber

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