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aus der Krise rauszukommen“, erzählte der Internist. „Ich bin wahnsinnig stolz auf sie.“

      Dr. Kayser nickte zustimmend. Er kannte die Kinder des Kollegen. „Das können Sie sein“, sagte er.'

      „Kinder sind eine echte Bereicherung des Lebens“, behauptete Dr. Liebig und nahm einen Schluck vom Kaffee. Er trank ihn schwarz mit Süßstoff. „Hatten Sie nie den Wunsch, Kinder zu haben?“

      „Ich liebe Kinder“, gab Dr. Kayser zurück, „aber es hat sich irgendwie nicht ergeben, zu heiraten und eine Familie zu gründen.“

      Dr. Liebig sah ihn scheu an. „Wenn ich zu neugierig bin, müssen Sie das entschuldigen.“

      Sven schüttelte lächelnd den Kopf. „O nein, nein, das ist schon in Ordnung. Es macht mir nichts aus, darüber zu sprechen.“

      „Sie sind fünfundvierzig, nicht wahr?“

      „Ja“, sagte Dr. Sven Kayser.

      „Nun“, meinte Dr. Kurt Liebig, „dann sind Sie ja noch nicht zu alt ...“

      „Also, das wird wohl nichts mehr werden.“

      Dr. Liebig hob die Schultern. „Kann man’s wissen?“

      „Nein, mit Sicherheit wissen kann man es natürlich nie, aber nach menschlichem Ermessen ...“ Sven leerte seine Tasse. „Vielen Dank für den Kaffee. Es ist Zeit für mich, zu gehen.“

      14

      Patrick Winter verließ das Haus schon früh am Morgen. Er verabschiedete sich weder von seiner Frau noch von seiner Tochter. Beide schliefen noch tief, als er in das bestellte Taxi stieg, das ihn zum Flughafen brachte.

      Am späten Nachmittag lieferte Sonja Winter ihre Tochter bei den Kaspareks ab. Sie blieb höflichkeitshalber eine Stunde und verabschiedete sich dann. Sie spielte kurz mit dem Gedanken, das Waldhotel Abel anzurufen und sich mit Thomas zu treffen, ließ das dann aber bleiben. Nicht, weil Patrick es ihr verboten hatte – das wäre ein Grund gewesen, Thomas erst recht zu sehen –, sondern weil Thomas dann vielleicht meinte, sie würde ihm nachlaufen.

      Sie fuhr nach Hause und teilte Frau Trebitsch mit, dass sie in den nächsten Tagen frei habe. „Ich rufe Sie an, sobald ich aus Österreich zurück bin“, sagte Sonja.

      Die Haushälterin freute sich über die geschenkte Freizeit. „Ich werde die Tage bei meiner Schwester am Ammersee verbringen“, strahlte sie.

      „Ich wünsche Ihnen schönes Wetter.“

      „Wünsch ich Ihnen auch, Frau Winter“, gab Frau Trebitsch zurück. Sie ging eine halbe Stunde später nach Hause, und Sonja fing an zu packen – sportliche Kleidung für den Tag und etwas Elegantes für den Abend.

      Als sie mit Packen fertig war, nahm sie ein schönes entspannendes Bad. Kaum lag sie bequem in der Wanne, läutete das Telefon.

      „Nicht jetzt“, murmelte Sonja unwillig. „Wer immer es sein mag – nicht jetzt.“

      Es fiel ihr nicht im Traum ein, die Wanne zu verlassen. Sie ließ es so lange läuten, bis der Anrufer die Geduld verlor und auflegte. Herrlich, diese Stille im Haus! Wohltuend. Balsam für die Nerven.

      Nach dem Bad massierte Sonja eine wohlriechende Body-Lotion in ihre Haut. Sie nahm sich vor, früh zu Bett zu gehen, doch zuvor rief sie noch ihre Mutter an. „Ich möchte dir für morgen alles Gute wünschen“, sagte sie. „Ich habe mit Dr. Kayser gesprochen. Die Operation ist eine Klackssache, davor brauchst du wirklich keine Angst zu haben.“

      „Eine Klackssache. Hat Dr. Kayser das gesagt?“

      „Nun, nicht direkt“, gab Sonja Winter zu. „Ich habe ihn gefragt, ob es ein schwieriger Eingriff sei, und er hat geantwortet: Kaum der Rede wert. Das waren genau seine Worte. Beruhigt dich das?“

      „Ein wenig schon“, seufzte Berta Dietrich.

      „Ich lass bald wieder von mir hören. Mach’s gut. Es wird bestimmt nichts schiefgehen.“

      „Falls“, begann Frau Dietrich zaghaft, falls doch etwas passieren sollte ...“

      „Ach, Mutter!“

      „Schiefgehen kann immer etwas“, sagte Berta Dietrich. „Ich hab’ ein Sparbuch. Es ist nicht allzu viel drauf. Sollte mit mir etwas sein, möchte ich, dass Iris das Geld bekommt.“

      „Natürlich, Mutter. Ganz, wie du willst. Alles Gute noch mal. Ich muss jetzt Schluss machen. Wir sehen uns in ein paar Tagen.“ Sonja legte auf. „Sie fängt an, wunderlich zu werden“, dachte sie laut. „Sie ist zu viel allein. Das ist nicht gut. Sie hätte noch mal heiraten sollen.“

      Ihr fiel ein Mann ein, der sich sehr für ihre Mutter interessiert hatte. Seinen Namen hatte sie vergessen, doch sie wusste noch, dass er sehr nett gewesen war – und sehr wohlhabend, was man ja nicht unbedingt als Fehler ansehen musste.

      Mit ihm wäre ich einverstanden gewesen, dachte Sonja. Ihn hätte ich als Stiefvater akzeptiert.

      Er hatte ein Glasauge gehabt. Vielleicht war das der Grund gewesen, weshalb ihre Mutter seinem Werben nicht nach gegeben hatte.

      Irgendwann war er nicht mehr gekommen, und Mutter hatte ihn nie wieder erwähnt. Sonja wusste bis heute nicht, was den Mann veranlasst hatte, sich nicht mehr bei ihnen blicken zu lassen. Was auch immer vorgefallen sein mochte – danach hatte es kein anderer Mann mehr geschafft, so weit vorzudringen. Männer waren im Hause Dietrich kein Thema mehr gewesen.

      Das Läuten des Telefons riss Sonja Winter aus ihren Gedanken.

      „Hast du schon gepackt?“, erkundigte sich Joachim Aiger.

      „Selbstverständlich“, antwortete Sonja.

      „Ich hab vor Kurzem schon mal angerufen.“

      „Ich war im Bad“, sagte Sonja.

      „Als ich’s dann noch einmal versucht habe, war besetzt.“

      „Da habe ich mit meiner Mutter telefoniert“, erklärte Sonja. „Gibt es irgend etwas Wichtiges, das du loswerden möchtest?“

      „Eigentlich nicht. Nur, dass ich mich schon sehr auf die läge mit dir freue.“ „Ich freue mich auch“, gab Sonja zurück.

      „Bist du allein?“, fragte Joachim.

      „Ja“, antwortete Sonja Winter.

      „Darf ich zu dir kommen?“

      Sie seufzte. „Ach, Joachim, ich bin etwas abgespannt und möchte früh zu Bett gehen. Sei mir bitte nicht böse, wenn ich dir einen Korb gebe, aber wir sehen uns ohnedies morgen und ...“

      „Schon gut“, fiel er ihr ins Wort. „Ich werde eine einsame Nacht verbringen und von den bevorstehenden Tagen träumen. Schlaf gut.“

      „Du auch.“

      „Ich stehe morgen Punkt sieben Uhr früh vor deiner Tür“, kündigte Joachim an.

      „Das ist eine barbarische Zeit!“, protestierte Sonja.

      Doch Joachim Aiger blieb unerbittlich. „Sieben Uhr. Wir wollen doch nicht, dass der ganze Tag

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