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You for Future. Günther Wessel
Читать онлайн.Название You for Future
Год выпуска 0
isbn 9783401808673
Автор произведения Günther Wessel
Жанр Руководства
Издательство Readbox publishing GmbH
Für uns beide zumindest sind diese Argumente alle nicht überzeugend: Sollen wir lieber den Tod von vielen Menschen in Kauf nehmen, als das vage Risiko einzugehen, dass noch mehr Menschen an Europas Grenze stehen könnten? Wägt man die Folgen einer Handlung ab, ist es doch klar, was man tun muss.
Achtung: Hier wird es jetzt etwas theoretisch, aber vielleicht ist es trotzdem interessant: Als bloße Gesinnungsethik würde manch ein Politiker, manch eine Politikerin unsere Haltung bezeichnen. Sie aber stünden in der Verantwortung, die Zukunft zu bedenken. Und aus der Verantwortungsethik heraus müssten sie Seenotrettung ablehnen.
Das Begriffspaar Gesinnungsethik und Verantwortungsethik geht auf den deutschen Sozialwissenschaftler Max Weber (1864-1920) zurück.
Ein Beispiel: Darf man Menschen töten? Gesinnungsethisch würde man das immer verneinen, verantwortungsethisch betrachtet man aber die Umstände genauer: wen und wann? Einen Diktator beispielsweise, um Schlimmeres zu verhindern?
Gesinnungsethik und Verantwortungsethik schließen sich nicht aus. Denn alle verantwortungsvollen oder guten Politiker und Politikerinnen folgen bestimmten Idealen. Die Frage ist nun, ob sie, um diese zu erreichen, eher einer Verantwortungsethik (die Folgen des Handelns bedenken) oder einer Gesinnungsethik (das moralisch Richtige tun) folgen sollten. Weber beantwortet die Frage nicht, auch weil er die Positionen nicht als unvereinbar ansieht. Für ihn muss man im politischen Prozess immer wieder herausfinden, inwieweit man seiner Gesinnung oder aber der Verantwortung folgt. Ist es wichtiger, moralisch richtig zu handeln oder die Konsequenzen der Entscheidung zu bedenken?
Manchmal führt genau dieses Abwägen zum Nichtstun. Die Klimakrise ist ein Beispiel dafür: Seit Jahrzehnten weiß man davon, und gehandelt hat man wenig. Immer war etwas anderes wichtiger: dass genug Autos gebaut und verkauft werden und zuletzt noch, dass 40.000 Arbeitsplätze in der Kohleindustrie subventioniert und dadurch erhalten werden (dabei hat man einige Jahre zuvor die Subventionen für die Solarindustrie gestrichen und damit 80.000 Arbeitsplätze vernichtet).
Als die Kohlekommission der Bundesregierung im Frühjahr 2019 ihren Bericht vorlegte, in dem stand, dass man erst 2038 die letzten Kohlekraftwerke abschalten wolle (was nach Meinung der allermeisten Experten viel zu spät ist), habe ich, Franziska, nur gedacht:
Ich, Günther, der ich auch nicht jünger bin als viele Mitglieder dieser Kommission, finde, dass das ein gemeines Argument ist. Aber es ist eines, das sticht. Genau wie das Argument, dass viele Jugendliche mehr Durchblick in politischen Fragen haben als manch ein Rentner, manch eine Rentnerin – sie aber im Unterschied zu diesen nicht wählen dürfen. Im Kern heißt das ja nichts anderes als:
Auch wenn Jugendliche noch nicht wählen dürfen, haben viele sich entschieden, sich einzumischen. Ihrer Stimme Gehör zu verschaffen, ihre Meinung zu äußern und zu versuchen, die Zukunft mitzugestalten. So, wie zahlreiche andere Jugendliche weltweit.
Wir wollen in diesem Buch ein paar von ihnen vorstellen. Ein paar Bewegungen, in denen Menschen die Welt verbessern wollen. Ein paar Tipps dazu geben, wie Veränderungen erreicht werden können. Anhand von erfolgreichen Beispielen. Wo man sich was abgucken kann, was man tun und was man besser lassen sollte. Warum man langen Atem braucht. Und wir wollen Gespräche anregen – zwischen Jugendlichen und Erwachsenen. Darüber, warum Engagement so wichtig ist, warum es Kraft verleiht, auch wenn es mitunter welche kostet.
Der vielleicht wichtigste Tipp hier schon mal vorweg: Denk daran, dass DU wichtig bist.
Nicht nur berühmte und gefeierte Menschen wie Mahatma Gandhi, Marie Curie, Albert Einstein, Bertha von Suttner oder Nelson Mandela haben Einfluss auf die Geschicke der Welt. Auch du hast es. Auch du kannst dich einmischen und so handeln, dass die Welt besser und schöner wird.
„Inzwischen renne ich von Termin zu Termin, um dann zwischendrin in der S-Bahn einige Mails zu beantworten. Wenn mein altes Handy mit der müden Batterie mitspielt. Heute früh habe ich erst eine Prüfung in der Schule geschrieben, danach ging es zu der Veranstaltung nach Leipzig und jetzt wieder zurück. Abends findet noch ein Treffen mit den anderen Aktiven statt, und nachts, vor dem Schlafen, werde ich die wichtigsten Mails beantworten.
Ein normaler Tag.“
Und es werden noch viele gute Tage folgen.
Alter Songtext. „Die Ärzte“, 2004. Deine Schuld.
Wir wissen schon lange, dass unsere Art zu leben unser Leben selbst bedroht. Seit knapp 50 Jahren warnen uns Forschung und Wissenschaft, dass wir langsam, aber sicher die Welt zerstören, auf der wir leben. Passiert ist seither – nicht viel.
Warnungen, Mahnung, Vorschläge
Schauen wir zum Beispiel auf den Straßenverkehr: Als Günther so alt war, wie Franziska heute ist, also im Jahr 1974, gab es in Deutschland etwa 15–16 Millionen privater Autos. Inzwischen tummeln sich 46 Millionen privater Autos auf Deutschlands Straßen. Das sind dreimal so viele wie vor 45 Jahren. Und es werden immer noch mehr und immer noch größere. Dabei ist Deutschland in dieser Zeit nicht dreimal so groß geworden. Es wurde nur immer mehr mit Straßen zugebaut.
Im Berufsverkehr sitzen durchschnittlich weniger als 1,1 Personen in einem Auto – warum diese Autos vier bis sieben Sitze haben, ist da nicht einfach zu erklären. Und auch nicht, warum man 300 PS braucht, um sonntags Brötchen zu kaufen.
Das ist nicht schön. Es ist auch nicht schön, dass man heute auf fast keiner Straße mehr spielen kann. Dass sich vor Grundschulen am Morgen die Autos knubbeln, wenn alle Eltern ihre Kinder dorthin bringen, weil es zu gefährlich ist, die Kinder allein mit dem Rad zur Schule fahren zu lassen. Die Begründung, warum es gefährlich ist, ist interessant – weil es nämlich zu viele Autos gibt.
Es ist nicht schön, dass man bei Wanderungen in Deutschland gefühlt alle 15 Kilometer auf eine Autobahn trifft, dass wundervolle Landschaften durch Autobahnbrücken zerschnitten werden (wie es im Tal der Mosel passiert), dass Städte unter Feinstaubbelastung und Lärm leiden. Allein das deutsche Autobahnnetz umfasst heute 13.009 Kilometer, was nicht ganz der Strecke von Lissabon (Portugal) nach Wladiwostok (Russland) entspricht. Das ist knapp ein Drittel des Erdumfangs.
Man kann natürlich auch so tun, als sei das ein Naturgesetz: viele Straßen und viele Autos. Die Menschen wollen das eben so, ist die Antwort, die man dann gern hört. Oder: Wir können doch den Menschen nicht das Autofahren verbieten. Oder: Die Menschen brauchen ihre Autos.