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ein größeres Unterfangen, da es sich bei dem Wasser, was ich erhielt, um ein ungewöhnlich stinkendes, gefiltertes Regenwasser handelte. Ja, diese Plörre war tatsächlich das einzige Wasser, das es dort gab — so schwitzte ich mehr, als ich trank und wurde zum Glück darüber nicht noch krank. Das Getränk stank nicht nur widerlich, sondern schmeckte zudem fürchterlich und dennoch gab ich mich gedanklich damit zufrieden, weil es immer noch besser war, als Salzwasser zu schlucken. Ich war einfach froh, am Leben zu sein und nahm mir deshalb fest vor, mich nicht mehr mit solchen belanglosen Dingen zu beschäftigen. Ja, dieses traurige Erlebnis, so paradox es vielleicht klingen mag, stimmte mich weitaus friedlicher. Bis mich an einem sehr heißen Vormittag, als ich mit beiden Händen im Gestrüpp herumwühlte, doch tatsächlich eine Spinne in den Arm biss. Schnell ließ ich alles liegen, rannte sofort zum Haus und betete vor mir her: Na hoffentlich war das keine giftige Spinne …

      „Mich hat eine Spinne gebissen!“, raunte ich in Richtung Haustür. Wenige Augenblicke später versammelte sich die halbe Familie um mich herum. Natürlich mussten sie mich zunächst beruhigen und schauten während der vielen auf mich niederprasselnden Worte völlig entspannt auf meinen Arm, welchen sie fürsorglich musterten, inwieweit der Spinnenbiss welche Reaktion zeigen würde. Und jene Ruhe der Aussiefamilie übertrug sich zum Glück auf mich und nach vielleicht zwei vergangenen Minuten entschieden sie einstimmig, dass der Biss wohl harmlos sei. Meine Furcht verflog und zudem drückte mir die Hausdame ein äußerst wässriges Wassereis in die Hand. Wahnsinn, schon der zweite Schocker hier in Australien … was soll mir das bloß sagen?

      Nach einer halben Stunde durfte ich meine Handschuhe wieder überstreifen und wurde mit dem Spruch „Take it easy“ zurück zum Gebüsch beordert. An dieser Stelle verdrückte ich mir aber das vielleicht zu diesem Zeitpunkt normal einsetzend aufgesetzte Grinsen, glotze dafür etwas komisch und stolperte schließlich übervorsichtig zurück ins Gestrüpp. Zum Glück hatte mich jedoch jener Schreck um den Spinnenbiss herum trotzdem davon abgehalten, dem Abenteuer auf der Farm vorzeitig zu entfliehen, denn es handelte sich insgesamt um sehr interessante Tage mit vielen lehrreichen Erfahrungen. Gerade die haarsträubende Begegnung mit dem Getier empfand ich im Nachhinein sogar als Gewinn, da ich ab diesem Zeitpunkt mit noch wachsameren Augen durch Australien pilgerte und jeden Morgen, bevor ich in meine Schuhe schlüpfte, den Tipp der Aussiefamilie nun auch ernst nahm und meine Schlumpen auf Spinnen untersuchte.

      Ja, die zehn Tage in „Gefangenschaft“ im Eukalyptuswald vergingen trotz der wenigen freizeitlichen Abwechslung recht schnell. Nachdem ich auch das Farmabenteuer überlebt hatte, hockte ich mich in einen Bus und machte mich auf den Weg nach Brisbane. Auf dieser Strecke zurück in die Zivilisation erblickte ich zum ersten Mal eine ganze Kängurufamilie an der Straße entlanghoppeln. „Juhu, ich bin wirklich in Australien!“ Aber die kurze Freude über die Tierfamilie hielt leider nur ein paar Augenblicke, denn schon wenige Wimpernschläge später übermannte mich abermals das sehr unangenehme Gefühl des Alleinseins und blitzartig schossen sogar Gedanken in mein Hirn, vielleicht doch schon verfrüht zurück nach Deutschland zu fliegen. Diese Grübeleien überkamen mich ab und an und dennoch war ich froh, weil der Bus in Brisbane und nicht in Frankfurt hielt. Schnell schnappte ich mir meinen Rucksack und war gerade dabei, mich auf die Suche nach einem Hostel zu begeben, als der Busfahrer mir noch Folgendes mit auf den Weg gab: „Zur Orientierung in Brisbane dienen im Stadtkern Frauensowie Männernamen. Die Straßen mit Männernamen verlaufen von Nord nach Süd, und von West nach Ost das sind die Wege mit Frauennamen.“

      Mit diesen Worten verabschiedete sich der Fahrer von mir und ich begab mich entlang der Männer-Straßennamen zu irgendeinem Hostel. Es dauerte eine Weile, bis ich dann eine Unterkunft gefunden hatte und mich sofort nach dem Check-In völlig überhitzt sowie mit glühend rotem Kopf auf mein Bett in ein Viermannzimmer schmiss. Zu diesem Augenblick war es zwar erst früh am Abend, jedoch hoffte ich darauf, vor den drei anderen Menschen einzuschlafen, welche ganz offensichtlich durch den vielen herumliegenden Müll ins Zimmer stürzen würden.

      Noch war ich alleine, aber ich fand trotz der Stille im Zimmer einfach keine Ruhe, da mich zu viele Gedanken ärgerten, die mich natürlich vom Schlafen abhielten. Wegen dieser Unruhe in meinem Körper lag ich Stunden später immer noch wach herum und glotzte zum Gitterrahmen an das Doppelstockbett über meinem Kopf. Bis schließlich die Ruhe in der Kammer zusätzlich durch meine Mitbewohner gestört wurde, die in unregelmäßigen Abständen in den kahlen Raum reinplatzten, worauf ich erst recht krampfhaft versuchte, meine Augen zu schließen. Irgendwann waren sie dann alle da, lagen irgendwann in ihren Betten und irgendwann hatte dann endlich auch der Letzte das Licht ausgeknipst. Aber ehe das passierte, begann bereits der Erste, kurz darauf der Zweite und natürlich zu all dem Übel noch irgendwann der Dritte mit dem gruseligen Geräusch des Schnarchens. Wie soll ich hier denn pennen? Das kann doch echt nicht wahr sein! Die Nacht hätte ich mir wirklich sparen können, denn es gab keinen einzigen Moment, an dem nicht irgendeiner von den drei Schnarchnasen mal keine Geräusche von sich gelassen hatte. Doch nach einem weniger schönen Augenblick folgt ja meist wieder ein positiver und so strahlte ich über beide Ohren, als ich am nächsten Tag eine E-Mail von meinem einzigen Cousin in meinem Posteingang entdeckte. Robert studierte zu dieser Zeit an einer Universität in Brisbane, teilte sich mit seiner Freundin für diesen Zeitraum eine kleine Wohnung in der Stadt und freute sich schon auf meinen Besuch. Sobald ich seine Zeilen gelesen hatte, ging es mir von ein auf den anderen Moment schon viel besser und das beklemmende Gefühl des Alleinseins hatte sich in diesem Augenblick von mir verabschiedet.

      So machte ich mich fröhlich auf den Weg in die sonnige Stadt, hockte mich bis zum Abend an den Brisbane River und beobachtete den Umgang der Menschen untereinander. Als ich dann wieder zurück ins Hostel kam, waren sie plötzlich auf einmal alle da — die netten Leute, die ich um mich herum vermisst hatte. Ja, sie waren bereits in meiner Nähe in eben jenem Schnarchkonzert Hostel. Und die meisten von denen reisten auch alleine durch Australien und suchten wie ich nette Begegnungen, deshalb schlossen wir uns zu einer Gruppe zusammen, spielten Fußball, schmissen uns Frisbeescheiben vor die Köpfe oder tanzten gemeinsam auf ein paar Partys. Auf diesem Weg zogen plötzlich die Tage in einer rasenden Geschwindigkeit an mir vorbei und das mich kurz zuvor so bedrückende Gefühl des Alleinseins hatte sich komplett verflüchtigt. Aber unglücklicherweise verschwanden in einem ähnlich erschreckenden Tempo die Moneten aus meinem Geldbeutel und somit war der Zeitpunkt für mich in mehrfacher Hinsicht einfach perfekt, um ein paar Tage bei meinem Cousin unterkommen zu dürfen. Robert nahm mich damals mit zu seiner Uni, wir gingen schwimmen, kochten und hatten einfach eine tolle Zeit zusammen. Für meinen letzten Abend und quasi als Abschiedsgeschenk organisierte mein Cousin einen Grillabend bei sich im Garten und lud dazu ein paar Nachbarn sowie Freunde ein. Es floss reichlich australisches Bier in meinen Körper und dazu gesellten sich auch einige Stücke von totem Känguru in meinen Magen. Ja, irgendwie schien sich beides nicht so richtig miteinander zu vertragen, denn in der kommenden Nacht ging es mir sehr schlecht. Selten lag ich im Bett, stattdessen hüpfte ich öfters vernebelt zum Bad und kniete vor der Toilette …

      Am nächsten Morgen schlich ich aus diesem Grund mit gesenktem Kopf und bei brütender Hitze zum Bus. Ich wäre aber am liebsten einfach im Bett geblieben, doch hatte ich bereits einer freundlichen Stimme am Telefon versprochen, an genau diesem Tag bei ihr zu erscheinen. Darum quälte ich mich, immer wieder stützend, entlang etlicher Hauswände, zur Bushaltestelle und erreichte kreidebleich im letzten Moment den wartenden Greyhound Bus. Die Fahrt in die nur 130 Kilometer entfernte Stadt namens Noosa dauerte zum Glück nur drei Stunden, was mein Magen gerade noch so verkraften konnte. An der dortigen Haltestelle empfing mich eine ältere Dame und drängte mich euphorisch in ihren uralten Jeep. Danach ging es raus aus Noosa, über sandige Schotterpisten und in die absolute Einsamkeit. Als wir schließlich die Farm der Frau erreicht hatten, gesellte sich zu meiner unangenehmen körperlichen Verfassung noch ein fast ebenbürtiges ungutes psychisches Gefühl. Irgendwie mochte ich diesen einsamen Ort von Anfang an nicht besonders und wusste schon bei der Ankunft, dass ich wahrscheinlich nicht viel Zeit auf dem derartigen Grund und Boden verbringen wollen würde. Die Hütte der Dame mitten im „Märchenwald“ erinnerte mich sofort an das Hexenhaus bei Hänsel und Gretel, doch die zwei Geschwister waren nicht da und so fragte ich mich, welche Versuchung an diesem Platz wohl lauern würde …

      Ich schwitzte und fühlte mich noch immer kreidebleich, aber die ältere Dame zeigte keinerlei

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