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der den Meerschweinchenkäfig ordentlich zum Vibrieren brachte. Herrn Purzel gefiel‘s. Wir versprachen uns ewige Treue. Doch kam es erstens wie es kommen musste, und zweitens anders als ich dachte. Mein Kumpel hielt sich nicht an unsere Abmachung, denn eines Morgens, als ich in den Käfig fasste, hielt ich einen kalten, harten Klumpen in der Hand. Völlig starr und regungslos glubschten mich seine riesigen, unbeweglichen Augen an. Herr Purzel hatte sein Wort gebrochen und sich vom den Acker gemacht. Die arme, kleine Meersau. Tot. Und ich? Verlassen, von meinem besten Freund.

      Jahre später als junge Frau hatte ich durchaus Visionen, wie ich von dieser Erde abtreten wollte. Nach einem erfüllten Leben im Alter von vielleicht so 90 geschmeidigen Lenzen, einer glücklichen Ehe, mit Kindern und Enkelkindern.

      In meiner Phantasie erlaubte ich mir ein paar kleine, altersbedingte Zipperlein, aber die große, leidende Krankheit wünschte ich mir nicht. Wenn schon sterben, dann kurz und knackig. Vielleicht ein Sekundentod: Umfallen und nichts mehr damit zu tun haben. Ja, so würde es mir passen, wenn es denn schon sein muss. Wenn ich ehrlich bin, habe ich mich nicht ernsthaft mit dem Thema auseinandergesetzt. Es war mir auch egal. Ich war jung, da ist die Vorstellung, dass man selbst einmal alt und gebrechlich werden könnte, ganz weit weg. Der Tod als solches fand bis dahin keinen Platz in meinem Leben. Doch es sollte anders kommen…

      Jetzt, 35 Jahre später, ist meine Idee, wie mein Leben auszusehen hat, glücklicherweise in Erfüllung gegangen. Ich habe einen wunderbaren Mann, zwei fabelhafte Kinder und eine reizende Stieftochter mit zwei süßen Enkeln. Die angedachten 90 Jahre Lebenszeit sind nicht mehr arg weit weg, wenn ich bedenke, wie schnell die letzten Jahre vergangen sind. Mit zunehmendem Alter bekommt man nicht nur Falten, sondern auch eine andere Wahrnehmung. Es hat sich einiges in meiner persönlichen Einstellung geändert. Ich merke, die Zeit geht auch an mir nicht spurlos vorüber. Beim Ausfüllen der Online Formulare muss ich im Feld für das Geburtsjahr inzwischen soweit nach unten scrollen, dass ich bis dahin vergessen habe, was ich eigentlich wollte. Als meine sechsjährige Enkeltochter die Schallplattensammlung meines Mannes entdeckte, rief sie bewundernd: „Oma, ihr habt aber große CDs!“ Mal sehen was sie sagt, wenn ich ihr den alten Kassettenrekorder zeige…

      Grundsätzlich war mein damaliger junger Gedanke vom Tod und Sterben ja nicht verwerflich. Einfach umfallen, keine Schmerzen haben und sich um nichts und niemanden mehr kümmern müssen. Ja, und schnell sollte es gehen, wenn es denn schon sein muss.

      Mit dieser Illusion bin ich nicht allein. Viele Menschen denken so. Die Idee vom schnellen Abschied kommt wahrscheinlich daher, dass sich die meisten Menschen heutzutage nicht mehr mit dem Tod auseinandersetzen. In der modernen, hektischen Zeit hat der Tod keinen Platz. Vieles muss dynamisch, erfolgreich und vor allem schnell sein. Alles Attribute, die in den meisten Fällen dem Tod und dem Sterben nicht zugeordnet werden können. Er passt einfach nicht in unseren Zeitgeist, der langsame Tod.

      Nichts in dieser Welt ist sicher, außer dem Tod und den Steuern

      - Benjamin Franklin -

      * “Rendezvous m it Joe Bl a ck“ ist ein US-ame rikanisc her S pielfilm des Regisseurs Martin Brest aus dem Jahr 1998, in demder Tod in menschlicher Gestalt ein en sterbenden Milliardär bittet, ihm zu helfen, das Leben kennenzulernen. Der Film startete am 14. Januar 1999 in den deutschen Kinos.

      Aus die Maus!

      Fakt ist, 95% der Menschen in Deutschland erleben den Tod bewusst.1) Wer bei den restlichen 5% nicht dabei ist, wird voraussichtlich die andere Seite d es Sterbens kennenlernen. Aus die Maus und einfach tot umfallen passiert dagegen recht selten. Tatsächlich ist es nur ein kleiner Teil der Menschheit, die den plötzlichen Tod sterben. Di e Wahrscheinlichkeit, da ss Sie und ich zu denjenigen gehören, die eher langsam den Löffel aus der Hand geben, ist rein statistisch gesehen ziemlich groß.

      Welches Schicksal uns ereilt, ob wir schnell oder langsam sterben – wir wissen es nicht. Eines ist aber todsich er. Wir werden es früh er oder später erfahren. Mal Hand aufs Herz, wir wisse n doch alle, dass wir ster ben. Aber wirklich glauben möchte es keiner.

      Schon verrückt: Wenn es um das Sterben und um den Tod geht, bene hmen sich manche Erwachsene wie kleine Kinder beim Verstecken spielen. Einfach die Augen zu halten und schon sieht mich der Tod nicht mehr. Tja, da muss ich Sie enttäuschen, das klappt wirklich nur im Kindergarten.

      Wenn Sie Ihre Umwelt nur noch in der horizontalen Lage wahrnehmen können, wird es vermutlich recht knapp, um die anstehenden Dinge zu regeln. Die Karten werden neu gemischt, auch wenn es uns nicht passt. Das Schicksal hat seinen eigenen Plan. Da können wir dagegen steuern so viel wir wollen. Ehrlich gesagt, mir passt das auch nicht, aber die Statistik belegt es.

      Ich bin dann mal weg.

      Nehmen wir einmal an, Sie sind bei den wenigen die einen überraschenden Tod sterben. Das würde bedeuten, dass Sie Ihre Familie, Ihre Freunde, Ihre Lieblingsmenschen von einer Sekunde zur nächsten zurücklassen.

      Ohne ein Wort des Abschieds, ohne Vergangenes zu klären. Vielleicht sind da persönliche Dinge, Angelegenheiten zu regeln oder der Wunsch nach Versöhnung, einer liebevollen Umarmung. Es gibt eventuell ein letztes Geheimnis, das Sie mit jemandem teilen möchten, um Ihr Herz zu entlasten. Denn wer möchte sich schon mit einem schweren Herzen auf den Weg in das unbekannte Nirwana machen? Mit einem Rucksack voll schlechtem Gewissen am Buckel läuft es sich nun mal recht unbequem, und diese Last am Ende loszuwerden, ist für viele enorm wichtig. Vermutlich wird mir deshalb so manche unausgesprochene Wahrheit oder Lüge am Krankenbett anvertraut.

      Immer wieder stelle ich fest, dass sich Menschen nicht selbst verzeihen können. Verpasste Chancen, zu viel Egoismus, unausgesprochene Worte, Selbsthass und die bittere Erkenntnis, das falsche Leben gelebt zu haben. All das sind die Dinge, die bereut werden und bis zur letzten Minute belasten. Manchmal hilft es, sich noch einmal auszusprechen. Ob beim Partner, Freund, Seelsorger oder Hospizhelfer. Egal, hauptsache Altlasten loswerden.

      Niemand kennt den Tod, es weiß auch keiner, ob er nicht das größte Geschenk für den Menschen ist. Dennoch wird er gefürchtet, als wäre es gewiss, dass er das schlimmste aller Übel sei.

      - Sokrates -

      Wer länger lebt, ist später tot

      So auch Frau Reim, selbst ernannte Feng Shui Expertin, mit einer beginnenden Demenz. Die starke Diabetes machte ihr zu schaffen und seit Jahren kämpfte sie mit heftigen Herzproblemen. Ich besuchte sie im Seniorenheim während meiner Ausbildung zur Hospizhelferin.

      Ein schrulliges kugelrundes Menschlein mit struppigen roten Haaren, langen schwarzen Wimpern und blitz-blanken Zähnen. Ein süßes unbeholfenes Lächeln empfing mich, wenn ich in ihr Zimmer kam. Schon an der Kleidung konnte man ihre esoterische Art erkennen und jeder Besuch bekam lieb gemeinte Feng Shui Tipps. „Heute sagt mein Mondkalender, dass ich nach Süden schauen soll. Da bekommt man schöne Haut und das tut den Füßen gut. Der Süden. Den Füßen.“

      Das Zimmer gemäß dem Mondkalender regelmäßig umzubauen, war ihre große Passion. Und so, wie der Mond wanderte, schob sie ihre Möbel passend durch den Raum. Mal stand der kleine Tisch in der einen Ecke, mal das Bett auf der anderen Seite. „Der Chi-Fluss ist wichtig. Ganz wichtig. Da muss man flexibel sein. Immer in Bewegung“, so ihre fachkundige Begründung. Eine weitere Leidenschaft waren aufdringlich duftende Räucherstäbchen. Unablässig qualmend hüllten sie das Zimmer in einen grauen Schleier und ließen sich nur schwer mit dem sterilen Geruch des Seniorenheims in Harmonie bringen.

      „Vorsicht! Nicht in den Bereich vom Drachen setzen, bringt Unglück, wissen Sie. Nicht zum Drachen. Steht hier im Buch, da drinnen.“ Stolz hielt sie mir ihr Feng Shui Buch unter die Nase. Ich respektierte ihren Wunsch, die daoistische Harmonielehre aus China zu beachten und setzte mich auf den Hocker, der in der Nähe des Bettes stand. Windspiele bimmelten aufdringlich am Fenster und unaufhaltsam plätscherte ein Zimmerbrunnen, was zur Folge hatte, dass ich ständig aufs Klo musste. „Wissen Sie, Frau Frey, ich bin schon so lange auf der Welt. So lange. Ich habe den ganzen bösen Krieg noch gesehen. Hab ich gesehen. Aber es ist gut, wenn man so alt wird wie ich. Dann bin

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