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wenn ihre Auswanderung der Gestapo gesichert erschien. Auch wurden jetzt die Betriebe und das Vermögen der Juden umgehend enteignet.

      Anfang 1939 schaffte das Ehepaar nach hektischen Aktivitäten, die einer Flucht glichen, die Emigration in die Niederlande und lebte in Groningen im Hause der Tochter Käthe und des Schwiegersohnes Dr. Alfred Löwenberg, der dort seit 1937 eine Arztpraxis betrieb. Hier wohnte auch die 1931 verwitwete Mutter des Schwiegersohns, Bernhardine (Dini) Löwenberg geb. Josephs (1878 Jever – 1961 Groningen). Gegenüber der niederländischen Regierung hatte sich Dr. Löwenberg verpflichtet, die Aufenthaltskosten des Ehepaars Gröschler zu tragen. Nur so war es möglich gewesen, die Einreiseerlaubnis zu erhalten.

      Nach dem Überfall auf Polen und dem Kriegsbeginn im September 1939 lebten die Gröschler-Löwenbergs in der ständigen Sorge, dass die Deutschen auch die Niederlande okkupieren würden. Man war über die sich laufend verschärfenden Maßnahmen und Verbrechen gegen die Juden in Deutschland und Polen gut informiert. Am 10. Mai 1940 marschierte die deutsche Wehrmacht unter Bruch des Völkerrechts in die Niederlande ein. Alle fünf Familienmitglieder flohen unmittelbar nach Bekanntwerden der Nachricht hinter die als uneinnehmbar geltende „Wasserlinie“, ein unterhalb des Meeresspiegels liegendes Gebiet, das durch Öffnung der Schleusen geflutet werden konnte und so die westlichen Teile der Niederlande hätte abriegeln sollen. Jedoch bereits am 14. Mai 1940 kapitulierten die Niederlande. Die Hoffnung, nach England zu entkommen, zerschlug sich. An den Häfen herrschten tumultartige Zustände.

      Nach einem Zwischenaufenthalt in Amsterdam kehrten die Familien notgedrungen nach Groningen zurück. Obwohl die deutschen Militärbehörden zunächst beruhigende Erklärungen abgaben, kam es bald und zunehmend auch in den Niederlanden zu Diffamierungen, Isolierungen und Ausgrenzungen der Juden, wie sie das Ehepaar Gröschler bereits aus Deutschland kannte. Ein Teil der niederländischen Bevölkerung, vor allem Angehörige der NSB (Nationaal-Socialistische Beweging), beteiligte sich daran, jedoch die große Mehrheit – darauf weist Änne Gröschler an mehreren Textstellen hin – übte symbolisch und auch aktiv Solidarität.

      Im Frühjahr 1942 wurde der Schwiegersohn wegen einer Denunziation unter dem Verdacht des Devisenvergehens in Untersuchungshaft genommen. In dem darauf folgenden Gerichtsverfahren stellte sich zwar seine Unschuld heraus, doch wenige Tage später erhielt er den Gestellungsbefehl zu einem Arbeitseinsatz in einem der Arbeitslager für Juden in den Niederlanden. Über die Bedeutung eines solchen Befehls machte sich niemand Illusionen. Löwenberg tauchte mit seiner Ehefrau in einem Versteck unter, das ein im Widerstand tätiger Patient, ein Sozialdemokrat, organisiert hatte. Aus Sicherheitsgründen hatten sie die Eltern nicht informiert, gleichzeitig aber dafür gesorgt, dass auch ihnen die Möglichkeit zum Untertauchen gegeben wurde. Als im Juli 1942 die ersten Deportationen von Westerbork nach Osteuropa einsetzten, überzeugte Änne Gröschler ihren Ehemann, von diesem Angebot Gebrauch zu machen. Sie kamen über einen Vertrauensmann des Widerstands bei einem Arbeiterehepaar in Groningen unter, wo sie sich in einem kleinen Dachzimmer verstecken konnten. Im Oktober 1942 wurden sie bei einer Hausdurchsuchung von der Polizei entdeckt. Die Umstände deuten auf Verrat, doch konnte der Sachverhalt nie aufgeklärt werden, obwohl er nach der Befreiung der Niederlande von der Polizei untersucht wurde.

      Beide Eheleute kamen getrennt in das Gefängnis von Groningen, wo sie die Gestapo besonders hinsichtlich des Aufenthaltsortes des Schwiegersohns verhörte. Am 12. November 1942 wurden sie in das Durchgangslager Kamp Westerbork überführt. Das südlich von Groningen in der Provinz Drenthe gelegene Lager war im Februar 1939 von der niederländischen Regierung für die Internierung von aus Deutschland geflohenen Juden eingerichtet worden, die keine gültigen Einwanderungspapiere besaßen. Zum Zeitpunkt der deutschen Okkupation lebten hier nur etwa 750 Personen. 1942 übernahm die SS das Lager, das interne Selbstverwaltungsstrukturen aufwies, von der niederländischen Verwaltung. Nach einer erheblichen Erweiterung fungierte Westerbork ab Juli 1942 als Durchgangslager für die Deportation der Juden aus den Niederlanden in die Vernichtungs- und Konzen­trationslager. Insgesamt 97 Transporte sind dokumentiert.

      Das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) in Berlin gab Datum, Ziel und Anzahl der Personen vor. Der SS-Kommandant von Westerbork war für diese Vorgaben verantwortlich und setzte sie unerbittlich durch. Die konkrete Ausfüllung der Transportlisten lag jedoch in den allermeisten Fällen in den Händen der jüdischen Lagerleitung. Ziele waren überwiegend die Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau (65 Transporte, 57.800 Menschen) und Sobibor (19 Transporte, 34.313 Menschen), außerdem Sonderlager wie die Konzentrationslager Bergen-Belsen und Theresienstadt. Die Transporte erfolgten 1942 in der Regel zweimal wöchentlich am Dienstag und Freitag, in den Jahren danach fast jeden Dienstag und zuletzt in unregelmäßigen Abständen. Die Züge fassten meist um die 1.000, manchmal bis zu 3.000 Menschen. Lediglich etwa 5.000 der 107.000 von Westerbork deportierten Juden überlebten das NS-Lagersystem.

      In dieser Zeit waren Zehntausende in Westerbork gefangen, mit unterschiedlicher Aufenthaltsdauer. Jeder hatte nur den einen Gedanken, dem Arbeitseinsatz im Osten, wie die Nazis den Abtransport in die Gaskammern umschrieben, zu entgehen. Zwar war niemandem die gesamte Ungeheuerlichkeit des industrialisierten Massenmords bewusst, doch war das Wort „Polen“ ein Synonym für großen Schrecken und sicheren Tod, wie der Bericht von Änne Gröschler zeigt. Für den unerbittlich kommenden Transporttag hatte die jüdische Lagerleitung jeweils rund 1.000 Menschen auszusuchen. Ein grausames System versprach all denjenigen Aufschub, die auf einer der immer wieder kursierenden „Vorzugs-Listen“ geführt wurden. Diese verloren dann aber plötzlich ihre Gültigkeit, doch konnte eventuell eine neue Rückstellung beantragt werden. „Vorteile“ hatte auch, wer für die Funktionsfähigkeit des Lagers als unentbehrlich erachtet wurde oder über Beziehungen verfügte. Wer durch die Maschen fiel, musste mit Deportation rechnen. Auch das Ehepaar Gröschler stand zweimal auf der Liste, wurde dann aber kurz vor der Abfahrt des Zuges wieder zurückgestellt.

      Änne und Hermann Gröschler kamen schließlich auf eine Liste, die im Gegensatz zu vielen anderen eine Perspektive auf Rettung besaß, die sogenannte Palästina-Liste. Das Auswärtige Amt in Berlin hatte 1942 dem Reichsführer SS, Heinrich Himmler, vorgeschlagen, Juden mit Beziehungen zu Feindstaaten von der Deportation zurückzustellen und sie in einem besonderen Lager zusammenzufassen. Sie sollten zum Austausch für in Feindstaaten internierte Deutsche zur Verfügung stehen. Auch der Aspekt Austausch gegen Devisen spielte nach der strategisch verheerenden Niederlage von Stalingrad Anfang 1943 zunehmend eine Rolle. Austauschfähige Juden, zumal solche, die noch nicht Augenzeugen des Holocaust geworden waren, fand man zu diesem Zeitpunkt vor allem noch in den Niederlanden. Als Lager für die sogenannten „Austauschjuden“ rüstete 1943 die SS das bisherige Kriegsgefangenenlager Bergen-Belsen bei Celle zu einem Konzentrationslager um, in das bis zum Herbst 1944 etwa 4.000 Menschen zum Zweck des Austausches verschleppt wurden.

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      5 | Hedwig Gröschler geb. Steinfeld war eine Cousine von Änne. Ihr Ehemann Julius war der Bruder von Hermann. Die Söhne Hans (Herbert Gale/links) und Fritz (Frank Gale) flohen Ende 1938 mit einem Kindertransport nach England. Ihre Eltern wurden 1944 in Auschwitz ermordet. Jever, Albanistraße, um 1935.

      Am 1. Februar 1944 kam das Ehepaar Gröschler in einem Transport von 908 Personen in dieses offiziell „Aufenthaltslager“ genannte KZ. Hier starb der bereits kranke Hermann Gröschler am 16. Februar an Herzversagen, der erst 63jährige war den jahrelangen Qualen und Demütigungen nicht mehr gewachsen. Von den etwa 1.300 Inhabern des Palästina-Zertifikats wurden am 26. April 272 Personen für einen ersten Austausch ausgewählt, darunter auch Änne Gröschler. Die Zahl wurde Ende Mai 1944 auf 222 reduziert. Die Gruppe bezog eine abgesonderte Baracke, in der sie sich auf Palästina vorbereiteten konnte. Nach der Absage des ursprünglichen Termins und Wochen langen Wartens, in denen es häufig den Anschein hatte, die Aktion würde wohl gar nicht mehr zustande kommen, konnte die Gruppe schließlich am 30. Juni 1944 das Konzentrationslager verlassen. Über Nürnberg, Wien, Budapest, Sofia, Istanbul, Aleppo und Beirut erreichte der Transport schließlich am 10. Juli 1944 die Stadt Haifa in Palästina. In Wien, Istanbul und Aleppo wurden jeweils die Züge gewechselt; den Bosporus überquerte ein Ausflugsdampfer, der die Zeit bis zur Abfahrt des Zuges auf der asiatischen Seite von Istanbul mit einer mehrstündigen Rundfahrt überbrückte. Schon während der kurzen Aufenthalte in

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