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Todesstrafe - Der zweite Fall für Schmalenbeck und Paulsen. Brigitte Krächan
Читать онлайн.Название Todesstrafe - Der zweite Fall für Schmalenbeck und Paulsen
Год выпуска 0
isbn 9783347097117
Автор произведения Brigitte Krächan
Жанр Триллеры
Издательство Readbox publishing GmbH
„Ich komme mit“, meldete sich Kai zu Wort.
„Heute Morgen waren die meisten schon zur Arbeit. Da wir jetzt die ungefähre Tatzeit kennen, kann ich noch einmal konkret nachfragen, ob jemand in der Nachbarschaft etwas Ungewöhnliches gehört oder gesehen hat. Die Überwachungskameras habe ich schon heute Morgen gecheckt, leider Fehlanzeige. Zu parkenden Autos konnte auch niemand etwas Konkretes sagen. Darauf achtet keiner, zumal es sonniges Wetter war und dort dann immer mal wieder fremde Wagen parken. Gäste, die beim Nachbarn zum Grillen eingeladen sind oder Besucher des jüdischen Friedhofes in Langenfelde. Auch zum Spazierengehen oder Angeln am Ziegelteich kommen die Leute mit dem Wagen. Noch nicht einmal das Auto mit dem Logo des Pizzadienstes ist am Donnerstagabend aufgefallen. Aber einige sagen, in der Woche zuvor sei ein Pressefahrzeug der Hamburger Aktuellen durch die Straße gefahren. Ich denke, die hätten gerne ein Interview von Wilhelm Tieck gehabt, um ihre Jahrestag-Story aufzupeppen. Ich werde bei den Presseleuten nachfragen, ob denen etwas aufgefallen ist. Um die Zusammenarbeit mit der Hamburger Aktuellen kommen wir in dem Fall ohnehin nicht herum.“
Ulli hörte neben sich Dr. Seidel seufzen. Und dieses Mal konnte sie mit dem Polizeipräsidenten mitfühlen. Niemand im Raum war besonders erfreut darüber, mit dem Revolverblatt in Kontakt zu treten. Ziel dieser Zeitung war es, ihre Auflage zu pushen. Sie schrammte dabei oft gerade so an einer Falschmeldung vorbei, aber das war dieser Art von Journalisten egal.
„Okay“, Ulli klappte das Notebook zu und schaute in die Runde, „dann treffen wir uns morgen wieder hier. Solange wir kein anderes Motiv haben, werden wir den Fall Karin Kömen vorranging in die Ermittlungen einbeziehen. Paule und ich werden der Familie Kömen einen Besuch abstatten und danach zum Arbeitgeber von Wilhelm Tieck fahren.“
Ulli wollte gerade das Besprechungszimmer verlassen, als der Polizeipräsident sie zurückhielt: „Ich weiß, Frau von Schmalenbeck, Sie wollen das von mir nicht hören, aber seien Sie vorsichtig mit der Presse. Sicherlich sind die Reporter schon vor Ort, wenn Sie die Eltern von Karin Kömen besuchen. Die Stimmung ist bereits aufgeheizt, und wir sollten darauf achten, dass der Ruf der Hamburger Polizei nicht beschädigt wird. Halten Sie den Kollegen Paulsen nach Möglichkeit vor unbesonnenen Kommentaren zurück.“
Ulli nickte beiläufig. „Umsichtig und besonnen, wie immer.“
Ulli war Dr. Seidels angespanntes Verhältnis zur Presse mittlerweile vertraut. Sie nahm es gelassen. Er meinte solche Warnungen eigentlich nie persönlich, er fürchtete tatsächlich um das Ansehen seiner Abteilung. Und dieses Mal musste sie dem Polizeipräsidenten sogar Recht geben.
In gewisser Weise war der Freispruch von Wilhelm Tieck ja auf anderem Wege korrigiert worden, hatte Paule während der Teambesprechung gesagt. Würde er solch eine Aussage gegenüber der Presse treffen, wäre ein Shitstorm die sichere Folge. Dabei schien es schon jetzt so, als könnten sie sich in Bezug auf die Öffentlichkeit nur falsch verhalten. Dem Opfer wurde wenig Sympathie entgegengebracht. Am Morgen hatte Ulli Kommentare im Netz gelesen, mit dem Tenor, die Hamburger Polizei habe doch Wichtigeres zu tun, als den Mord an einem Mörder aufzuklären. Andere wiederum zweifelten bereits jetzt am Willen der Ermittler, den Mord an einem offensichtlichen Mörder überhaupt aufzuklären. Ulli war sich sicher, die Öffentlichkeit würde das Tun der Polizei mit ganz besonderem Interesse verfolgen.
Noch bevor sie ihr Büro betrat, kam Walter auf sie zu. „Wenn es dir recht ist, fahren Sebastian und ich zu Bruno Dörfer, dem ehemaligen Freund von Karin Kömen. Ich hatte den jungen Mann damals als Zeugen vernommen. Bestimmt erinnert er sich noch an mich. Ich kann ihn auch nach den anderen Freunden der jungen Frau fragen. Vielleicht hat er noch Kontakt. Vielleicht ergibt sich da etwas.“
Ulli nahm die Hilfe der Kollegen gerne an.
***
Paule saß schon am Steuer des Dienst-Mercedes und wartete auf Ulli. Er war schlechter Laune. Die Kollegen des Werkstattteams hatten den Polo zur Inspektion gebracht. Die Chancen standen schlecht, dass der alte Wagen noch einmal durch den TÜV kam.
Wir beide gehen zusammen in Pension, hatte Paule vor fast einem Jahr erklärt und dabei liebevoll am abgegriffenen Lenkrad des Wagens entlang gestrichen. Nun sah es so aus, als würde der Polo tatsächlich vor ihm in Pension geschickt.
„Hast du eine Ahnung, wie viel Sprit dieser Wagen im Stadtverkehr schluckt?“ Paule zeigte mürrisch auf die Tankanzeige des Mercedes. „Und parken lässt sich der Panzerkreuzer auch nicht. Wenn sie den Polo ausmustern, leih ich mir von dir Geld und kaufe ihn. Der Wagen hat doch nichts. Den kann ich locker noch ein paar Jährchen fahren. Diesel, robuster Motor, nur ein paar Rostflecken und wenige unerhebliche Macken. Die bekommen wir doch alle mit der Zeit. Ich kenne eine Werkstatt auf dem Kiez, die kriegen ihn wieder hin, der kommt dann sicher durch den TÜV “
Ulli schwieg, während Paule den Wagen vom Parkplatz Richtung Carl-Cohn-Straße lenkte. Die Ausmusterung des Polos nahm er persönlich.
„Was wollte der Seidel denn von dir?“, wechselte Paule das Thema.
Eigentlich war es gerade ungünstig, Paule die Befürchtungen des Polizeipräsidenten mitzuteilen, aber sie waren ein Team, und Paule musste im Umgang mit den Presseleuten tatsächlich vorsichtig sein.
„Ich soll auf dich aufpassen. Damit du es bei der Presse nicht versaust. Du kennst doch den Seidel: korrekt, angepasst, öffentlichkeitswirksam.“
Paule schüttelte den Kopf. „Für wie doof hält der mich denn? Er denkt wohl, ich wäre schon senil. Einer von den Langweilern, die die Presse mit Leserbriefen zuspammen, weil ihnen sonst niemand mehr zuhört?“
„Walter hat uns übrigens seine Mithilfe angeboten.“
Ulli versuchte, die Diskussion in andere Bahnen zu lenken. „Er und Sebastian werden den damaligen Freund von Karin Kömen befragen.“
„Eisler! Einer von den jungen Wilden. Die neue Ermittlergeneration“, knurrte Paule verächtlich, „der kann ganz offensichtlich richtig gut mit dem Seidel. Hast du gesehen, wie ergeben er an den Lippen des Herrn Polizeipräsidenten hing? Jedes Wort hat er begeistert abgenickt. Und dann diese angeberischen lateinischen Sprüche. Die beiden passen hervorragend zusammen. Seidel soll ihn sogar in seinen Golfclub eingeladen haben. Das hat mir Walter erzählt. Walter hatte übrigens schon Streit mit Eisler wegen dem Fall Kömen. Eisler hat ihm gegenüber durchscheinen lassen, wir hätten damals schlampig ermittelt. Er hält sich für einen ganz scharfen Hund. Walter meint, Eisler sei überzeugt, er hätte damals eine Verurteilung wegen Mordes hinbekommen. Und jetzt will sich Eisler in unseren Fall einmischen und uns zeigen, dass neue Besen besser kehren.“
Ulli schwieg. Sie kannte Paules Wutausbrücke. Wenn er entschlossen war, sich aufzuregen, ließ man ihn besser in Ruhe und wartete, bis sich das Gewitter verzogen hatte.
***
Dreißig Minuten später parkte Paule den Wagen vor einem gepflegten Einfamilienhaus. „So. Da wären wir. Und ganz ohne Navi. Am Ziegelteich 18. Ich habe Walter damals ein einziges Mal bei den Ermittlungen begleitet. Das müssen mir die Jungen erst einmal nachmachen: nach zehn Jahren noch das Haus finden. Und keine Sorge“, Paule nickte in Richtung des Kastenwagens der Hamburger Aktuellen, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite parkte, „ich weiß, was ich sagen darf und was nicht.“
„Als wäre die Zeit stehengeblieben. Nur die Bäume sind höher geworden“, Paule war unter den hochgewachsenen Linden hindurch den überschatteten Weg zur Haustür gegangen.
Nach dem Läuten öffnete eine ältere Frau die Tür, bat sie freundlich ins Haus und ging zur Wohnküche voraus. Ulli stellte sich vor.
„Ich dachte mir schon, dass jemand von der Polizei kommen würde.“
Gerda Kömen zeigte auf die Zeitung, die aufgeschlagen auf dem Küchentisch lag. „Ein Reporter war da und wollte uns interviewen. Ich mache die Tür einfach nicht mehr auf.“
Die