ТОП просматриваемых книг сайта:
Im Jahr des Kronenkoboldes. C.R. Waterlily
Читать онлайн.Название Im Jahr des Kronenkoboldes
Год выпуска 0
isbn 9783347127388
Автор произведения C.R. Waterlily
Жанр Биографии и Мемуары
Издательство Readbox publishing GmbH
Wir wussten es besser. Kamen wir doch direkt von jener Insel, ausgestattet mit dem antifaschistischem Schutzwall und einem ausgeklügeltem Überwachungssystem. Mitte der Achtziger hatten wir schon mal eine Bedrohung, von der man weder etwas hören, sehen, riechen, schmecken, noch sonst es mit einem menschlichem Sinn erfassen konnte, zu tun.
Der Super GAU, der größte anzunehmende Unfall eines Atomkraftwerkes in der Ukraine nahm damals die Welt über Wochen in seinen Bann. Becquerel war das Wort der Zeit. Spielplätze durften nicht mehr betreten werden. Kindern musste erklärt werden, warum sie nicht bei schönstem Sonnenschein unbeirrt nach draußen gehen durften. Besorgte Eltern forderten und vollzogen, teils auf eigene Kosten den Austausch von Buddelsand.
Vom bestimmten Speisen, wurde dringend abgeraten, weil sie besonders gut die radioaktiven Bestandteile aus dem Boden aufnehmen und speichern.
Insbesondere der Verzehr von Pilzen aus den Gebieten, über die die radioaktive Wolke gezogen war, war nicht angeraten. Es war eine Bedrohung, die auch damals niemand greifen konnte und die trotzdem real war. Seit dieser Zeit mache ich auch heute noch um Pfifferlinge einen Bogen, obwohl sie längst wieder im Herbst in den Auslagen der Lebensmittelhändler zu finden sind. Aber der Mensch verdrängt wahrscheinlich immer wieder auch die Geschichte, die trotzdem immer noch vorhanden ist, wie die Halbwertzeit eines zerfallenden radioaktiven Fallouts. Sie gehört nicht mehr zum medialen Interesse und findet daher mit Wahrscheinlichkeit auch nicht mehr in den Köpfen statt.
Gegen Ende der Achtziger gab es ein Ereignis, an das wohl kaum noch jemand geglaubt haben mag. Es war jedoch eines, dass uns in den ersten Tagen sehr ungläubig hat staunen lassen, dass es geschehen könnte. Eine ganze Nation befindet sich im Ausnahmezustand. Menschen laufen zusammen, plötzlich ist der Gestank der Trabbis nicht mehr auf eine Stadthälfte begrenzt. Die Luft ist geschwängert mit Zweitaktergemisch. Auf den Straßen ist die Hölle los. Man kommt kaum noch irgendwo durch. Die Leute werden begrüßt, bejubelt. Jeder Erstbesucher erhält 100 Deutsche Mark Begrüßungsgeld. So bilden sich Schlangen vor den Ausgabestellen, sprich Banken und dann vor den Geschäften. Die müssen zeitweilig sogar wegen Überfüllung geschlossen werden, weil nun sich mit der harten Währung zumindest kleinere Wünsche erfüllen lassen.
Später werden Einige in Interviews erzählen, dass sie auch total unnützes Zeug gekauft haben. Überfordert von der plötzlichen Menge an Konsumgütern.
In den kommenden Tagen bilden sich überall Schlangen vor und in den kleineren und größeren Geschäften. Wie Heuschrecken fallen jetzt die Menschen in die Läden ein und kaufen, als gäbe es kein Morgen.
Das Leben nimmt an Fahrt auf und wir sind mitten drin, in den Ereignissen der Zeit.
Damals wohnten wir direkt an einem Fleck, an dem die Teilung bis dahin immer gegenwärtig erfahren werden konnte. Stand man auf dem S-Bahnhof, hatte man einen Logenplatz, um direkt in den Todesstreifen sehen zu können. Grenzsoldaten, die in ihren Wachtürmen ausharrten. Sie nahmen alle genauestens durch die Ferngläser unter die Lupe, die da auf dem Bahnhof die Einfahrt des nächsten Zuges abwarteten. Einen peniblen Sandstreifen, in dem durch massiven Pestizideinsatz kein Halm mehr eine Chance hatte und die kläffenden scharfen Hunde mit den Hundeführern auf Patrouillengang.
Dass zwei Straßenecken weiter, Menschen „die Mauer muss weg“ skandieren, während entsprechendes schweres Gerät das Mauerwerk unterhalb der Stadtbahnunterführung freirissen, das ist schon ein historischer Moment.
Also man ist die letzten dreißig Jahre damit beschäftigt, zusammen wachsen zu lassen, was zusammen gehört und die Landschaften blühen mancherorts im Westen der Republik nach wie vor stärker als andernorts, in den ehemals von der sowjetischen Siegermacht geprägten Landesteilen. Auch wenn es in den dreißig Jahren auch im Pott zu sagenhaftem Verfall in diversen Städten gekommen ist und Thüringen sich eher zur aufstrebenden Region gemausert hat.
Hüben wie drüben haben sich Verwerfungen aufgetan. Und Mancher, der damals den Traum hatte sich von der Bevormundung und der Horch-und Guck Attitüde emanzipieren zu können, eine neue Form der Mitbestimmung nun erleben zu dürfen, sah sich bald bitter enttäuscht. Der Westen kam über den Osten und verleibte sich schnell nach Wirtschaftsmaßstäben ein, was Aussicht auf Gewinne hatte. Alles andere wurde abgewickelt und der Treuhand in die nicht immer treuen Hände überantwortet.
So gab es wieder, nach einem Jahr des Aufbruchs`89/´90 und vielen demokratischer Übungen dann den harten Aufschlag im Kapitalismus. Vieles, was Menschen als identitätsstiftend angesehen hatten, brach plötzlich weg. Viele haben sich zunächst im Westen umgesehen. Es sind nicht alle heimisch geworden. Einige kehrten wieder zurück, haben sich mit innovativen Ideen in der alten Heimat zu neuen Zielen aufgeschwungen und versuchen ihr Glück nun mit dem Heimatgefühl und der vertrauten Sozialisation.
Widerstand entsteht oftmals aus einem Gefühl des sich nicht mitgenommen Fühlens. Das sich als abgehängt zu erleben, ruft Frust und Neid auf den Plan, bietet Nährboden für die, die mit den einfachen Lösungen es dem Einzelnen vermeintlich bequem machen die Welt sich so zu denken, wie sie für einen selbst am besten passt und abzulehnen, was da nicht ins eigene Weltbild passt.
Demokratie ist immer komplex, bedeutet anstrengende Arbeit, ist manchmal unbequem, fordert immer Auseinandersetzung und hat zwei große Geschwister: Respekt und Toleranz. Dass jeder nach seiner eigenen Facon selig werden darf, wird von manchem nicht akzeptiert.
Die globale Vernetzung, die Handelsbeziehungen ziehen sich über den gesamten Erdball und vieles wird ausgelagert. Die Welt dreht sich augenscheinlich immer schneller. Alles erfolgt just in time. Wir fliegen inzwischen innerhalb Europas und der Welt zu Preisen, die in den frühen Jahren der Siebziger noch für viele vergleichsweise teuer bis unerschwinglich waren. Bahnfahren im eigenen Land ist ein größerer Luxus, als mal eben in eine andere europäische Hauptstadt zu jetten. Und es dauert auch entschieden länger, aber dafür ist es auch unpünktlicher und sorgt für verpasste Anschlusszüge.
DAS JAHR MIT DEM KLEINEN KRONENKOBOLD
Der Definition des Dudens nach handelt es sich beim Kobold um einen neckischen Geist. Geister kann man ja bekanntlich nicht sehen. Es sei denn, sie heißen Pumukl und tragen rote Haare und wohnen bei einem Schreinermeister. Aber auch dieser bekannte Zeitgenosse aus der phantasievollen Feder des Schriftstellers entsprungen, macht seinem Meister Eder das Leben gern mal schwer. Wenn auch die kleinen Neckereien und die besondere Denkweise, die dort zu erleben ist, auch liebenswürdig erscheinen mag.
Wehe dem, der sich unter Umständen böse Gesellen dieser Gattung ins Haus geholt hat, oder es auf andere Weise mit ihnen zu tun hat. Ähnlich verhält es sich wohl auch ein wenig in dieser Zeit.
Im Januar höre ich in den Nachrichten und wahrscheinlich auch mehrere Millionen anderer Menschen, von einem neuartigen Virus, das in China ausbricht und sich als eine nie dagewesene Gefahr darstellt. Was auf der Welt sich so ereignet, dass nimmt man eher als Information hin.
Vor ein paar Jahren gab es schon die Vogelgrippe, die Schweinepest und irgendwie haben wir in der Landwirtschaft das Keulen des Federviehs zur Kenntnis genommen.
Auch den Rinderwahnsinn, der schon zu anderer Zeit verstörende Bilder von taumelnden und zusammenbrechenden Rindern über Wochen und Monate die Berichterstattung in den Medien dominierte.
Na, dann kaufen wir eben kein Rindfleisch mehr, oder nur das vom Biobauern. Oder mit immer kleiner werdendem schlechtem Gewissen, das aus der konventionellen Haltung. Überlegen uns, weniger Fleisch, ist eh besser und führen unsere Leben halt weiter wie gewohnt.
Die in China erstmals auftretende neuartige Krankheit, zeigt immer stärkere Auswirkungen.
Wir schauen die Abendnachrichten und China, ist trotz Vielfliegerei, immer noch verdammt weit weg.
Viren hat es schon immer gegeben, erinnere ich mich zu einer Kollegin noch im Januar sagen. Man muss mal überlegen, dass es ja immer ein gewisses Risiko