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erfasste ihn, Übel­keit stieg in ihm hoch. Er japste wie ein Erstickender und sah Cole hinter dem Flammenvorhang verschwin­den. Eine schneidende Stimme peitschte: »Nicht schießen, ich will ihn le­bend!«

      Lane vernahm es wie durch einen Wattebausch und torkelte durch den Flur, spürte die Benommenheit gegen sein Bewusstsein anstürmen, und riss im Aufflackern eines jähen Überle­benswillens das Fenster hoch. Ein Schwall kalter Luft traf sein Gesicht, gierig sog er den Sauerstoff ein und spürte, wie sich die Benommenheit auflöste. Vorne wummerte Coles Colt. Ein­mal, zweimal - dann schwieg er. Die schnarrende Stimme Big Jims war zu hören, doch was sie rief, konnte Lane durch das Brausen des Feuers nicht verstehen.

      Hin und her gerissen zwischen Ge­fühl und Verstand stand er wie ver­steinert. Sie hatten Cole. Dave war tot. Ein Zittern durchlief ihn. Und er war nahe daran, nach vorne zu stür­zen und bis zum letzten Atemzug zu kämpfen. Aber der Verstand häm­merte ihm ein, dass er sein Leben ret­ten musste. Er musste leben und Char­les Turpins Vermächtnis verteidigen.

      Er schüttelte seine Trägheit ab und sprang aus dem Fenster. Eng an die Hauswand geschmiegt lud er seinen Colt nach. Sein Verstand arbeitete wieder klar und präzise.

      Auf dem Ranchhof waren die Waf­fen verstummt. Wie gebannt starrten die Männer von der Great Sand Ranch auf den hoch gewachsenen Mann, der nach zwei blindlings abge­feuerten Schüssen seinen Bruder aus den leckenden Flammen zerrte und der nun, die leblose Last auf den Ar­men, die Treppen hinunter in den Hof wankte. Der Feuerschein zeichnete seine Gestalt scharf nach. Sein Gesicht sah erschreckend starr aus, nur die Augen schienen noch darin zu le­ben.

      Am Rande der Helligkeit stand Big Jim. Cowboys traten aus den Schat­ten. Die Metallteile ihrer gesenkten Waffen blinkten. John Landers er­schien neben dem gnadenlosen Ran­cher. Ohne jede Gemütsregung blickte er Cole Turpin entgegen, der sich marionettenhaft und eckig be­wegte. Seine Haare waren versengt, auf seinem Hemd glommen Funken. Sein schweißnasses Gesicht war rußverschmiert. In seinen Augen war ein irrsinniges Flackern. Zwei Schritte vor Big Jim blieb er stehen. Dann sagte er langsam, fast schleppend, mit angegriffener Stimme: »Der zweite Turpin, Big Jim, der innerhalb weniger Stunden an einer Forsyth-Kugel zugrunde ging. Ich bin in deiner Hand. Wahrscheinlich wirst du auch mich töten. Aber Lane ist dir entkommen. Und er wird zurückkeh­ren. Und dann gnade dir Gott, Big Jim Forsyth, denn dann wirst du bezah­len!«

      Cole verlor die Kraft. Er brach in die Knie, Big Jim versank vor seinem Blick in diesigem Nebel.

      Hinter dem lichterloh brennenden Ranchhaus dröhnten Schüsse. »Lane Turpin!«, knirschte John Landers und fegte los. Einige der Cowboys schlos­sen sich ihm an.

      *

      Lane kauerte an der Rückwand des Ranchhauses, über dessen Dach be­reits bläuliche Flammen tanzten.

      Linker Hand reichten Stangencorrals bis hinter das Haus. In einer Ent­fernung von etwa hundert Yards wälzten sich die Fluten des Saguache Creek nach Südosten. Lane schob sich an die Hauswand entlang. Er hatte kein Pferd! Er hatte nur das, was er auf dem Leib trug - und er hatte seinen Colt und die Patronen in seinem Gürtel.

      Bei den Corrals nahm er eine flüch­tige Bewegung wahr. Er federte herum. Grell blitzte es auf. Lane spürte einen harten Schlag gegen den Oberschenkel, das Bein wurde ihm förmlich unter dem Körper weggeris­sen, trotzdem war sein Reflex noch da. Er schoss genau in den verglühen­den Feuerball hinein und nahm im gleichen Augenblick einen zweiten Schemen wahr, der über das Corralgatter sprang und auf den Bauch hechtete. Lane spürte den sengenden Strahl eines Geschosses, biss die Zähne zusammen und drückte ab, rollte zur Seite und kam so vom Haus weg, in das nun die Kugeln des Great Sand Reiters harkten.

      Lane zielte ruhig und überlegt. Dann feuerte er. Sein Geschoss trieb den anderen hoch, Lanes zweite Ku­gel schüttelte ihn, und im selben Au­genblick, als er fiel, kam Lane hoch. Stechender Schmerz pulsierte von seinem Bein bis unter seine Schädel­decke. Er ignorierte ihn und humpelte davon, so schnell ihn seine Beine zu tragen vermochten.

      Kugeln pfiffen hinter ihm her. Er stolperte, stürzte und schlug mit dem Ge­sicht auf den von der Sonne hartgebackenen Boden. Eine kalte, klir­rende Stimme wehte heran. »Schnappt ihn euch! Aber denkt daran, dass Big Jim ihn hängen will!«

      Es riss ihn wieder in die Höhe. Sein schmerzender Verstand begriff, dass dies seine Chance war. Feuerschein flutete über ihn hinweg, er raffte sich auf und stolperte weiter. Seine Gestalt warf einen langen Schatten. Eine kratzende Stimme holte ihn ein: »Ste­hen bleiben, Turpin! Bleib stehen, zum Teufel!«

      Weiter, Lane, weiter! Sie dürfen dich nicht kriegen! Es drängte sich auf nahezu hypnotische Weise in sein Bewusstsein. Vom Grauen getrieben floh er, trampelnde Schritte näherten sich ihm von hinten. Er taumelte aus dem Lichtkreis. Das Ufergebüsch schien ihm unendlich fern und unerreichbar. Und seine Verfolger holten auf. Sie hatten seine große Not er­kannt und verschwendeten keine Mu­nition mehr, kamen wie ein Rudel Schweißhunde, die das Jagdfieber gepackt hatte.

      Wieder strauchelte Lane, wieder schlug er hin. Der Schmerz in seinem Körper explodierte. Aber noch ein­mal überwand sein Widerstandswille Erschöpfung und Fatalismus, und er hob das Eisen. Eine Kugel röhrte aus dem Lauf, die heranrasenden Schat­ten spritzten schreiend und fluchend auseinander, als hätte eine Granate zwischen ihnen eingeschlagen. Sie versanken in der Dunkelheit. Hier und dort blitzte es auf. Lane aber kroch schon auf dem Bauch davon. Das sirrende Blei wurde ihm kaum ge­fährlich.

      »Wir müssen ihm den Weg zum Fluss abschneiden!«, gellte John Lan­ders' Organ.

      Sie hatten seine Absicht durchschaut: Glasklar hatte Landers erfasst, dass Lanes einzige Rettung der Creek war.

      Lane bot noch einmal alle Kraft auf, kämpfte sich hoch und schleppte sich weiter. Er wusste selbst nicht, wie es ihm gelang, das Uferge­strüpp zu erreichen. Er stürzte kopf­über hinein und spürte nicht, dass Äste sein Gesicht peitschten und ihm die Haut aufrissen. In der Nähe brüllte ein Mann Dinge, die Lane nicht ver­stand. Er robbte wie besessen durch das Strauchwerk, riss sich die Hände wund und wunderte sich selbst, dass er noch immer den Colt umkrampft hielt. Und plötzlich war er am Fluss. In der Wasserfläche spiegelte sich das Sternengeflimmer. Rechts von ihm ertönte Brechen und Rascheln, er schoss seine letzten Kugeln in diese Richtung, schleuderte den wertlosen Colt fort und warf sich in die Fluten. Kalt schlugen sie über ihm zusam­men. Die Kälte war es auch, die in sei­nem Hirn einen Vorhang zum Zerrei­ßen brachte. Sie vertrieb die Betäu­bung und linderte fast schlagartig den Schmerz in seinem durchschossenen Oberschenkel.

      Ein Strudel erfasste ihn, wirbelte ihn herum und drückte seinen Körper nach unten. Die Luft wurde ihm knapp. Verbissen kämpfte er, spürte den Untergrund unter seinen Füßen und stieß sich ab. Er nahm nicht wahr, dass mit seinem Eintauchen in das Wasser die Great Sand Reiter die letz­ten Hemmungen über Bord warfen. Landers, der befürchtete, dass Lane ihnen entkam, brüllte mit sich über­schlagender Stimme: »Schießt, Leute, haltet drauf! Bes­ser wir haben ihn tot als überhaupt nicht!«

      Das Wasser spritzte unter den Ein­schlägen. Ein fauchendes Brausen lag in der Luft. Funken und Asche wirbel­ten. Gelegentlich war das knir­schende Bersten von niederbrechen­dem Gebälk zu hören.

      Lane konnte sich aus dem Strudel befreien. Sein Kopf zerteilte die Was­seroberfläche, lechzend sog er frische Luft in seine Lungen. Er pumpte sie voll Sauerstoff und ließ sich wieder wegsacken. Am Fluss aufgewachsen konnte er schwimmen wie ein Fisch. Und die Erkenntnis, dass er ihnen fürs Erste entkommen war, verlieh ihm Antrieb. Weit holten seine Arme aus, die kraftvollen Schwimmstöße und die Strömung brachten ihn schnell flussabwärts.

      Irgendwo, weitab, trieb ihn die Strömung ans flache Ufer. Erschöpft blieb er liegen. Die Finsternis hüllte ihn ein wie ein Mantel. Und seine Ein­samkeit wurde ihm bewusst. Verlo­renheit senkte sich in sein Gemüt, und dazu gesellte sich die Verzweiflung, die dem Wissen entsprang, dass inner­halb weniger Stunden sein bisheriges Leben zerstört worden war. Er folgte dem Fluss nach Südosten. Zerschun­den, blutend und triefend vor Nässe setzte er mechanisch einen Fuß vor den anderen, die Schusswunde mit beiden Händen umklammernd, den Schmerz verbeißend. Weit zurück stürzte krachend das Haupthaus ein. Funkengarben

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