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und stellte beim Steuermann eine Waffe vom Kaliber neun Millimeter sicher. Der Kapitän war unbewaffnet.

      „Sie sind verhaftet“, erklärte mein Kollege Milo Tucker ihnen. „Alles, was Sie von nun an sagen, kann vor Gericht gegen Sie verwendet werden, falls Sie nicht von Ihrem Recht zu schweigen Gebrauch machen...“

      „Wir werden uns nicht äußern, bevor wir nicht mit einem Anwalt gesprochen haben“, erklärte der Kapitän.

      „Das ist Ihr gutes Recht“, sagte Milo. „Aber Sie sollten auch bedenken, dass es juristisch sehr viel günstiger für Sie ausgehen kann, wenn Sie sich zu einer frühen Aussage entschließen. Denn irgendjemand unter den schätzungsweise fünfzig oder sechzig Verhaftungen, die im Moment gerade durchgeführt werden, wird reden.“

      „Fragt sich nur, wer sich zuerst dazu entschließt“, ergänzte ich.

      3

      Alle Maschinen wurden auf Stopp geschaltet. Aber bis ein Schiff wie die JAMAICA BAY ihre Fahrt spürbar verlangsamte, dauerte es eine Weile. Glücklicherweise hatten wir Unterstützung durch die Hafenpolizei. In deren Reihen gab es Mitarbeiter, die ein Schiff von dieser Größe führen konnten.

      Da sich sowohl der Kapitän als auch der Steuermann weigerten, uns in irgendeiner Form zu unterstützen, blieb uns nichts anderes übrig, als zu warten, bis zwei dieser Beamten auf der Brücke eintrafen und die Führung des Schiffes übernahmen.

      Wir führten die Gefangenen ab. Auf dem Hauptdeck wurden sie von Kollegen in Empfang genommen, die sie auf Boote der Hafenpolizei verfrachteten.

      Unser Kollege Clive Caravaggio kam uns entgegen.

      „Das dürfte einer der größten Schläge gegen die Müllmafia seit mindestens einem Jahr sein“, meinte er.

      „Wir wollen den Tag nicht vor dem Abend loben“, erwiderte ich. „Erst wenn sich die vermuteten Giftfässer tatsächlich an Bord der JAMAICA BAY befinden, haben wir eine juristische Handhabe – und dann fragt sich immer noch, ob uns nur ein paar kleine Fische ins Netz gegangen sind, oder wir endlich auch an die Hintermänner herankommen, die diese miesen Geschäfte aufziehen!“

      „Das werden wir schon“, versprach der flachsblonde Italoamerikaner. Er machte plötzlich ein angestrengtes Gesicht. Offenbar bekam er eine Meldung über sein Headset.

      „Was ist los, Clive?“, hakte Milo nach.

      „Mindestens einer der Kerle verschanzt sich noch unter Deck“, berichtete Clive.

      Ich hob die Augenbrauen.

      „Der Kerl, der versucht hat, unseren Helikopter mit seiner Uzi aus der Luft zu holen?“, hakte ich nach.

      Clive nickte.

      „Ganz genau.“

      Dumpfe Laute dröhnten jetzt aus dem Inneren der JAMAICA BAY. Schussgeräusche.

      „Ein paar Kollegen sind ihm bereits unter Deck gefolgt…“, erklärte Clive.

      „Hört sich an, als bräuchten die ein bisschen Unterstützung!“, mischte sich Milo ein.

      Im nächsten Augenblick meldete sich einer der Kollegen über Headset. Er hieß Whit Pacey, war seit zwei Monaten vom FBI Field Office Florida zu uns versetzt worden. Aber Agent Pacey kam gar nicht mehr dazu, seinen Bericht abzugeben.

      Noch ehe er den ersten Satz vollendet hatte, hörten wir alle den Knall über die Headsets. Dann war Stille.

      Ich sah, wie Clive unwillkürlich die Hand zur Faust ballte.

      „Verdammt“, murmelte er.

      4

      Ich stieg die Treppe hinunter, die Dienstwaffe in der rechten. Meine Kollegen Milo Tucker und Fred LaRocca folgten mir. Etwas später folgten noch die Agenten Jay Kronburg und Leslie Morell.

      Mit den Dienstwaffen im Anschlag arbeiteten wir uns in den engen Gängen des Zwischendecks vor. An insgesamt fünf Positionen waren Kollegen von uns ins Innere der JAMAICA BAY eingedrungen, um den Uzi-Schützen aufzuspüren.

      „Ich frage mich, warum dieser Kerl hier so ein Theater veranstaltet", raunte Milo mir zu. „Sich jetzt noch da unten einzuigeln, grenzt doch schon fast an eine Art Amoklauf!“

      Milo hatte Recht und genau dieser Punkt hatte auch mich stutzig gemacht.

      Natürlich hatten wir es auch immer wieder mit psychopathischen Tätern zu tun, denen es wichtiger war, ihren eigenen Tod wirkungsvoll zu inszenieren, als zu überleben. Gestörte Persönlichkeiten, für die Polizisten oder G-men letztlich nur die Rollen von Statisten in einer selbstmörderischen Inszenierung einnahmen.

      Aber im Bereich der organisierten Kriminalität kam dieser Tätertyp nur in Ausnahmefällen vor. Normalerweise ergaben sich Täter, wenn sie gestellt wurden und tatsächlich keinerlei Chance mehr bestand, aus der Situation herauszukommen. Ein großartiges Blutbad anzurichten machte auch im Hinblick auf die juristische Behandlung des Falles keinen Sinn, denn wenn sie auf einen Deal mit der Staatsanwaltschaft aus waren, mussten sie sich kooperativ verhalten.

      Das Verhalten des Uzi-Schützen mache also nur unter der Voraussetzung Sinn, dass er tatsächlich glaubte, noch irgendeine Fluchtoption zu haben.

      Oder es ging um die Vernichtung von Beweismitteln…

      In jedem Fall war es wichtig, dass wir diesen Job so schnell wie möglich erledigten.

      Der einzige ungefähre Anhaltspunkt für den gegenwärtigen Aufenthaltsort des Uzi-Killers war die letzte Position von Agent Whit Pacey. Wir hatten sein Handy angepeilt. Das Signal kam aus einem der großen Lagerräume im Bauch der JAMAICA BAY. Über Headset erreichte uns eine Meldung unseres indianischen Kollegen Orry Medina, der sich dem Hauptladeraum zusammen mit ein paar weiteren Kollegen von der entgegengesetzten Seite näherte.

      Wir arbeiteten uns weiter vorwärts, sicherten uns gegenseitig und erreichten schließlich den Hauptladeraum. Er war gefüllt mit Fässern unterschiedlicher Größe. Ein unangenehmer, stechender Geruch hing in der Luft. Wir fanden Agent Whit Pacey.

      Er lag auf dem Boden zwischen zwei Fässern, die schon ziemlich verrostet waren. Milo und ich ließen den Blick schweifen und hielten dabei die Dienstwaffen mit beiden Händen. Fred LaRocca kümmerte sich um Agent Pacey. Er lebte nicht mehr. Ein halbes Dutzend Schüsse hatten ihn durchsiebt.

      „Verdammt“, murmelte Fred. Er gab eine kurze Meldung per Headset an die Einsatzleitung.

      In diesem Moment nahm ich eine Bewegung war. Der Uzi-Schütze tauchte hinter einem der Fässer hervor. Die Maschinenpistole knatterte los. Milo und ich schossen annähernd im selben Moment zurück. Der Uzi-Schütze taumelte zurück. Sein Körper zuckte unter unseren Treffern. Er schlenkerte mit dem Lauf seiner Waffe unkontrolliert herum, während sich gleichzeitig weitere Schüsse lösten. Projektile stanzten sich in die Blechwände des Laderaums. Teile der Beleuchtung zersprangen und Glassplitter von Neonröhren regneten zu Boden.

      Offenbar trug der Uzi-Schütze unter seiner Kleidung eine Kevlar-Weste. Er ließ Milo und mir keine Wahl, als unablässig abzudrücken. Erst ein Treffer am Kopf schaltete ihn aus. Er taumelte gegen eines der Fässer. Eine letzte Sequenz von Schüssen löste sich aus dem kurzen Lauf der Uzi und durchlöcherte zwei Fässer. Aus den Einschusslöchern quoll eine gelbliche Flüssigkeit hervor.

      Dann strauchelte der Uzi-Schütze zu Boden.

      Milo und ich näherten uns vorsichtig.

      Fred LaRocca folgte uns.

      „Wir haben ihn!“, meldete ich über Funk an Orry und die anderen weiter.

      Wir fanden den Uzi-Schützen schließlich reglos am Boden liegen. Das Blut, das aus der Wunde an seinem Kopf austrat, vermischte sich mit der übel riechenden gelblichen Flüssigkeit, die aus den durchlöcherten Fässern heraus quoll.

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