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ich die ältere Dame nur wenige Tage später kennen. Sie hat bereits mehr als 70 Brautkleider genäht – dabei hat sie den Schneiderberuf nie professionell erlernt, sondern sich als junges Mädchen nach dem Zweiten Weltkrieg eigenständig das Nähen beigebracht. Gewissermaßen aus der Not heraus. Dass sie heute Brautkleider schneidert, bezeichnet sie als ein Geschenk Gottes. Und genau das ist diese ältere Dame auch für mich. Denn sie erklärt sich freudig bereit, mir zu einem guten Preis ein Brautkleid nach meinen Vorstellungen zu nähen. Ganz nebenbei erfahre ich, dass sie bereits das Hochzeitskleid meiner zukünftigen Schwiegermutter geschneidert hat und sogar das von Jonathans Großmutter. Ich freue mich auf ein speziell auf mich zugeschnittenes Kleid mit einer noch spezielleren Geschichte. Mir wird deutlich, dass es sich hierbei um ein Geschenk Gottes handelt, das von seiner liebevollen Fürsorge mir gegenüber zeugt.

      Bei unseren Treffen und auf den Fahrten zu den verschiedenen Stoffläden sprechen die ältere Dame und ich nicht nur über mein Kleid. Sie bestärkt mich darüber hinaus sehr in der Entscheidung, jung zu heiraten. Genau wie ich war sie am Tag ihrer Hochzeit erst 19 Jahre alt. Voller Überzeugung und aufgrund von lebenslanger Erfahrung kann sie mir versichern, dass Gott immer gut und vertrauenswürdig war. Sowohl in den Höhen als auch in den Tiefen des Lebens hat er für sie und ihren Mann gesorgt. Noch heute sind die beiden nach vielen gemeinsamen Jahren glücklich verheiratet. Für mich ist meine betagte Schneiderin der lebende Beweis, dass auch ich diesem Gott vertrauen kann. Nach jedem Besuch bei ihr gehe ich ermutigt und innerlich gestärkt nach Hause und denke des Öfteren: Gott hat dieses einst ganz junge und nun ältere Ehepaar nie im Stich gelassen. Er wird auch Jonathan und mich versorgen.

      Als ich schließlich mein wunderschönes und zugleich erschwingliches Brautkleid abhole, ist es für mich weit mehr als bloß ein Kleid. Bereits in all den letzten Wochen habe ich von jedem meiner Besuche so viel mitgenommen. Ermutigung. Anteilnahme. Liebe. Ich bin meinem Gott von Herzen dankbar für diese außergewöhnliche Schneiderin, die er mir geschickt hat.

      Doch während es mit den Hochzeitsvorbereitungen gut vorangeht, gestaltet sich die Wohnungssuche schwieriger als erwartet. Jonathan und ich leben noch zu Hause bei unseren Eltern. Mit der Hochzeit wollen wir eine erste gemeinsame Wohnung beziehen. Da unsere monatlichen Einkünfte als Studenten jedoch sehr gering sein werden, benötigen wir eine Sozialwohnung. Einige Monate vor unserer Hochzeit werden wir deshalb Mitglieder einer Genossenschaft, die über entsprechende Wohnungen verfügt. Leider informiert man uns, dass alle bereits vermietet sind. So lassen wir uns auf eine Warteliste setzen und beten, dass rechtzeitig zu unserer Hochzeit eine passende Wohnung frei wird. Doch obwohl wir beten und hoffen, warten wir monatelang vergebens.

      Ich erinnere ihn gewissermaßen an sein Versprechen.

      Bereits in wenigen Wochen werden wir heiraten und dann offensichtlich keine Wohnung beziehen können. Das hatte ich mir anders vorgestellt. In manchen Momenten frage ich mich, ob Gott unsere Gebete nicht gehört hat. Warum schenkt er uns keine Bleibe, wenngleich er die Möglichkeit hierzu hätte? Während dieser Zeit wende ich mich besonders häufig im Gebet direkt an Jesus. Ich schütte ihm mein Herz aus und teile ihm meine Fragen und Bedenken mit. Wiederholt bitte ich ihn gemeinsam mit Jonathan oder allein, uns zu versorgen. Ich erinnere ihn gewissermaßen an sein Versprechen. Dadurch wird mein besorgtes Herz ruhiger. Bete ich jedoch längere Zeit nicht, türmen sich die Sorgen in meinem Inneren wie ein Berg auf. Wochenlang erhalten wir keine positiven Nachrichten von der Genossenschaft. Allmählich drängt die Zeit.

      Schließlich versorgt Gott uns aber doch, denn meine Schwiegereltern machen uns einen Vorschlag: Bis wir eine eigene Wohnung haben, dürfen wir übergangsweise auf ihrem Dachboden wohnen. Wenngleich wir uns den Start in unsere Ehe anders vorgestellt haben, nehmen wir dieses Angebot dankend an. Wir sind schließlich jung und flexibel und haben schlichtweg keine andere Option. Einen Vorteil sehen wir darin, dass wir hierdurch einige Monatsmieten sparen können. Somit betrachten wir diese Übergangslösung als Gottes Weg für uns und konzentrieren uns nun ganz auf die bevorstehende Hochzeit.

      Wenige Wochen nach dem Abitur und kurz vor Beginn unserer Studien geben Jonathan und ich uns schließlich im September 2007 das Ja-Wort. Da wir dies auch vor unserem Gott tun möchten, bedeutet uns insbesondere die kirchliche Trauung sehr viel. Wir feiern sie mit insgesamt fast vierhundert Menschen: unseren Familien, Freunden und Bekannten. Viele von ihnen haben für unser anschließendes Buffet gebacken und so warten siebzig Torten und Kuchen darauf, im Anschluss an die Trauung verspeist zu werden. Unsere Hochzeit ist nicht pompös, aber dennoch schön und besonders. Kostbarer als teurer Blumenschmuck sind für uns die kleinen, unbezahlbaren Momente, die uns noch lange im Gedächtnis bleiben werden. So überrascht Jonathan mich beispielsweise im Traugottesdienst mit einem selbstgeschriebenen Liebeslied, und auch ich habe heimlich ein Lied für ihn vorbereitet. Zum Abendessen und zur anschließenden Feier im Restaurant fahren wir gemeinsam mit zirka achtzig Gästen. Der Tag unserer kirchlichen Trauung ist ein unvergesslicher Start in unsere gemeinsame Zukunft und wir fühlen uns reich beschenkt.

      Durch die großzügigen Geldgeschenke können Jonathan und ich mit einem finanziellen Plus in unsere Ehe starten, wofür wir sehr dankbar sind. Auch dadurch erleben wir ganz praktisch Gottes Versorgung. Auf Flitterwochen verzichten wir vorerst und wollen diese nachholen, wenn unser Geldbeutel etwas mehr hergibt. Doch wir werden von unseren Eltern überrascht, die uns einen Kurzaufenthalt in einem nahegelegenen Wellnesshotel schenken. Direkt nach unserer Hochzeit fahren wir dorthin, und auch, dass ich während dieses Urlaubs krank werde, kann unsere Stimmung kaum trüben. Wir freuen uns einfach sehr auf unsere gemeinsame Zukunft. Weder meine Erkrankung noch unser schmaler Geldbeutel können daran etwas ändern. Nach unserer Rückkehr richten Jonathan und ich uns auf dem Dachboden meiner Schwiegereltern ein. Guten Mutes starten wir in unsere gemeinsame Zukunft und beginnen unsere Studien. Wir sind überzeugt, dass Gott uns segnen und versorgen wird und erwarten sein Handeln voller Spannung.

      3. Gebundene Hände

      »Der entscheidende Zweck des Betens besteht nicht darin, Gott meinen Willen aufzudrängen, sondern meinen Willen von seinem formen zu lassen.«8

      Ich bin unglaublich froh und erleichtert. Fünf schöne, aber auch anstrengende Jahre liegen hinter mir. Zehn Semester, in denen ich mit einem klaren Ziel vor Augen studiert habe: Lehrerin für Mathematik und Deutsch will ich werden. Meinen Masterabschluss habe ich nun also in der Tasche. Endlich! Das erste große Teilziel meiner Ausbildung ist damit erreicht. Nun trennt mich noch das Referendariat davon, eine staatlich anerkannte Lehrerin zu sein. In Hamburg dauert dieser praktische Teil der Ausbildung weitere anderthalb Jahre. Besonders dankbar bin ich dafür, dass ich mein Studium sehr gut abschließen konnte. Hierdurch erhoffe ich mir gute Chancen auf einen der begehrten Referendariatsplätze. Diesen Erfolg verdanke ich zweifellos Gott. Zwar habe ich gelernt und mein Bestes gegeben, doch dass all diese Bemühungen erfolgreich waren, ist sein Geschenk. Schließlich habe ich während meines gesamten Studiums für unseren Lebensunterhalt mehrere Nebenjobs gleichzeitig gehabt. Dass dennoch alles zu schaffen war, ist nicht selbstverständlich. Und so feiern Jonathan und ich meinen Abschluss. Wir danken Gott im Gebet für seine Hilfe während dieser Zeit und bitten ihn, mir einen Referendariatsplatz zu schenken.

      Einige Tage später fülle ich die Onlinebewerbung aus und klicke anschließend aufgeregt und voller Vorfreude auf »absenden«. Stehe ich tatsächlich schon bald als Referendarin vor einer Klasse? An welcher Schule werde ich unterrichten? Wie werden meine Ausbilder sein? Es mischen sich jedoch auch Bedenken ein: Werde ich den Herausforderungen als »lehrender Prüfling« gewachsen sein und die hohen Ansprüche der Prüfenden erfüllen können? Bleibt noch Zeit für mein Privatleben?

      Ich versuche, mein besorgtes Herz daran zu erinnern, dass mich all diese Fragen nicht beunruhigen müssen.

      Ich versuche, mein besorgtes Herz daran zu erinnern, dass mich all diese Fragen nicht beunruhigen müssen: Mein Gott ist es doch, der die Fäden in der Hand hält! Er sorgt für mich. Nun habe ich erst einmal meine Bewerbung abgeschickt – für den Moment ist das genug. Ich will ihm vertrauen, dass er alles Weitere in die Wege leiten wird. Ob Zusage oder nicht: Gott meint es gut mit seinen Kindern und somit auch mit mir. Ich wende mich an Jesus und sage ihm ehrlich, was mich beschäftigt. Teile ihm meine Sorgen mit und bitte ihn, sich um alles zu kümmern. Danach danke ich ihm, dass er versprochen hat, genau das zu tun. Ich fühle mich erleichtert

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