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des 19. Jahrhunderts ihre Sprengel mit unabhängiger Autorität und Vollmacht wie ein Bischof leiteten. Es ist zu beachten, dass die auf dem II. Vatikanum gewollte Zusammenführung von potestas ordinis (Weihegewalt) und potestas iurisdictionis (Jurisdiktionsgewalt) unter dem Oberbegriff der potestas sacra (heiligen Gewalt) wie schon im Codex von 1983 nicht umgesetzt und fortgeführt wird. Über die theologischen Folgen dieser Entwicklung wäre dann noch einmal eigens nachzudenken.

       PRIESTERLICHE LEBENSFORM AUF DEM PRÜFSTAND – ZÖLIBAT ADE?

      Die Diskussion, die aktuell auch durch das Buch von Kardinal Sarah mit einem Beitrag von Joseph Ratzinger wieder an Fahrt aufgenommen hat, über den Zölibat bleibt noch zu sehr an der Oberfläche des Themas der priesterlichen Lebensführung. Die MHG-Studie konnte ja überzeugend aufweisen, dass in vielen Fällen die nicht in die Gesamtpersönlichkeit vieler Priester integrierte und angenommene eigene Sexualität verbunden mit den asymmetrischen Machtverhältnissen in kirchlichen Kontexten zu einer gefährlichen Melange geführt hat, in der Missbrauchstaten geschahen. Von daher hielte ich es zunächst für angemessener, über Verbesserungen in diesem Bereich der Ausbildung angehender Priester nachzudenken, bevor über konkrete rechtliche Formen dieser Lebensführung diskutiert wird. Es ist sowohl für verheiratete Priester in den unierten Ostkirchen wie für zölibatär lebende Priester in der lateinischen Kirche gleichermaßen eine Herausforderung, die eigene sexuelle Identität zu erkennen, anzunehmen und bezogen auf die Lebenssituation zu kultivieren. Monokausal den sog. Pflichtzölibat oder einen bestimmten Anteil homosexueller Priester als Ursache für sexuellen Missbrauch verantwortlich zu machen, wird dem Thema nicht gerecht und hält vor der untersuchten Wirklichkeit nicht Stand. Inzwischen hat Franziskus in seinem nachsynodalen Schreiben Querida Amazonia der von der großen Mehrheit der Synodenteilnehmer erbetenen Öffnung des Pflichtzölibats nicht entsprochen bzw. sich hierzu nicht verhalten. Dies überrascht nicht wirklich, da er sich bereits vorher in anderen Kontexten als entschiedener Gegner einer optionalen Entscheidung für oder gegen den Zölibat positioniert hat. Dies schließt nicht aus, dass wie in den beiden Vorgängerpontifikaten im Einzelfall, z. B. bei konvertierten anglikanischen Priestern Ausnahmen möglich sind. Ob eine solche Ausnahmeregelung für das Amazonasgebiet auch für Westeuropa im Sinne des Dominoeffekts Auswirkungen haben könnte, steht in den Sternen. Auch hier werden differenzierte Rückmeldungen aus dem Synodalen Weg als Votum sicher in Rom Beachtung finden.

      Synodale Prozesse in der Kirche enthalten in ihren Verfahrensschritten Elemente von demokratischen Entscheidungsprozessen, sind aber in ihrem tiefsten Wesen geistliche Prozesse.

       AUSBLICK

      Bei aller kirchenrechtlich kritischen Sicht auf das Statut des Synodalen Weges und seinen Themen, von denen doch eine ganze Reihe am Ende in den weltkirchlichen Kontext einzuspeisen sein werden, ist allen Akteuren der Synodalversammlung aufrichtig der Beistand Gottes bei den Beratungen zu wünschen. Synodale Prozesse in der Kirche enthalten in ihren Verfahrensschritten Elemente von demokratischen Entscheidungsprozessen, sind aber in ihrem tiefsten Wesen geistliche Prozesse. Dies erfordert die Bereitschaft von allen Beteiligten, auf die Meinung des Anderen zu hören, auch wenn er eine gänzlich andere Position vertritt. In dieser Haltung wäre zu wünschen, wenn man über die zwei Jahre die Mitglieder der Synodalversammlung in Ruhe beraten ließe. Natürlich werden diese Prozesse auch medial und in der kirchlichen Öffentlichkeit interessiert verfolgt werden. Die Akteure im bischöflichen wie im laikalen Lager, die vereinzelt im Vorfeld des Synodalen Weges mit unversöhnlichen Auslassungen und Unterstellungen aufgefallen sind, sind gebeten, in dieser Haltung des Hinhörens und Aushaltens das Ziel der Einheit im Blick zu behalten. Dies muss sich in der gehaltvollen Argumentation, in wertschätzender Rede und der Bereitschaft, auch Neues zu lernen und bisherige Positionen begründet zu revidieren, niederschlagen. Der tief erschütternde Vertrauensverlust der katholischen Kirche in Deutschland erfordert diese geistliche Haltung, die Polarisierungen zu beenden und zu verhindern versucht.

       Unterwegs – wohin?

      Kirchenrechtliche Anmerkungen zum Synodalen Weg

      Wer im Stichwortverzeichnis des kirchlichen Gesetzbuches, des Codex Iuris Canonici (CIC) oder in Kirchenrechtshandbüchern und -lexika den tautologischen Begriff „Synodaler Weg“ (übersetzbar etwa mit „der Weg des gemeinsamen Weges“) nachschlägt, der wird nicht fündig. Allenfalls finden sich Begriffe wie „Synode“, „Bischofssynode“, „Diözesansynode“ oder – für den Bereich einer Bischofskonferenz – „Plenarkonzil“. Markus Graulich SDB

      Schon die Bezeichnung „Synodaler Weg“ verdeutlicht, dass niemand die Absicht hat, eine wirkliche Synode einzuberufen, sondern es sich beim derzeit in Deutschland stattfindenden Prozess um ein aliud, um etwas anderes handelt, als es das Recht der Kirche für synodale Prozesse vorsieht. Das kann legitim sein, denn Kirchenrecht erneuert sich; das kann aber auch auf Abwege führen, denn nicht immer ist der Weg das Ziel, vor allem dann nicht, wenn die Erwartungen hoch gesteckt sein sollten.

       SYNODALITÄT IN DER KIRCHE

      Um den Synodalen Weg der Kirche in Deutschland aus kirchenrechtlicher Perspektive einordnen und im Hinblick auf seine Verbindlichkeit etwas sagen zu können, ist ein Blick auf das, was Synode und Synodalität in der Kirche eigentlich bedeuten, unerlässlich. Nur so kann deutlich werden, wohin die Reise geht – und wohin nicht.

      Obwohl Synoden und synodale Strukturen seit jeher zur Kirche gehören und vor allem in den ersten Jahrhunderten ihr Leben entscheidend bestimmten, war bis zum Pontifikat von Papst Franziskus von ihnen in der Öffentlichkeit weniger die Rede. Papst Franziskus wird nicht müde, die Synodalität als konstitutives Element der Kirche zu unterstreichen und seinen Traum von einer synodalen Kirche vorzutragen.

      Was genau meint er damit? „Eine synodale Kirche ist eine Kirche des Zuhörens, in dem Bewusstsein, dass das Zuhören ‚mehr ist als Hören‘. Es ist ein wechselseitiges Anhören, bei dem jeder etwas zu lernen hat: das gläubige Volk, das Bischofskollegium, der Bischof von Rom – jeder im Hinhören auf die anderen und alle im Hinhören auf den Heiligen Geist, den ‚Geist der Wahrheit‘ (Joh 14,17), um zu erkennen, was er ‚den Kirchen sagt‘ (vgl. Offb 2,7)“ (Franziskus, Ansprache zur 50-Jahrfeier der Errichtung der Bischofssynode am 17. Oktober 2015).

      Synodalität wird in der Kirche auf unterschiedlichen Ebenen gelebt: in der Teilkirche vor allem durch die Diözesansynode, aber in gewisser Weise auch durch die Räte auf der Ebene der Diözese und der Pfarreien; auf der regionalen Ebene durch die Partikularkonzilien und – wenn auch in einer Weise sui generis – durch die Bischofskonferenzen; und schließlich auf der Ebne der Universalkirche durch die Bischofssynode. Sie ist im Pontifikat von Papst Franziskus zu einer Art „Laboratorium der Synodalität“ und damit zum Vorbild für synodale Prozesse auf allen Ebenen geworden. Im Hinblick auf die Bischofssynode setzt Papst Franziskus einen Schwerpunkt auf die Vorbereitung. Er will dadurch sicherstellen, dass diese die Synode zu einem echten Prozess des Zuhörens werden lässt, welcher auf den verschiedenen Ebenen der Kirche durchgeführt wird. Es geht dabei um das Hören auf das Volk Gottes, auf den sensus fidei fidelium, dann um das Hören auf die Hirten und schließlich um das Hören auf den Papst, welcher die Ergebnisse der Synode zusammenfasst und sie dem Volk Gottes übergibt.

       Markus Graulich SDB

      Dr. iur. can. habil., Dipl.-Soz.päd. (FH), 1999-2014 Prof. für Grundfragen und Geschichte des Kirchenrechts an der Università Pontificia Salesiana, Rom; seit 2014 Untersekretär des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte.

      Letztlich geht es um die praktische Umsetzung des Axioms: quod omnis tangit ab omnibus tractari debet. Die Entscheidung aber liegt – wie im Anschluss an die Amazonassynode sehr deutlich geworden ist – beim Papst, der sich die Ergebnisse einer Synode zu Eigen machen kann, aber nicht muss.

      So wird am Beispiel der Bischofssynode deutlich, was Synodalität in der Kirche nicht bedeutet: sie ist weder gleichzusetzen mit Demokratie, noch mit einem parlamentarischen System. Bei einer Audienz für die Bischöfe der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche am 2. September 2019 hat Papst Franziskus dafür sehr deutliche Worte gefunden:

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