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B, sage ich nur Cosmo.«

      »Dein Sohn.« Gerda lachte. »Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Im Ernst, hat er, na ja, ein Drogenproblem?«

      »Nein.« Pfeffer lächelte zufrieden. »Nicht mehr. Wobei er, glaube ich zumindest, nie wirklich eins hatte. Er hat aber sicherlich alles Mögliche ausprobiert. Momentan ist er eher auf dem Gesundheitstrip. Weil er so viel reist. Obst, Gemüse, Smoothies und so.«

      »Am Ende wird er noch Veganer!«

      »Mal den Teufel nicht an die Wand, Pettenkoferin.«

      »Wo steckt er gerade?«

      »In München. Heimaturlaub. Geht seinem Bruder auf die Nerven. Bald ist er auf Ibiza gebucht, dann muss er zu Studioaufnahmen nach Montreux. Mehr weiß ich nicht. Aber ich bin ja mit ihm ganz dick auf Instagram befreundet und werde es rechtzeitig erfahren, an welchem exotischen Ende der Welt dj Cosmo auflegt. Und von wo aus er mir dann Postkarten schickt.«

      »Echt?«

      »Ja, ich liebe Postkarten. Echt.« Pfeffer strahlte Gerda an. »Und Cosmo schickt mir immer eine, egal, wo er ist. Hast du schon mal Post aus der Mongolei bekommen? Aus Ulan Bator? Siehste!« ­Pfeffer lachte. Sein ältester Sohn mit dem altbayerischen Namen Cosmas, von allen schon immer Cosmo genannt, außer von seinem Vater, der sich den Spitznamen erst angewöhnen konnte, als Cosmo bereits volljährig und aus dem Haus war, hatte sich in den vergangenen Jahren erfolgreich als dj etabliert. Er wurde international gebucht und legte bei allen großen Festivals auf, seit er vor zwei Jahren einen sehr tanzbaren Remix von ›Moon Child‹ gemacht hatte, einem chinesischen Megahit des chinesischen Superstars Faye Cheung, wobei außerhalb Chinas praktisch niemand das Lied oder die Sängerin kannte. Cosmos Remix wurde erst ein überraschender Clubhit, dann stürmte er die Download-Charts und schließlich die regulären Charts. Nun buchten ihn auch große Stars der westlichen Musikwelt für Remixes.

      »Und zur Not stalken wir uns gegenseitig per Tracking-App«, fügte Pfeffer noch amüsiert hinzu. Das war in seinen Augen ein totaler Schmarrn, wobei es ursprünglich mal seine eigene Idee gewesen war. Nachdem sein Tim einmal entführt worden war und erst in letzter Sekunde aus den Klauen eines religiösen Fanatikers hatte gerettet werden können, und weil Tim beruflich so viel reiste, hatten sie sich später Tracking-Apps zugelegt. Nur so, um ein sicheres Gefühl zu haben. Irgendwie war das doch beruhigend, auch wenn sie die App praktisch nie genutzt hatten. Später hatte Cosmo sich die App zugelegt. Seine Argumente: Als Bulle sei sein Vater ständigen Gefahren ausgesetzt, vor allem, wenn sich irgendwelche Kriminellen, die sein Vater mal eingebuchtet hatte, später an ihm rächen wollten, ihn entführen und zu Tode foltern oder so. Dann könnte er, Cosmo, ihn retten. Der Junge sah eindeutig zu viel fern, wenn er keine Musik machte. Pfeffers Gegenargument, dass Cosmo ihn gar nicht retten könnte, wenn selbiger in Ulan Bator oder Lima oder Marrakesch auflegen würde, entkräftete Cosmo damit, dass er immer die Nummer von Annabella Hemberger in der Kurzwahl habe und die dann seinen Dad bullenmäßig retten würde.

      Gerda Pettenkofer kannte die Geschichten zu gut. Sie amüsierte sich darüber. »Wer hätte das gedacht«, sagte sie. »Dass ihr beide euch mal gut verstehen werdet. Ihr wart ja früher wie Hund und Katze. Wobei, stimmt nicht, ihr wart wie Hund und Hund – ihr wart ja beide gleich dickköpfig und machomäßige Alpharüden. Machomacho.« Sie machte kurz einen auf Gorilla. »Wenn ich mich recht erinnere, hat es deshalb bei euch immer gekracht.«

      »Stimmt«, nickte Pfeffer. »Es war gut, dass er raus ist in die Welt. Weißt du, früher, wenn ich mich mit Cosmo gestritten habe, wenns richtig gekracht hat zwischen uns, dann hat Tim meist gesagt, dass man daran merkt, wie sehr wir uns in Wahrheit lieben würden. Ich meine, ich muss zugeben, dass ich Cosmo wirklich mehr liebe als ­Florian. Aber sag das bloß keinem der beiden!«

      »Ich werde mich unterstehen!« Die Pettenkoferin leerte ihr Bier und gab dem Kellner ein Zeichen für noch eine Halbe. »Und zu deiner Beruhigung, Maxl, jeder, der Augen im Kopf hat, hat schon immer gesehen, dass du Cosmo mehr magst als Flo.« Sie sah Pfeffer in die Augen. »Wie geht es dir, Maxl? Ich meine die Frage ernst. Ich mache zwar meine Späße darüber, aber ich finde wirklich, dass du ziemlich mager geworden bist …«

      »Ich laufe eben mehr. Mache weniger Krafttraining, darum habe ich etwas Gewicht verloren.«

      »Etwas Gewicht?«, prustete die Medizinerin. »Du bist hager geworden, beinahe ausgezehrt. Du hast das Rauchen wieder angefangen. Ach, was heißt angefangen, du qualmst wie ein Schlot. Manchmal habe ich den Eindruck, du lebst nur noch von Zigaretten und Kaffee. Iss mal was, verdammt noch mal.«

      »Ich habe kaum Hunger.«

      »Ha, wusste ich es doch. Maxl, wir sind seit Jahren befreundet, du weißt, dass du mit mir reden kannst. Du trauerst immer noch, oder? Nach neun Monaten.«

      »Es tut einfach immer noch beschissen weh«, sagte Pfeffer. »Zeit heilt keine Wunden.«

      8

      Drei Menschen schauten zufällig gleichzeitig auf ihre Smartphones und zwei überlebten es nicht.

      Tim de Fries stand mit seinem Fahrrad an der roten Ampel an der Humboldtstraße, Ecke Pilgersheimer Straße. Er hielt immer bei Rot, kompromisslos. Er zückte sein Telefon und schrieb Max Pfeffer eine WhatsApp, dass er gleich zu Hause sein und das Essen vorbereiten würde. Nur noch den Giesinger Berg hinauf und dann …

      Tim und Max Pfeffer waren damals erst seit Kurzem Giesinger geworden. Zuvor hatten sie in dem Haus in Obermenzing gewohnt, dass Pfeffers Exfrau den Kindern vermacht hatte, bevor sie an Krebs gestorben war. Das großzügige Haus in einer der besten Wohngegenden Münchens, das die damals noch minderjährigen Brüder Florian und Cosmas Pfeffer geerbt hatten, war über viele Jahre das Heim für die Patchworkfamilie gewesen. Max Pfeffer, der Papa, der sich nach seinem Outing von der Mama hatte scheiden lassen, dessen niederländischer Lebensgefährte Tim de Fries, ein cappuccinofarbener Hüne mit Mandelaugen, Cosmo Pfeffer, der ältere Sohn, der Rebell, der im Dauerclinch mit seinem Vater lag, und Florian Pfeffer, der jüngere Sohn, der im Gegensatz zu seinem Bruder so brav und angepasst war, dass sich Pfeffer und Tim deswegen Sorgen machten. Tim jedenfalls liebten alle drei Pfeffers heiß und innig und umgekehrt. Nachdem schließlich auch Florian volljährig geworden, und damit das Haus endgültig in den Besitz der Brüder übergegangen war, hielten Tim und Pfeffer es irgendwann für angebracht, sich ein eigenes Heim zu suchen. Beide hatten sich zu Zeiten, als es noch finanziell stemmbar gewesen war, in München kleine Immobilien zugelegt: Pfeffer ein Apartment in der Maxvorstadt, Tim eine Wohnung in Milbertshofen und ein kleines, renovierungsbedürftiges Haus mit Minigarten in der Feldmüllersiedlung in Giesing, einer Kleinhausanlage aus dem 19. Jahrhundert gleich hinter der Giesinger Kirche. Natürlich der völlige Alptraum, weil das denkmalgeschützte zweigeschossige Haus in den Augen mancher abbruchreif war. Außerdem lebte eine alte Frau darin, die nicht daran dachte, auszuziehen. Das war kein Problem, bis Tim und Pfeffer das Haus für sich herrichten wollten. Die Alte wehrte sich erfolgreich gegen die Eigenbedarfsklage, fiel jedoch nur wenige Wochen später zufällig die Treppe hinunter und kam in eine betreute Einrichtung. Tim und Pfeffer hatten sich auf die Renovierung gestürzt, Tim begeistert, Pfeffer eher pragmatisch. Nach zwei Jahren, viel Eigenleistung und viel Geld war das Haus fertig. Tim hatte dafür, nachdem der ohnehin angespannte Münchner Immobilienmarkt regelrecht explodiert war und seine Preise die in beliebten europäischen Hauptstädten in den Schatten stellten, schließlich die Wohnung in Milbertshofen verkauft – mit riesigem Gewinn.

      Natürlich hatte sich auch Giesing in den letzten Jahren drastisch verändert. Besonders das pittoreske Altbauareal hinter der Kirche. Statt der nächsten Eckkneipe gab es nun eine vegane Eatery, statt des Getränkeladens einen eco-, animal-, human-friendly Klamottenladen. Die Luxusmaximierung machte eben auch vor einem alten Arbeiterviertel nicht halt.

      Im August des Vorjahrs waren sie eingezogen, eine Woche später dann hatten sie in aller Stille geheiratet, damit alles geregelt war, falls … Nur die beiden Söhne waren dabei gewesen. Ihre Söhne, denn Tim sah die Buben als seine Kinder, und für die Jungs war Tim Papa zwo. Weil sowohl Pfeffer als auch Tim keinen Schmuck mochten, hatten sie auf Ringe verzichtet.

      Dann, zwei Wochen nach der Heirat, stand Tim de Fries-Pfeffer auf dem Heimweg an

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