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Teamermittlung. Jill Waldhofer
Читать онлайн.Название Teamermittlung
Год выпуска 0
isbn 9783347085701
Автор произведения Jill Waldhofer
Жанр Триллеры
Издательство Readbox publishing GmbH
Bella und Cara nickten zögernd, ganz offensichtlich mit widerstreitenden Gefühlen kämpfend. Cara meinte, dass sie gern nach Hause fahren wollte, um sich umzuziehen und sich noch etwas auszuruhen, aber jemand müsse sie fahren, denn ihr Auto sei ja nicht fahrtüchtig.
Erlinger erbot sich, das Taxi zu spielen, setzte dann aber hinzu: „Besser, du nimmst unser kleines Auto und fährst damit heim, damit du heute Abend wieder herkommen kannst. Oder siehst du dich nicht in der Lage zu fahren? Dann kann ich dich auch bringen und heute Abend wieder abholen.“
Cara überlegte einen Moment, fasste nach ihrer Beule und meinte: „Nein, das geht schon. Danke für das Angebot, ich hoffe, ihr braucht heute nicht beide Autos. Ich komme dann heute Abend so gegen 7 Uhr zurück. Ist das okay für euch? Ich muss mir ja auch noch überlegen, weshalb ich die Überwachung unterbrochen habe. Was sage ich diesem Kerl bloß? Aber das können wir auch heute Abend überlegen. Ich hätte schon ganz gern ein bisschen Zeit für mich. Muss mich erstmal sortieren.“
Voller Mitgefühl sah Bella ihre Freundin an, stellte aber fest, dass die jetzt Zeit für sich brauchte. Jede von ihnen hatte sehr oft das Bedürfnis nach Abstand, um sich wieder für die Auseinandersetzung oder Kommunikation mit den Mitmenschen fit zu machen. Ohne diese Auszeiten kamen sie sehr schnell an ihre Grenzen, denn beide waren mit Sensoren ausgestattet, die sehr intensiv unterschwellige Kommunikationsströmungen wahrnahmen und darauf reagierten. Umso unverständlicher eigentlich ihre lange Blindheit gegenüber Josts Verrat. Erlinger schloss daraus, dass eine einmal gefasste Sympathie für einen Menschen alle entgegenstehenden Informationen verdrängte – eine Art Schutzfunktion.
Bella beobachtete ihre Freundin, die ihre Siebensachen zusammensuchte, ihre Handtasche, den Mantel, dreckverkrustet, an sich nahm und sich dann niederkniete, um sich von Jimmie zu verabschieden. Dabei fiel das Sonnenlicht auf ihre blonden Haare, die ihr ins Gesicht fielen. Sie leuchteten auf eine ganz bestimmte Art und Weise, die einen Raum heller zu machen schien, wenn Cara eintrat. Ihre große und schlanke Gestalt, ihr hübsches Gesicht, dessen hervorstechendste Eigenschaft eine große Freundlichkeit und Zugewandtheit, ein wohlwollendes Interesse an der Welt und seinen Bewohnern ausdrückte, waren Bella sehr ans Herz gewachsen. Wenn sie dies jedoch Cara versuchte zu erklären, dann reagierte diese ein bisschen schnoddrig und abwehrend. Gefühle, vor allem, wenn diese sie selbst betrafen, waren nicht gerade ihre Stärke. Dabei konnte sie sich spielend in alles hineinfühlen. Sie war kompliziert…
Erlinger gab Cara die Autoschlüssel, nahm sie in den Arm und meinte tröstend: „Wir kriegen das schon alles wieder hin. Keine Sorge! Aber ihr beide solltet heil aus dieser Sache herauskommen. Das bedeutet nicht, dass ihr euch ganz raushalten sollt, aber mit Sinn und Verstand und einer Prise Vorsicht sollten die weiteren Ermittlungen laufen. Okay?“
Cara nickte etwas versöhnt, streichelte nochmal Jimmie, umarmte Bella und ging zur Tür hinaus. Bella fing an, den Tisch abzuräumen und abzuwischen, denn die Kekskrümel von Erlinger und Witzig hatten sich auf dem ganzen Tisch ausgebreitet.
Kapitel 11: Abstand
Der Weg zurück in die Stadt war für Cara eine willkommene Auszeit nach den vergangenen kräftezehrenden 24 Stunden. Das Zusammensein mit anderen, Gespräche, Gedankenaustausch – das alles war ja wichtig und notwendig, wollte man nicht völlig verwildern. Doch ein Zuviel davon – also mehr als ein halber Tag, schätzte sie – brachte sie schnell an die Grenzen ihrer ausgemachten Einsiedlernatur. Eine nicht zu bändigende Gereiztheit stellte sich dann unweigerlich ein und ließ sie, wie gerade gegenüber Witzig, zum trotzigen Teenager regredieren. So sah sie es jedenfalls selbst; doch das Bedauern kam immer erst zu spät, wenn sie wieder allein war und zu sich kommen konnte.
Der große Witzig war eigentlich einer von den Guten, dachte sie vor sich hin. Ein Bär mit netten braunen Augen und anderen liebenswerten Tendenzen, aber struppigem Fell. Obwohl, struppig war er immer nur ihr gegenüber. Bella und Erlinger behandelte er sehr höflich. Die mochte er ja auch…
Sie stellte das Radio ein und dann sofort wieder aus. Nein, sie wollte nichts hören, sondern die Stille im Auto genießen. Die Landstraßen waren an diesem Nachmittag so gut wie leer. In den Dörfern sah man niemanden – höchstens ein paar Hühner, die in großen Gärten nach Futter scharrten. Die berufstätige Landbevölkerung kam ab gegen 18 Uhr wieder zurück aus der Stadt oder aus den umliegenden kleinen Orten, wo es Firmen und damit Arbeit gab. Nun zeigte die Anzeige am Armaturenbrett erst halb fünf. Die Sonne, die Bella, Jimmie und sie vorhin bei ihrem Spaziergang über die Felder ausgiebig genossen hatten, stand schon recht tief und beschien nur die Wipfel der Wälder und die Kuppen der Hügel, die sie auf dem Weg zur Bundesstraße durchquerte. Cara atmete tief durch und versank in Gedanken, während sie mit mäßigem Tempo dahinzuckelte.
Die ganze Geschichte war so vertrackt und kompliziert, dass ihr trotz – oder gerade wegen – der Besprechungen und Mutmaßungen der letzten Stunden der Kopf nur so schwirrte. Eigentlich konnte sie nur richtig nachdenken, wenn sie für sich war. Wie andere immer so schnell kombinieren und schlussfolgern konnten, wenn man sie dabei erwartungsvoll ansah, war ihr ein ewiges Rätsel. Ihr kam es immer so vor, als hüllten sie die Ansichten des Gegenübers ein wie eine dicke Decke, unter der sie ihre eigenen Positionen nicht mehr finden konnte. Dieses Handicap war ein echtes soziales Problem, denn sie konnte ja nicht – bei der Vorstellung musste sie über sich selbst kichern – nach jeder Ansprache erst einmal aus dem Raum rennen oder sich hinter einem Baum verstecken, um über eine Reaktion nachzusinnen.
Der Beruf der Detektivin hatte sie gereizt, weil man ihn allein ausüben konnte – das dachte sie jedenfalls zu Anfang – und eher beobachten als interagieren musste. So gänzlich aufgegangen war diese Rechnung eigentlich nicht, aber zumindest konnte sie sich meistens selbst entscheiden, mit wem sie enger zusammenarbeiten wollte – Bella und Erlinger! –, statt den ganzen Tag in einem Betrieb eine Arbeit unter Menschen zu verrichten, die der Chef für sie ausgesucht hatte… Nein, das wollte sie nie wieder. Dann lieber das gegenwärtige Jost-Taggert-Sekretärinnen-Korruptions-Kuddelmuddel!
A propos, dachte sie weiter, was wollte der Taggert denn nun von ihr, Cara? Wollte er überhaupt irgendetwas anderes, als einen schnöden Arbeitszeitbetrug aufdecken? Konnte es vielleicht doch ein Zufall sein, dass ausgerechnet sie durch einen gänzlich unverwandten Auftrag an Josts Foto gelangen sollte? Wie viele Detektivinnen gab es in der Stadt? Sie wusste es nicht genau, denn Detektive in einer mittelgroßen Stadt taten gut daran, ihre Dienste nicht allzu plakativ, etwa im örtlichen Anzeigenblättchen, anzupreisen. Sie, zum Beispiel, ließ sich über eine größere Agentur in Frankfurt anheuern, an die sie dafür einen monatlichen Obolus entrichtete.
Die Großstadt, etwa 100 km entfernt, lag nah genug, so dass sie Aufträge von Kundinnen und Kunden in einem erträglichen Radius erhaschen konnte. Auf diese Weise konnte sie sich in der eigenen Stadt bewegen – und herumspionieren! –, ohne dass jemand wusste, was sie beruflich eigentlich tat. Na ja, kaum jemand. Ihre wenigen Freunde wussten natürlich von ihrer Umschulung vor acht Jahren und ihrem derzeitigen „exotischen“ Broterwerb. Fazit: Sie hatte keine Ahnung, wie viel Konkurrenz sie in F. eigentlich hatte. Dass Taggert sie sozusagen hätte anvisieren können, schien nahezu ausgeschlossen. Hatte er einfach irgendeine Detektivin gesucht, die einen kleineren Auftrag in F. annehmen würde, mit dem eine Frau wohl besser klarkäme? War sie schlicht die Einzige, die in Frage kam?
Claudia und Sabine, mit denen sie sich bei der Schulung ganz gut verstanden hatte, hatten die Maßnahme nur absolviert, weil man ihnen sonst die Leistungen gekürzt hätte. Beide waren letztlich wieder in ihren ursprünglichen Berufen, Gartenbau und Einzelhandel, untergekommen, wie sie Cara eine Weile nach dem Kurs erleichtert gemeldet hatten. Alle Teilnehmerinnen hatten sich im Grunde sehr gewundert, dass man ihnen die sonderbare Umschulung „angeboten“ hatte. (Das Angebot war laut Jobcenter zumutbar und anzunehmen! Bedarf in dem Bereich war durch eine bundesweite Studie ermittelt worden!) Nicht eine von ihnen hatte auch nur ansatzweise relevante Vorerfahrungen gehabt. So nahmen die meisten der zehn Teilnehmerinnen die Belehrungen und Übungen des unsäglichen Kursleiters nicht wirklich ernst und durchlitten die sechs Monate mit einem absoluten Minimum an Energieaufwand.
Außer