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um mit ihnen auszugehen. Sie genoss diese Aufmerksamkeit.

      Bis zu ihrem fünfzehnten Lebensjahr hatte sie ziemlich wie ein Junge ausgesehen, mit den Jungen aus ihrer Nachbarschaft gespielt, war mit den Jungen in ihrer Schule befreundet und wurde aus ihrer Sicht wie ein Junge behandelt. Umso mehr genoss sie die Aufmerksamkeit, die sie als junge Frau bekam. Sie fand es toll. Wenn ihr die Jungs Komplimente über ihr Aussehen machten, war sie nicht wirklich verlegen, sondern lachte herzlich und flirtete gern mit ihnen. An der Uni war sie tagsüber sehr gern mit ihren Freunden unterwegs, am Abend ging sie öfter gern mit einigen Jungen aus. Ihre Freunde sagten ihr des Öfteren, sie solle bitte vor diesen anderen Jungen aufpassen, aber sie hatte keine Angst vor ihnen. Das Leben war toll!

      An der Uni lernte sie Mahinder kennen. Sie verabredeten sich zum Kaffeetrinken und beschlossen anschließend, sich noch mal zu treffen. Sie stellten fest, dass sie gern Zeit miteinander verbrachten und fingen an, sich regelmäßig zu treffen, fast alle zwei Tage. Es waren die normalen Dinge, die Teenager gern machten, Teetrinken gehen, ein bisschen mit dem Motorrad herumfahren, manchmal sogar außerhalb der Stadt, Essen gehen, ins Kino gehen, und dergleichen.

      Eines Abends brachte er sie zu ihrer Wohngemeinschaft zurück, in die sie vor einiger Zeit von der Pension umgezogen war. Sie hielten eine Straße vorher bereits an, standen dort und unterhielten sich noch eine Weile. Aus den Augenwinkeln sah Suwarna ein paar Männer in ihre Richtung laufen, sie dachte sich nichts dabei, denn es war nicht unüblich, dass Jungen miteinander herumscherzen und herumlaufen. Als sie etwas näher waren, fragte sie sich für einen Moment, ob irgendetwas los war, aber widmete sich dann wieder den Worten von Mahinder. Als die Männer noch näher waren, läuteten die Alarmglocken kurz in ihrem Gehirn, es war alles so schnell, einerseits schrie ein Teil ihres Gehirns, dass etwas nicht stimmte, mit einem Teil sah sie etwas Bedrohliches in ihren Händen, nahm es wahr und doch nicht richtig wahr, mit einem anderen Teil hörte sie Mahinder noch zu.

      Plötzlich waren die Männer bei ihnen, es waren fünf, sie hielten Machete, Sichel und Messer in ihren Händen – zwei hielten Mahinder fest, zwei hielten sie fest, der fünfte leerte die Taschen von Mahinder und schlug ihm in den Bauch. Er solle keinen Mucks von sich geben, sonst wäre er fällig. Sie hatte bereits angefangen zu schreien, als die Männer sie festhielten. Daraufhin zeigte einer ihr das Messer und schnauzte sie an aufzuhören. Sie hörte auf. Als der fünfte Mann Mahinder noch einmal schlagen wollte, versuchte sie sogar in der Situation vernünftig mit dem Schläger zu reden. Sie sagte ihm, er könne das ganze Geld haben, das sie dabeihatte, sowie ihren Goldschmuck, aber er solle Mahinder nicht schlagen, wozu schlagen, wenn er kriegen würde, was er haben wollte! Der Schläger reagierte sogar mit Verständnis darauf. Einer von den zwei Schlägern, die sie festhielten, wollte sie dann schlagen. Wieder sah sie dem fünften Schläger direkt in die Augen und forderte ihn auf, mit dem ganzen Unsinn und Schlägen aufzuhören, da sie das Geld und das Gold bereits hatten. Ob es ihr Mut war, den sie in der Situation zeigte und somit für ihn einen Überraschungseffekt erzeugte, oder ob er es wirklich verstanden hatte, wusste sie nicht. Aber das war eigentlich egal. Er ging erneut darauf ein und sagte dem anderen Schläger, er solle aufhören. Zum Schluss gaben die Schläger Mahinder trotzdem noch einige Schläge, bedrohten ihn und Suwarna mit dem Messer und der Machete und verschwanden dann in die Nacht. Das Ganze dauerte fünf oder sechs Minuten, kam ihr aber wie eine Ewigkeit vor.

      Suwarna konnte sich nicht bewegen, sie konnte nicht fassen, was gerade passiert war, waren sie gerade überfallen worden? Sie hatte mehr Geld dabei als sonst, da sie am nächsten Tag eine Kursgebühr zu zahlen hatte. Aber das war nicht so wichtig, nicht jetzt, dachte sie. Ihr Goldschmuck war weg, wie soll sie das ihrer Mutter und ihren Verwandten erklären? Aber das war in dem Moment nicht wirklich das Wichtigste. Sie waren gerade überfallen worden. Es hätte viel schlimmer ausgehen können. Sie hatten Glück gehabt, Riesenglück! Mahinder war wie erstarrt, er stand nur so da, leicht im Schock, fast am Weinen, das konnte sie ebenso nicht fassen. Er ist doch der Mann, er sollte sie trösten, dachte sie.

      Sie ging die drei Schritte hinüber und nahm seine Hand: „Komm, wir gehen in meine WG.“

      Sie gingen die hundertfünfzig Meter bis zu ihrer Wohngemeinschaft.

      Ihre zwei Mitbewohnerinnen, die Schwestern waren, waren zu Hause, Suwarna erzählte ihnen, was passiert war, sie waren ebenfalls sprachlos. Alle schüttelten nur den Kopf und konnten es nicht fassen, dass so etwas in ihrem Viertel passiert war. Eine von ihren beiden Mitbewohnerinnen ging hinunter, erzählte dem Besitzer des Hauses alles und rief anschließend die Mitbewohner von Mahinder an.

      Zwanzig Minuten später trafen zwei seiner Mitbewohner ein, alle redeten miteinander, sie waren fassungslos über das Ganze, aber es war schon passiert, man konnte die Zeit nicht zurückdrehen. Mahinders Mitbewohner nahmen ihn mit und sagten etwas von Polizei, aber erst am nächsten Tag.

      Suwarna und ihre Mitbewohnerinnen saßen noch eine Weile auf der großen Terrasse vor ihrer kleinen Wohnung und sahen in die dunkle Nacht hinaus. Der Himmel war sternenlos, so bezeichnend für das, was gerade passiert war. Einerseits wurde immer wieder überall erzählt, dass so etwas passierte, aber niemals hätten sie gedacht, dass es einer von ihnen passieren könnte. Aber was hätten sie jetzt machen können!

      Nachdem Suwarna das ganze Geschehnis bestimmt zwanzig Mal erzählt hatte und ihre Mitbewohnerinnen trotzdem jedes Mal genauestens zugehört und teilweise dieselben Fragen gestellt und ihre Fassungslosigkeit zum Ausdruck gebracht hatten, entschieden sie alle, schlafen zu gehen und am nächsten Tag zu sehen, was zu tun war. Diese dunkle Nacht würde Veränderungen bringen, aber das wusste Suwarna zu dem Zeitpunkt nicht, auch nicht, dass diese Veränderungen für sie gar nicht mal so schlecht sein würden.

      Irgendwann schlief Suwarna ein. Mehrmals in der Nacht träumte sie das Geschehene immer wieder, manchmal wurde sie im Schlaf unruhig, manchmal wurde sie wach. Irgendwann wurde es draußen hell.

       Oh nein, so schnell? Ich will nicht, dass es Tag wird, ich will nicht aufstehen, ich will nicht hinausgehen und so tun, als ob alles normal ist, ich will nicht zur Polizei gehen, ich will nicht!

      Noch recht früh am Vormittag stand sie auf; ihre zwei Mitbewohnerinnen waren bereits wach und beim Frühstück, als sie ins Wohnzimmer kam.

      „Guten Morgen! Hast du irgendwie gut schlafen können? Wir machen uns noch fertig, am Nachmittag fahren wir für eine Woche zu unseren Eltern nach Hause, das war ja schon längst ausgemacht und wir wollen unsere Eltern nicht enttäuschen, aber das haben wir dir eh schon erzählt, oder?“ sagte mal die eine, mal die andere Mitbewohnerin.

      Der nächste Schlag für sie. Was! Sie fuhren weg? Jetzt? Nach dem, was passiert war? Und ließen sie allein? Suwarna sagte nichts.

      Sie war geistig nicht so richtig anwesend. In Gedanken versunken aß sie ihr Frühstück irgendwie fertig und zog sich um. Dann hörten sie Motorräder. Mahinder und drei seiner Freunde waren da. Nachdem sich alle begrüßt hatten und noch einmal das Geschehnis durchgegangen waren, entschieden sie, zum nächstgelegenen Polizeirevier zu gehen.

      Auf dem Polizeirevier hörten sich die Polizisten das Ganze ziemlich lustlos an, warum hatten Suwarna und Mahinder dort überhaupt gestanden? In der Nacht waren wenig Menschen unterwegs, diese bestimmte Straße war sowieso ziemlich leer, die Hemmschwelle solcher Schläger, so etwas zu tun, sank, sie hätten überhaupt nicht dort stehen dürfen! Aha, also ihre Schuld!

      Ob die Polizisten das Geschehnis als Anzeige aufnahmen, hat Suwarna nicht wirklich verstanden. Sie spürte so eine Wut in sich. Sie war sich sicher, die Polizei wusste wahrscheinlich sogar, wer die Schläger waren, wollte aber nichts tun, es war für sie nicht ernst genug, außerdem war außer Geld und Gold mitnehmen und ein bisschen „herumschubsen“ nichts passiert, warum dann irgendein Aufwand?

      Zuerst rief sie ihre Cousine an und erzählte ihr irgendeine Märchengeschichte, wie sie das Geld und das Gold verloren hatte. Ihre Cousine hörte zu, sie verstand die Geschichte nicht und fragte noch mal, was passiert war und warum das Geld und Gold weg waren. Suwarna erzählte ihr erneut die Märchengeschichte, fügte noch hinzu:

      „Falls meine Mutter anruft, sag ihr noch nichts, sie wird sich unnötig Sorgen machen, du kennst

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