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Der Dozent. Stefan Meier
Читать онлайн.Название Der Dozent
Год выпуска 0
isbn 9783347049055
Автор произведения Stefan Meier
Жанр Триллеры
Издательство Readbox publishing GmbH
„Ja, mit ihm war ich vorhin definitiv essen!“, sagte Natalie und drehte sich zu den anderen.
„Und wenn du dich noch in Schale werfen würdest und mit ihm einen romantischen Spaziergang bei Sonnenuntergang unternimmst, dann ist dir die 1,0 sicher!“, säuselte Felix und Jakob fing an zu lachen. Heike erwiderte mit einem lauten Schnauben.
„Weißt du was? Vielleicht werde ich das sogar!“, konterte Natalie und verschlug Felix offensichtlich die Sprache. Das passierte selten.
Herr Schmidt drückte auf einen Knopf auf dem hintersten Drittel seines Tisches und der Beamer piepte auf. Nach einigen Sekunden wurde ein blaues Bild an die Leinwand projiziert. Er friemelte das HDMI-Kabel in die passende Buchse auf dem Tisch, steckte die Maus an den USB-Port auf der linken Seite seines Laptops und schwang das Kabel elegant dahinter.
„Wir können sofort loslegen. Geben Sie mir noch einen Moment.“
„Jaja, nur keine Eile“, konnte man es aus einer Ecke hören. Einige Studentinnen kicherten leise.
Ein letztes Mal griff Herr Schmidt in seinen Koffer, holte einen Stapel Zettel hervor und drückte auf eine Taste auf dem Laptop. Das blaue Bild verschwand und eine Präsentation mit dem Titel Sprachentwicklung kam zum Vorschein.
„Starten wir“, strahlte er, stellte den Koffer auf den Boden und schob den Stuhl zur Tischkante heran. „Mein Name ist Max Schmidt, ich bin wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hochschule und dieses Semester beschäftigte ich mich mit Ihnen mit der Sprachentwicklung. Entgegen vieler Kollegen, die es vorziehen schlicht Referate zu verteilen und bis Ende des Semesters nur Präsentationen anzuhören, handhabe ich meine Kurse etwas anders. Bis nächstes Mal kaufen Sie sich bitte meinen Reader. Dieser ist im Sekretariat erhältlich und Sie tragen natürlich nur die Kosten für den Druck“, er lächelte sanft. „Der Reader kostet sieben Euro.“
„Wieder sieben Euro ins Klo geworfen“, konnte man Heike schnauben hören. Sandy gluckste, Felix und Jakob schüttelten den Kopf. Herr Schmidt, der scheinbar den Zwischenruf überhört oder ihn professionell ignoriert hatte, fuhr fort.
„Vor mir liegt der Kursplan.“ Er hob den Stapel hoch und begann sie auszuteilen.
„Zu jeder Seminarsitzung reden wir über ein spezifisches Thema. Nächste Woche reden wir beispielsweise über den frühkindlichen Spracherwerb. Die Woche darauf über den Spracherwerb von Immigranten, für die Deutsch eine Zweit- oder in den meisten Fällen eine Fremdsprache ist. Ein aktuell wichtiges Thema und wenn Sie später in die Schule wollen, kommen Sie nicht drum herum. Die letzten drei Veranstaltungen sind bewusst leer gelassen. Da möchte ich auf Ihre Wünsche eingehen.“
„Und wir sollen wohl deine Arbeit machen oder was“, tönte es halblaut aus der letzten Reihe. Wieder Heike.
„Damit unsere Konversationen mit Inhalten gefüllt sind, finden Sie auf dem Kursplan die entsprechenden Kapitel im Reader, die Sie für die Sitzungen lesen sollen. So, was fehlt noch?“, er drehte seine Augen zur Decke und überlegte einen Moment. „Genau, Anwesenheitspflicht! Sie kennen sich damit natürlich bestens aus …“. Er lächelte wieder in die Runde.
„Durch die Abschaffung der Anwesenheitspflicht im neuen Hochschulgesetz ist es mir nicht gestattet, Ihre Anwesenheit zu kontrollieren. Sie sind alt genug, um sich zu dafür zu entscheiden, ob Sie in Ihren Kursen anwesend sein möchten oder eben nicht.“
„Dann kann er mal ganz stark darauf vertrauen, dass wir uns heute das letzte Mal sehen.“ Heike gab sich inzwischen nicht mal mit dem Flüstern Mühe. Selbst Sandy lächelte nur müde. Herr Schmidt verließ seine Position hinter dem Tisch und ging langsamen Schrittes auf Heike zu. Während er sich auf sie zu bewegte, wurde es still und seine freundliche Miene wich einem ausdruckslosen Blick.
„Ich wundere mich –, ob sie auch die Courage haben, es mir direkt ins Gesicht zu sagen, meine Teuerste“, seine Stimme klang langsam, aber deutlich.
„Ich, ääähh …“
„Genau, das dachte ich mir. Also jetzt halten Sie Ihre große Klappe und hören zu.“ Das hatte gesessen! Im Kurs brach Gelächter aus, allen voran Jakob. Er wäre am liebsten aufgestanden und hätte Herrn Schmidt ein High five angeboten. In einem Cartoon würde ihr Kopf jetzt dunkelrot anlaufen und Dampf aus den Ohren schießen, aber sie hatte sich lediglich still zurückgelehnt und die Arme verschränkt. Das reichte Natalie, gut genug.
„Jetzt kommt der Teil über Ihre Prüfungsleistungen, die Sie alle ableisten müssen, egal ob Sie anwesend sind oder nicht.“ Seine Mimik war wieder ins Freundliche gewechselt. „Zu zwei Sitzungen, die Sie selber wählen dürfen, sollen Sie je ein Protokoll anfertigen, das die wichtigsten Aspekte aus den Texten und der Plenumsdiskussion zusammenfasst. Am Ende des Protokolls sollen Sie für sich persönlich die genannten Aspekte abwägen und ein Fazit formulieren. Jedes Protokoll hat einen Umfang von zehn bis zwölf Seiten. Standardformatierung.“ Lilly musste unweigerlich Jakob angrinsen, der sein Gesicht in den Händen vergraben hatte. „Eine Serifenschrift Ihrer Wahl, Schriftgröße zwölf, eineinhalbfacher Zeilenabstand …, ja bitte …?“
Heikes Hand war in die Luft geschnellt. „Aber letztes Jahr mussten die Studenten nur eine Hausarbeit mit einem zehnseitigen Umfang schreiben.“
„Dann freuen Sie sich, dass Sie bei mir mehr lernen dürfen.“
Nun rollte sie mit den Augen. „Und Professor Fischer-Martinsen hat das als Modulverantwortlicher abgesegnet? Schließlich ist er Ihr Vorgesetzter.“
„Hat er. Ich bin für diese Veranstaltung der Prüfer und darf die Prüfungsleistung selbst festlegen. Lassen Sie das meine Sorge sein und konzentrieren Sie sich auf Ihr Studium.“
Heike ließ nicht locker. „Sie haben vorhin aber richtig gesagt, dass Sie keine Anwesenheit kontrollieren dürfen. Nun fordern Sie aber, dass etwas, das im Kurs besprochen wird, Teil der Prüfungsleistung sein soll! Ist das überhaupt rechtens?“, quiekte Heike mit selbstsicherem Lächeln.
„Ihre Anwesenheit wird dadurch nicht kontrolliert. Sie haben dieses Semester dreizehn Termine und bei minimal zwei davon müssen sie präsent sein und sich Notizen machen.“
„Und das Hochschulgesetz? Das werde ich prüfen lassen. Mein Vater ist Anwa –“.
„Professor Fischer-Martinsen hat mich bereits vor Ihnen gewarnt“, unterbrach Max Schmidt sie. Heikes Gesicht nahm die Farbe einer reifen Tomate an. „ Nein, das ist nicht richtig. Warnen impliziert, dass ich mit Ihnen einen Grad ernstzunehmender Gefahr assoziiere – was ich allerdings nicht tue.“ Seine Stimme hatte einen beinahe gelangweilten Ton angenommen. „Sie scheinen zu der Art von Studierenden zu gehören, die man unter der Kategorie special snowflake einordnen würde.“
„Was erlauben Sie sich?“, kreischte Heike. „Warten Sie nur ab, bis –“
Er lief zu Hochtouren auf. „Kaum am Meckern, sobald ein bisschen mehr Leistung gefordert wird?“ Seine Stimme ging ins Lachen über. Einige Studierende, auch Sandy, taten sie ihm gleich. „Und dann vergleicht man sich mit den Studierenden von vor einem Jahr. Ganze zehn Seiten weniger! Donnerwetter! Zehn! Jetzt packen Sie als letzte Verteidigung ihr gefährliches Halbwissen um das Hochschulgesetz aus. Wissen Sie überhaupt, was da außer der Anwesenheitspflicht noch drinsteht? Ihre Pflichten als Studierende! Aber Hauptsache, dann kommen Sie dann noch mit Ihrem Papi-Anwalt!“, er machte eine kurze Pause und atmete tief ein. „Ich schlag Ihnen etwas vor. Erstens, Sie können meinen Kurs verlassen und hoffen, dass nächstes Semester jemand anderes ihn anbietet, der zehn Seiten weniger fordert. Zweitens, Sie können Papi zur Rate ziehen und ich involviere das Prüfungsamt und Professor Fischer-Martinsen. Wir diskutieren in aller Ruhe aus, wer Recht hat. Allerdings haben wir Wichtiges zu tun und der Prüfungsausschuss würde vor Jahresende, also weit nach dem Ende des aktuellen Semesters, kein Urteil fällen. Oder drittens: Sie benehmen sich so, als wären Sie einigermaßen volljährig und zurechnungsfähig, und kommen Minimum zwei Mal in meine Veranstaltung. Sie müssen auch nicht aktiv an den Diskussionen teilnehmen. Einfach in der Ecke sitzen, schmollen und Worte mitkitzeln genügt und am Ende legen Sie mir ihre