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Herz durchdringt, wenn die Wolke der Düsternis und Einsamkeit über der Seele der Freundschaft und des Vertrauens schwebt, dann wendet sich das Herz der behütenden Liebe des Ewigen zu, und findet in ihrem stillen Frieden Ruhe. Niemand, der sich dieser Liebe nähert, wird trostlos weggeschickt und niemand wird in der dunklen Stunde der Prüfung verlassen.

      Die Herrlichkeit der göttlichen Liebe kann nur im Herzen des durch das Leid geläuterten Menschen geoffenbart werden, und das Ebenbild des himmlischen Zustands kann nur wahrgenommen und verwirklicht werden, nachdem die leb- und formlosen Ablagerungen der Unwissenheit und des Selbst weggehauen wurden.

      Nur die nicht nach persönlicher Befriedigung oder Erwiderung trachtende Liebe, nur die unparteiische Liebe, die keinen Herzenskummer hinterlässt, kann göttlich genannt werden.

      Der an das Selbst und an die trostlosen Schatten des Übels geknebelte Mensch stellt sich die göttliche Liebe als etwas vor, das zu einem unerreichbaren fernen Gott gehört. Für ihn ist die göttliche Liebe etwas, das ihn nicht betrifft und das sich außerhalb von ihm abspielt.

      In der Tat befindet sich die Liebe Gottes immer außerhalb des Zugriffsbereichs des Selbst, doch sobald Herz und Geist vom Selbst befreit sind, wird die höchste Liebe, die Liebe Gottes, eine innere Realität.

      Diese innere Verwirklichung der heiligen Liebe ist die viel beredete und kaum verstandene Liebe Christi; die Liebe, welche die Seele nicht nur vor der Sünde errettet, sondern sie über die Macht der Versuchung erhebt.

      Doch wie lässt sich diese hohe Form der Liebe erreichen?

      Die Antwort, welche uns die Wahrheit immer schon gegeben hat und immer geben wird, lautet: „Machet euch leer und ich fülle euch.“

      Die göttliche Liebe kann erst erfahren werden, wenn das Selbst tot ist, denn das Selbst ist eine Verleugnung der Liebe, und wie könnte etwas Verleugnetes erfahren werden?

      Erst nachdem der Stein des Selbst von der Grabkammer der Seele weggerollt wurde, streift der bislang gekreuzigte, tote und begrabene unsterbliche Christus, der reine Geist der Liebe, die Tücher der Unwissenheit ab, und ersteht in all seiner Herrlichkeit auf.

      Falls Sie nicht glauben können, dass der Geist der Liebe täglich an das dunkle Kreuz der selbstsüchtigen Wünsche genagelt wird, frönen Sie einem Irrglauben, und haben die Liebe Christi nicht einmal annähernd erfahren.

      Sie sagen mir nun, dass Sie die Erlösung in der Liebe Christi kennen würden. Sind Sie von Ihrer Launenhaftigkeit, Ihrer Gereiztheit, Ihrer Eitelkeit, Ihren Verwünschungen, Ihren Aburteilungen und Ablehnungen Ihrer Mitmenschen erlöst? Falls nicht, wovon sind Sie dann erlöst? Wobei haben Sie die verwandelnde Liebe Christi erfahren?

      Wer die göttliche Liebe erfahren hat, ist ein neuer Mensch geworden und lässt sich von den alten Elementen des Selbst nicht mehr herumschubsen und beherrschen.

      Er ist für seine Geduld, Reinheit, Selbstbeherrschung, Souveränität, sein Mitgefühl und seine Güte bekannt.

      Die göttliche oder selbstlose Liebe ist nicht nur ein Gefühl; sie ist ein Zustand des Wissens, welcher die Vorherrschaft des Bösen und den Glauben an das Böse zerstört, und die Seele auf die Erkenntnis einer höheren Instanz erhebt. Für den Weisen sind Wissen und Liebe ein und dasselbe.

      Die ganze Welt bewegt sich auf eine umfassende Erkenntnis dieser göttlichen Liebe zu. Dies ist der Sinn und Zweck des Universums, und jedes Haschen nach Glück, jedes Hinausgreifen der Seele auf Objekte, Ideen und Ideale ist eine Bemühung, dies zu erkennen. Doch gegenwärtig erkennt die Welt diese Liebe nicht, weil sie nach dem flüchtigen Schatten greift, und in ihrer Blindheit die Substanz übersieht.

      Und so gehen Leid und Elend weiter, und müssen solange weitergehen, bis die Welt infolge der Lehren, die sie aus den sich selbst zuzuschreibenden Quallen zieht, entdeckt, dass die Liebe selbstlos ist und dass die Weisheit ruhig und friedvoll ist.

      Diese Liebe, diese Weisheit, dieser Friede, dieser ausgeglichene Geistes- und Herzenszustand kann von allen Menschen erreicht und verwirklicht werden, die bereit sind, das Selbst loszulassen, und die demütig alles, was die Aufgabe des Selbst beinhaltet, leben wollen.

      Im Universum gibt es keine willkürliche Macht und die stärksten Schicksalsketten, welche die Menschheit gefangen halten, wurden vom Menschen selbst geschmiedet. Die Menschen sind an Leid verursachende Umstände geknebelt, weil sie selbst es so wollten, weil sie in ihre Ketten vernarrt sind, und weil sie ihr kleines Verlies des Selbst für etwas Schönes halten; sie haben Angst davor, dieses Verlies zu verlassen, weil sie dann alles für real und wünschenswert Gehaltene zu verlieren befürchten.

      Die innewohnende Macht, welche die Ketten schmiedete und das dunkle und enge Verlies erbaute, kann aufgebrochen werden, wenn dies gewünscht wird, und die Seele wird dies wünschen, sobald sie die Nutzlosigkeit ihres Verlieses erkannt hat und sie durch langes Leiden auf den Empfang des endlosen Lichts und Liebe vorbereitet wurde.

      So wie der Schatten der Gestalt nacheilt und der Rauch auf das Feuer folgt, so folgt auch Wirkung auf Ursache, und Leiden und Glück folgen den Gedanken und Taten der Menschen.

      Auf der Welt gibt es keine einzige Wirkung, welche nicht auch eine offene oder verdeckte Ursache hätte, und diese Ursache ist absolut gerecht.

      Der Mensch erntet Leid, weil er in naher oder ferner Vergangenheit Schlechtes gesät hat; er erntet Glück, wenn er Samen des Guten ausgesät hat.

      Möge der Mensch darüber nachdenken und möge er versuchen, diese Zusammenhänge zu verinnerlichen. Dann wird er nur noch Samen des Guten ausstreuen, und die Unkräuter, die er bisher im Garten seines Herzen wuchern ließ, verbrennen.

      Dass die Liebe selbstlos ist, kann die Welt nicht verstehen, weil sie ihren eigenen Vergnügungen nachläuft und in enge Bahnen vergänglicher Interesse eingepfercht ist; in ihrer Unwissenheit hält sie diese Vergnügungen und Interessen für reale und dauerhafte Dinge.

      In den Flamen fleischlicher Gelüste gefangen und qualvoll gepeinigt, kann sie die reine und friedliche Schönheit der Wahrheit nicht erkennen. Von niederen Trieben des Irrtums und der Selbsttäuschung gepeitscht, wird sie aus dem Herrschaftshaus der alles sehenden Liebe ausgesperrt.

      Da dem Menschen diese Liebe abgeht und er sie nicht versteht, greift er zu einer Unzahl scheinbarer Verbesserungen, die keinerlei innere Opfer verlangen, und jedermann glaubt, dass gerade seine Reform die Welt nunmehr für immer und ewig in die richtigen Bahnen lenken würde, während er selbst weiterhin in seinem Herzen dem Übel frönt. Von Verbesserung kann nur dann die Rede sein, wenn das menschliche Herz verbessert wird, denn von dort geht alles Übel aus. Die Welt wird die Lektion der göttlichen Liebe erst dann gelernt haben, wenn sie der Selbstsucht und dem Wettstreben entsagt.

      Möge der Reiche aufhören, den Armen zu verachten, und möge der Arme aufhören, den Reichen zu verdammen. Möge der Gierige Freigiebigkeit lernen und der Lüsterne rein werden. Möge der Feilscher auf Wettstreit verzichten und der Lieblose gütig werden. Möge sich der Neidvolle am Wohlbefinden anderer erfreuen und der Verleumder sein schändliches Tun einstellen. Dann betreten wir fürwahr ein goldenes Zeitalter. Wer sein eigenes Herz läutert, ist der größte Wohltäter der Welt!

      Wenngleich die Welt gegenwärtig von einem goldenen Zeitalter – der Verwirklichung der selbstlosen Liebe - noch ausgeschlossen ist, und dies auch noch lange so sein wird, können Sie es, sofern Sie dies wünschen, ab sofort betreten, wenn Sie sich über Ihr selbstsüchtiges Selbst erheben, von Vorurteilen, Hass und Verdammung ablassen, und sich der sanftmütigen und verzeihenden Liebe hingeben.

      Wo Hass, Abneigungen und Verdammung herrschen, kann die Liebe nicht gedeihen. Die Liebe kann nur im Herzen des von jeglicher Verdammung geläuterten Menschen wohnen.

      Sie werden nun einwenden: „Wie soll ich den Trunkenbold, den Scheinheiligen, den Kriecher, den Meuchelmörder denn lieben können? Solche Gestalten kann ich nur ablehnen und verdammen.“

      Gefühlsmäßig werden Sie solche Menschen nicht lieben können, aber wenn Sie sagen, dass Sie nicht anders können, als sie abzulehnen und zu verdammen, geben Sie auch zu erkennen, dass Sie mit der großen allumfassenden

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