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Dazu zählt vor allem die weltweite Klimaschutz-Bewegung Fridays for Future, die als ein Symbol für das Wiedererwachen Gaias gelten mag. Und vielleicht kann auch das vorliegende Buch zu einem Umdenken in diese Richtung beitragen, da es mit seinem ergreifenden Hymnus an die Mutter Erde an eine Zeit erinnert, in der es allgemein üblich war, unserer Erde als einem lebendig-beseelten Organismus gegenüber zu treten, ja als einer Wesenheit, der man Respekt, Dankbarkeit und Verehrung schuldete.

       Mutter Erde – die Göttin

      Um das Zentralgestirn unseres Sonnensystems ziehen, wetteifernd im Sphärengesang, seit urher die Planeten ihre Bahn, die mit ihrem sichtbaren Himmelslauf zugleich eine höhere kosmische Bestimmung erfüllen. Jeder Planet, vom sonnennahen flinken Merkur bis zum entrückten finster-kalten Pluto, ist ein Teil der kosmischen Gesamtordnung, jeder hat seinen besonderen Platz im All; und in der Erfüllung der je eigenen Aufgabe wirken sie alle zusammen nach ewigen Harmoniegesetzen. Im Reigen der Planetengeister schwingt seit Urzeiten auch die Erde mit: ein lebendiges Wesen, von den Völkern der Frühzeit verehrt als Göttin, Allmutter und Lebensträgerin.

      Bekannt sind die Namen, unter denen »Mutter Erde« angebetet wurde: in der altgriechischen Kultur als Ge, Gäa oder Gaia, zuweilen auch als Demeter; im kleinasiatischen Raum als Kybele. Die Verehrung der Großen Muttergottheit, von der jungsteinzeitlichen Magna Mater bis hin zur ägyptischen Allgöttin Isis, war auch ein Kultus der Göttin Erde. Die Erde! Betrachten wir nur einmal ihre äußere Gestalt, so sehen wir schon, dass sie – wie der Mensch selbst! – ein großer lebendiger Organismus ist, gewirkt nach demselben Urbild, das allem Lebendigen zugrunde liegt. Zwischen Mensch und Erde, homo sapiens und Gaia, besteht tatsächlich eine weitgehende Gestaltähnlichkeit: Wie der Mensch zu 70 % aus Körperflüssigkeit besteht, so bilden – äußerlich gesehen – die Ozeane den Großteil der im Planetenreigen durch das All kreisenden Erdgestalt. Die Flüsse und Bäche sind die Adern der Erde, das Felsgestein ihr Knochenmark, der weiche Humus ihr Fleisch; die Wälder sind ihre Atmungsorgane und Lungen. Ja, auch ein Nervensystem hat die Erde: ein Netz von Meridianen, durchflossen von unendlich subtiler feinstofflicher Energie, durchzieht ihren Planetenkörper. Auch der Mensch besitzt solche Körpermeridiane. Die Atmosphäre umgibt die Erde wie ein schützender Mantel: eine Schutzhülle, die sie sowohl vor übermäßiger Sonneneinstrahlung bewahrt als auch vor der Kälte des Weltraums. In der nordisch-germanischen Mythologie hieß die Erde einfach MidgardMittelerde, die Menschenwelt. Der Sage nach wurde sie aus dem Körper des Urriesen Ymir gebildet, aus seinem Fleisch und Blut:

      Aus Ymirs Fleisch

      Ward die Erde geschaffen,

      Aus dem Gebein das Gebirg,

      Der Himmel aus dem Schädel

      Des schneekalten Riesen,

      Die Brandung aus dem Blut.1)

      In diesen Versen aus der germanischen Edda erscheint die Erde als ein makrokosmischer Mensch, ein Wesen mit Knochengerüst, Haut und Haaren, mit Fleisch und Blut, wobei die Landschaften der Erde den verschiedenen Körperteilen dieser gewaltigen kosmischen Wesenheit entsprechen. Die Erde ist also – wie der Mensch selbst – ein vollkommener physisch-geistiger Organismus, gewirkt aus den ätherischen Kräften des Alls, ausgestattet mit Organen und Körperfunktionen sowie mit Wachstums-, Entwicklungs- und Selbstheilungskräften. Indessen, die physische Erde ist nur das äußerlich sichtbare Abbild der geistigen Erde – wobei »Geist« und »Materie« allerdings als eine untrennbare Einheit zu sehen sind, gleichsam zwei Seiten derselben Münze. Der Geist der Erde hat sich im Laufe eines vier Milliarden Jahre dauernden Weltwerdens aus den Nebeln des Schöpfungsuranfangs über zahlreiche Entwicklungsschritte bis zu dem herangebildet, was er heute ist: Heimstätte der Menschheit im All und Quellort geistiger Höherentwicklung! Ständig kommuniziert der Geist der Erde mit anderen Planetengeistern; denn er ist ja ein Teil des Sonnensystems. Durch die Weltalter hindurch entwickelt sich der Erd-Geist höher in zunehmender Bewusstheit.

      Vor allem aber ist die Geistigkeit der Erde eine weibliche, nicht eine männliche! »Fast in allen Sprachen wird die Erde weiblich und, ein Gegensatz zu dem sie umfangenden väterlichen Himmel, als tragende, gebärende, fruchtbringende Mutter aufgefasst«2) – mit diesen Worten begann Jakob Grimm seine Ausführungen über die Erdgöttin in der Deutschen Mythologie, und das dort Gesagte hat auch heute noch Gültigkeit. Die Weiblichkeit der Erde ist keine bloß eingebildete, sondern eine tatsächliche. Weit verbreitet in den alten Volksüberlieferungen ist der Kult um die Mutter Erde: zahlreiche im Brauchtum verwurzelte Fruchtbarkeitsriten, Flursegen, Saat- und Erntebräuche rufen die Erde als Mutter und Ernährerin an; auch als Schutzherrin menschlicher Geburt, Hüterin der Ehe und Heimstatt der Verstorbenen wird sie verehrt. Die Erde ist gleichsam der Mutterschoß, aus dem wir kommen, und in den wir dereinst wieder eingehen – denn auch wir sind ein Teil der Natur. Uralt ist vor allem die männlich-weibliche Polarität zwischen Himmel und Erde.

      Die Mysterien der Mutter Erde sind auch die Mysterien des Ewig-Weiblichen. In der von C. G. Jung begründeten Tiefenpsychologie wird davon ausgegangen, dass es vier Erscheinungsformen der Anima – des Urweiblichen – gibt; sie heißen: Eva, Helena, Maria und Sophia. Die Erdgöttin als mythisches Wahrbild verkörpert alle vier Entwicklungsstufen der Anima; sie ist Eva, Helena, Maria und Sophia zugleich! Als Mutter, als Gebärende, als fruchtspendende Ernährerin wird die Erdgöttin zunächst in allen mythischen Überlieferungen bezeichnet, als Herrin über Saat und Ernte, zuweilen auch als Hüterin des Totenreiches; damit wird der Eva-Aspekt der Erde ausgedrückt. Sie ist die Üppige, Fruchtbringende, Gebärende. Der Helena-Aspekt der Erde zeigt sich vor allem in den Mythen, in denen die Erdgöttin die »Heilige Hochzeit« mit dem Himmelsgott begeht; aber damit ist die geistige Bedeutung der Erde noch nicht ausgeschöpft. Denn die Göttin der Erde ist ja immer auch die Weissagende, und der Archetyp des Weiblichen, der darin zutage tritt, ist jener der Maria, Sophia – die Frau als Hohepriesterin! »In den Träumen der Frau«, schreibt M.- L. von Franz, »tritt das Selbst, wenn es sich personifiziert, als überlegene weibliche Gestalt auf, zum Beispiel als Priesterin, Zauberin, Erdmutter, Natur- oder Liebesgöttin.«3)

      Weibliches Priestertum und Seherkraft sind mit der planetarischen Wesenheit der Erde engstens verbunden, und die weissagenden Priesterinnen Alt-Europas waren nichts anderes als Dienerinnen der Erdgöttin. Weise Frauen waren sie, und die Kultplätze dieser uralten matriarchalischen Religion wurden auf Orten konzentrierter Erdkräfte errichtet; als Beispiel hierfür sei das Orakel von Delphi genannt. Die delphische Pythia, in Wahrheit eine Hohepriesterin der Erdgöttin, bezog ihre Seherkraft aus jener tiefen Erdspalte, über der sie saß. Die von dort aufsteigenden Dämpfe ließen sie in Verzückung geraten und weissagen. Die älteste Form der Weissagung ist überhaupt diejenige, die aus der magischen Verbindung mit dem Element Erde erwächst.

      Das Orakel zu Delphi, diese alteuropäische Mysterienstätte, war ursprünglich nicht dem männlichen Lichtgott Apollon geweiht, sondern der Erdgöttin Gaia. Aber aus der Zeit des Gaia-Kultes gibt es kaum noch Überlieferungen. So schreibt auch Thassilo von Scheffer: »Apollon ist nicht der ursprüngliche Besitzer und Urgott von Delphi. Hier herrschte als ein uns zuerst erkennbarer Kult ein solcher der Gaia (Erde) und wohl auch der Themis (Göttin heiliger Satzung), die auch schon Orakel gaben, über deren Erteilung wir aber nichts Näheres wissen. Jedenfalls galten auch beide als Verkünderinnen göttlichen Willens. Aber auch die alte Herdgöttin Hestia hatte hier ihre Opferstätte, auf der ein ewiges Feuer bei dem ‚Nabel der Erde‘ unterhalten wurde. Auch der Drache weist auf chthonische Gottheiten,

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