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auf der schmalen Nase, so saß er mir gegenüber. Ein Mann von etwa zweiunddreißig Jahren und von Ehrgeiz besessen, das sah ich ihm an.

      „Und welche Schlüsse haben Sie aus dem Schreiben an mich gezogen?“, fragte er kalt. Ja, kalt klang seine Stimme. Der ganze Mann war von einer Verstandeskälte, wie ich es selten bei einem Manne bemerkt hatte.

      Ich sagte: „Ich weiß dazu folgendes: Die Diamond-Brücke liegt achtundzwanzig Meilen von der gesprengten Brücke entfernt. Über die Diamond-Brücke laufen die umgeleiteten Züge der A.P. & N.Y. Bahnen. Um zwölf Uhr zwei fährt aus Shamokin kommend der Express 253 darüber hinweg, also der Zug, den man schon einmal in die Tiefe jagen wollte.“

      „Und was gedenken Sie mit Stellcass zu tun?“, fragte er scharf.

      Sein Eifer amüsierte mich mehr, als mich sein arroganter Ton ärgerte. „Ich kann keinen Schwerkranken entlassen, Sir. Und wie Sie wissen, ist Stellcass im Dakota-Hospital.“

      „Aber in Haft?“

      Ich lachte. „Natürlich. Aber was ändert das? Er liegt im Bett und wird gepflegt wie jeder andere Kranke. Ob ich nun den Cop, der ab und zu nach ihm sieht, wegziehe oder dort belasse. Es bleibt sich gleich.“

      Mein Lachen passte ihm nicht. Er funkelte mich durch die Gläser an. „Es geht hier um einen Anschlag auf die A.P. & N.Y. Railroad! Um Menschenleben!“

      „Stellcass ist ein Vorwand, sehen Sie das nicht?“, fragte ich. „Hier steckt eine Menge mehr dahinter. Die Brücke fliegt auch in die Luft, wenn wir Stellcass entlassen. Der Verdacht soll nur auf ihn gelenkt werden. Und deshalb werde ich ihn nicht entlassen, sondern einen anderen Weg einschlagen.“

      „Welchen?“, fragte er. Jetzt schien er gespannt zu sein, aber nicht überzeugt.

      Ich lehnte mich zurück und sah ihn besorgt an. „Sie lassen sich zu sehr von dem Brief beeinflussen, Sir. Genau das aber wollen unsere Gegner.“

      „Sie haben Nerven, Mr. McAllister! Es wird morgen in allen Zeitungen stehen, da wird dieser Briefschreiber bestimmt nicht untätig sein. Und was glauben Sie, was die Öffentlichkeit dazu sagt?“

      „Lassen wir uns von Tatsachen leiten oder von der öffentlichen Meinung?“

      Er sah mich giftig an. Ich konnte mir denken, was in ihm vorging. Und prompt sagte er: „Natürlich richten wir uns nach Tatsachen. Die öffentliche Meinung ist eine! Und was diesen Stellcass angeht, so fordere ich, dass er unter schärfste Beobachtung gestellt wird, dass in dieser Hinsicht alle Kräfte ...“

      Ich holte tief Luft und sagte, bevor er mit seinem Satz zu Ende war: „Stellcass wird beschattet, aber nur im üblichen Rahmen. Okay, Sir, verplempern wir nicht unsere kostbare Zeit. Morgen Abend wird keine Brücke gesprengt sein, und wir werden wohl auch diesen Fall soweit haben, dass er als abgeschlossen gelten kann.“

      Er starrte mich verblüfft an. „Soll das eine amtliche Prognose sein?“

      „Darauf können Sie Wetten abschließen. Ich jedenfalls bin meiner Sache jetzt ziemlich sicher.“ Ich erhob mich und wandte mich der Tür zu.

      17

      Es war Mitternacht.

      Mein Optimismus legte sich sehr, als ich an die kühle Luft kam. In zwölf Stunden sollte die Diamond-Brücke gesprengt werden. Das konnte man aller Voraussicht nach verhindern, wenn es nicht nur ein Bluff war. Ich glaubte aber weniger an einen Bluff. Denn in diesem Zuge befanden sich einundzwanzig Passagiere, die schon einmal im gleichen Express gesessen hatten: Die Girls der Revuetruppe. Der gleichen Revue, die vor kurzem noch von Boulanger geleitet worden war.

      Larry hatte das herausgefunden. Und zwar fand in Allegheny ein Gastspiel statt. Die Theaterleitung hatte einen ganzen Wagen des Express reservieren lassen. Genau wie vorgestern. Ob nun Zufall oder Absicht, es war derselbe Zug.

      Der Express 253

      Der Schlüssel zu allem lag bei Stellcass, da mochte der Staatsanwalt schon recht haben. Nur nicht so, wie es zunächst den Anschein hatte.

      Ich fuhr zum Hospital. Und wenn die gesamte Ärzteschaft Kopfstände machte, ich musste Stellcass sprechen.

      Unterwegs hielt ich an einer Telefonzelle an und sprach mit Larry. So, wie die Dinge lagen, war es besser, er kam mit. Denn wenn meine Theorie stimmte, und es war nicht nur eine Theorie, begann sich der Fall zuzuspitzen. Meine Prognose dem Staatsanwalt gegenüber wollte ich noch weit unterbieten. Morgen Mittag 12 Uhr sollte nicht nur keine Brücke gesprengt werden, ich wollte auch den Kopf der Bande gefasst haben. Dass es eine Bande war, daran glaubte ich jetzt sicher.

      Aber irren ist menschlich, und wie es wirklich war, konnte ich noch nicht ahnen.

      Ich erwartete Larry vor dem Hospital. Er kam mit einem Streifenwagen. Die Cops setzten ihn nur ab, dann fuhren sie weiter.

      Larry wirkte müde und abgespannt. Jetzt war er es, der sich nur noch mit Mühe wachhalten konnte.

      „Ist deine Batterie leer?“, fragte ich ihn teilnahmsvoll.

      Er winkte unwirsch ab. „Pah, jetzt nehme ich noch den Mount Everest im Alleingang.“

      Wir traten durch das Portal. „Du siehst gerade so aus wie ein gut trainierter Bergsteiger. Aber warte nur, nachts fährt der Lift nicht, dann kannst du bis zum fünften Geschoss die Treppen steigen.“

      Larry blieb stehen. „Hölle!“ keuchte er. „Auch das noch.“

      Ich lachte. Der Pförtner in der Loge sah mich griesgrämig an, als habe er etwas dagegen, wenn Leute in einem Hospital lachen. Noch dazu mitten in der Nacht.

      Mein Ausweis genügte ihm, er machte auf. Dann bat er uns, zu warten. Per Telefon rief er nach einer Schwester, die uns zu Stellcass′ Zimmer führen sollte. Als sie dann kam, rollte Larry trotz seiner Müdigkeit überrascht die Augen. Na ja, ehrlich gesagt, ich habe auch nicht gerade weggesehen.

      Sie war hübsch, schlank und rank, jung und blond, und trotz der späten Stunde lächelte sie nett.

      Sie führte uns die Treppe hinauf, und Larry vergaß völlig, wie ungern er Treppen steigt.

      Plötzlich fragte mich Larry, nachdem er zuvor unentwegt auf die hübsche Schwester eingeredet hatte: „Sag mal, Rex, übermorgen Abend liegt ja wohl kaum was an, wie?“

      Ich ahnte, worauf er hinaus wollte, aber ich erwiderte scheinbar unbefangen: „Na ja, ich denke auch, dass wir dann etwas Zeit haben.“

      Das hübsche Kind sah erwartungsvoll auf Larry, und prompt sagte der: „Wie wär’s dann, Schwesterherz, könnten wir uns nicht treffen? Ich lade Sie ein zu einem vergnügten Abend.“

      Eigentlich wollte ich etwas einwerfen, einen bissigen Scherz oder eine spöttische Bemerkung. Doch dann machte ich eine erstaunliche Entdeckung und schwieg. Indessen waren wir auch am Zimmer von Stellcass angelangt. Vor der Tür saß ein uniformierter Beamter, der gerade seine Zeitung weglegte, in der er offenbar Kreuzworträtsel gelöst hatte.

      Er kannte mich, und so waren wir schnell im Zimmer. Die hübsche Schwester wollte sich verabschieden, aber ich dachte anders darüber und sagte: „Schwester, bleiben Sie doch bitte! Wir finden ja nachher nicht zurück, und mein Kollege könnte inzwischen seelische Schmerzen der Einsamkeit erleiden.“

      Sie lächelte, weil ich auch lachte, und so blieb sie. Larry sah mich verwundert an und kniff die Augen zusammen. Vielleicht dachte er, auch ich wäre verknallt in die Kleine.

      Stellcass lag allein in diesem Raum. Er schlief.

      „Ach, da fällt mir etwas ein, Larry: Hast du dir die Autonummer von dem gelben Wagen notiert?“, fragte ich Larry, der mich zunächst verblüfft ansah. Erst als ich ihm zuzwinkerte, begriff er.

      „Hm, ich glaube nicht.“

      Die blonde Schwester war inzwischen ans Bett getreten, und fühlte dem Schlafenden

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