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Gerede bringt uns nicht weiter. Was willst du jetzt tun?«

      Er dachte auch als Erster wieder praktisch.

      »Das Bier für unsere Markttage kann ich natürlich vergessen«, erwiderte der wütende Braumeister.

      »Und den Zehnten deines Herrn dafür auch«, setzte er gleich noch eins drauf. »Aber er trägt seinen Spitznamen ›Der Einfältige‹ ja nicht zu Unrecht, also wird er es wahrscheinlich gar nicht bemerken.«

      Der Ordnungshüter schaute erst böse drein, als sein Herr beleidigt wurde, er war desgleichen jedoch schon gewohnt, und so trug er es mit Fassung.

      »Das bedeutet also nichts anderes, als dass wir das Bier wieder einmal aus Nordhausen heranfahren müssen. Wir machen uns langsam zum Gespött des Landes. Seit 150 Jahren haben wir eine Bierbannmeile, um zu verhindern, dass jemand im Umkreis von einer Meile rund um Weißensee Bier verkauft oder ausschenkt, außer wenn es von dir stammt.«

      Die Erwähnung der Bierbannmeile brachte Pauls Gestik wieder auf Touren, seine Arme rotierten wie Windmühlenflügel.

      »Und zum wiederholten Male müssen wir den Bann aufheben, weil wir sonst kein Bier haben. Ich verliere so langsam die Lust am Bierbrauen. Du musst mir helfen und den Mistkerl finden, der verhindern will, dass wir hier gutes Bier brauen.«

      Matthias langte nach oben und schlug Paul jovial auf die Schulter.

      »Wir werden ihn finden, und ich verspreche dir, er wird es teuer bezahlen.«

      Er drehte sich um und machte Anstalten zu gehen.

      »Komm mit zum Essen. Das wird dich aufmuntern. Es gibt gedämpfte Biberschwänze.«

      Er lachte hämisch.

      »Das ist das Beste, was wir auf dem Speisezettel haben, solange die Fastenzeit noch andauert.«

      Paul schaute immer noch grimmig drein.

      Dann entspannte sich seine Mimik, und er stimmte ins Lachen seines Gefährten ein.

      »Ja, lass es uns den Viechern heimzahlen, falls sie es doch gewesen sind.«

      Auf der Runneburg

      Wiederum zwei Tage später hatte auch der Landgraf von Thüringen, Fürst Friedrich, die Geschichte vom ›Scheißedamm‹ vernommen. Friedrich, mittlerweile fast 50 Jahre alt, entstammte dem Hause der Wettiner und verbrachte die meiste Zeit auf seiner Runneburg in Weißensee. Er selbst nannte sich ›der Vierte‹, während seine Untertanen, je nach Lust und Laune, entweder den ›Friedfertigen‹ oder den ›Einfältigen‹ an den Friedrich dranhängten.

      An diesem Morgen passte keines der beiden Anhängsel zu seiner Laune. Aufgebracht vom Bericht des Büttels, beschloss er, an den bestehenden Gesetzen etwas zu ändern.

      Sogar seine Ehefrau, die Gräfin Anna, hatte ihn selten so erregt gesehen. Normalerweise gab sie die Richtung vor, was politische Entscheidungen oder die Regierungsarbeit anging.

      Der Büttel und Gräfin Anna, die ihn an Größe leicht überragte, waren zwar nur ein kleines Publikum, Friedrich plusterte sich dennoch auf, als wolle er eine Regierungserklärung abgeben. Immer wenn er sich in Pose stellte, sah das unfreiwillig komisch aus, da seine Extremitäten für seine durchschnittliche Körpergröße zu lang und dünn geraten waren. Zusammen mit seinem leicht korpulenten Mittelteil ergab das für Beobachter den Anschein, als wäre er aus verschiedenen Körpern zusammengesetzt worden, die nicht zueinanderpassten. Seine Stimme erschallte durch das fürstliche Besprechungszimmer, das sich im Erdgeschoss der Burg gleich neben dem Audienzzimmer befand:

      »Da haben wir einen prachtvollen Brauherren, den Paul, der sich nach Kräften bemüht, ein gutes und gesundes Bier zu brauen. Und immer dann, wenn ein größeres Fest oder ein Markt ansteht, pfuscht ihm jemand ins Handwerk.«

      Er holte tief Luft und nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Krug, in dem sich warmer gewürzter Wein befand.

      »Ich mag das Bier aus Nordhausen nicht. Es ist gepanscht und macht bisweilen toll im Kopf, wenn sie die falschen Würzkräuter zusetzen. Nicht nur die Grutmischung ist zweifelhaft. Leider ist es das einzige Brauhaus, das immer ausreichend Bier übrig hat, um uns zu beliefern, als würden sie darauf warten, uns Bier verkaufen zu dürfen. Und das, obwohl Kaiser Karl IV. schon vor langer Zeit für den Brauherrn Dietrich in Nordhausen eine Bierbannmeile proklamiert hat. Daher sollte der sein Bier doch eigentlich in der eigenen Stadt reichlich verkaufen können.«

      Erneut hob er den Zinnkrug und setzte an.

      »Aber zurück zum Grund unserer Erregung. Wir werden zwei Dinge veranlassen: Du«, er zeigt auf den dicken Matthias, »wirst den Schuft finden, der unser Brauwasser verdirbt. Und du, meine Gräfin«, er winkte in Annas Richtung, »wirst dir mit mir ein Gesetz ausdenken, damit wir zukünftig hier im Fürstentum und in Weißensee sauberes Bier trinken können.«

      Der Weinkrug war mittlerweile zur Gänze geleert.

      »Ja, ich trinke zwar lieber den Wein als das Bier, aber ein Gesetz für sauberes Bier wäre auch ein Wunsch meines seligen Vaters gewesen. Der alte Balthasar war ein gewaltiger Biertrinker vor dem Herrn. Am Ende seines Lebens hat er nur noch in der Wartburg gesessen und sich von Bier ernährt. Wir sollten außerdem sehen, dass wir jemanden finden, der durchs Land reist und den Brauern in die Töpfe schaut und untersucht, welche Rezepturen verwendet werden. Diese Profession gibt es noch nicht, wohl weil sie nicht ohne Gefahr ist.«

      Wieder einige Tage darauf hörte der dicke Matthias in einer Schenke, die er regelmäßig kontrollierte, dass Dieter, der Dorftrottel, trotz des Verbotes, ihm Bier auszuschenken, irgendwie an Bier gelangt war. Er war schnell so volltrunken gewesen, dass er nur noch stammelte. Aber was er stammelte, handelte von einem Damm, den sie angeblich für einen Gulden Lohn gebaut hatten, wobei der Auftraggeber tatsächlich der Brauherr Dietrich aus Nordhausen gewesen war. Und die Hälfte davon – »einen Viertel Gulden, ehrlich!« – hatte er erhalten, aber bereits redlich verzecht.

      Es war ein Leichtes für den Büttel, vom später wieder nüchternen Dieter den Namen seines Komplizen zu erfahren, und beide erhielten prompt eine Prügelstrafe und mussten zwei Tage lang auf dem Marktplatz am Schandpranger stehen.

      Dietrich selbst konnten sie leider nicht belangen, Nordhausen war ihrer Gerichtsbarkeit zwar nicht komplett entzogen, aber als Freie Reichsstadt und, seit Kurzem, auch Mitglied der Hanse wäre der zu erwartende Ärger größer gewesen als die übliche Strafe Dietrichs; daher wurde lediglich sein Bier mit einem einstweiligen Einfuhrverbot nach Weißensee belegt.

      Das Gesetz

      Im nächsten Frühjahr war es so weit: Das neue Gesetz ›Statuta thaberna‹ oder ›Wirtshausgesetz‹, wie es in Absprache mit dem Weißenseer Bürgermeister Hartwig Schemelraufe genannt wurde, wurde im gesamten Fürstentum verkündet und auch ins Stadtbuch von Weißensee übernommen. Friedrich war nicht nur Landgraf, sondern auch Stadtherr von Weißensee, und Unruhen innerhalb der Stadt lieferten ihm einen willkommenen Anlass zu neuen Gesetzen.

      »Da schlagen wir gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Es herrscht wieder Ruhe, und wir haben unser Biergesetz«, brüstete er sich vor seinem Hof mit seiner politischen Weitsicht, wieder einmal vergessend, dass Gräfin Anna die Idee dazu geliefert hatte.

      Friedrich und Anna hatten ganze Arbeit geleistet und nicht nur das Bier geregelt, sondern auch das Benehmen beim Biertrinken gleich mit.

      Und Friedrich wurde nicht müde, immer zu erwähnen:

      »Das Gesetz gilt natürlich auch für Biere von auswärts.«