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zwei Wochen, wenn die Spur sich als kalt herausstellen würde, die Ermittlungen an Dynamik verlieren würden, bis der Fall eventuell nur noch als vergessen und hoffnungslos in die hintersten Unmengen von Gigabytes an Akten zurückgeschoben werden würde.

      Aiden Fine hatte seine Tochter entführt. Es hatte damit begonnen, dass er sie zum Abendessen zu sich einlud. Die Gemüter erhitzen sich, es gab einen kurzen Streit und Aiden benutzte Danielles Auto, um sie in irgendein Kaff in Texas zu verschleppen. Er hatte sie dorthin gebracht, weil er wusste, dass es ein Ort war, aus dem sie einst versucht hatte zu entkommen. Danielle zu Folge hatte er gesagt, dass es eine Art und Weise gewesen war, ihren Willen zu brechen, sie wissen zu lassen, dass selbst als sie vor ihren Dämonen hatte fliehen wollen, er gewusst hatte, wo sie war.

      Obwohl das FBI ihre Story geschluckt hatte, hatte Chloe trotzdem eine Verwarnung bekommen. Sie hatte sich schließlich, als sie ihre Schwester rettete, in eine gefährliche Situation begeben. Soweit sie jedoch wussten, hatte Aiden es geschafft ihr und Danielle zu entkommen und zu fliehen.

      Chloe schaute auf das Aufnahmegerät und konnte nicht anders, als sich zu fragen, ob sie die Sache falsch angegangen waren. Die Polizisten und das FBI hatten das Aufnahmegerät natürlich nicht gesehen. Nein, das hatte Chloe mitgenommen und es hatte hier und da ein paar kleine Bemerkungen von Danielles Seite gegeben, die die wahre Geschichte erzählten – dass es sie gewesen war, die ihn entführt hatte.

      Trotzdem, sie hatten ein Geständnis. Es wäre genug gewesen, um ihn wegzusperren. Und dann hätten sie die Geschichte so hinbiegen können, dass es ausgesehen hätte, als hätte er versucht Danielle zu ermorden und sie somit dazu gezwungen hätte ihn aus Selbstverteidigung zu töten. Sicher, auf diese Weise hätte es ein paar mehr lose Enden gegeben, doch es hätte auch bedeutet, dass sie dem FBI, für das sie arbeitete, weitaus weniger Lügen erzählen müsste.

      Im Endeffekt machte es keinen Unterschied, dachte sie sich. Unabhängig davon, welche Geschichte sie aufgetischt hätten, die wichtigste aller Fragen konnte damit nicht beantwortet werden.

      Ihre Schwester hatte ihren gemeinsamen Vater umgebracht. Und wenn es dazu gekommen wäre, hätte auch Chloe ihn umgebracht, wenn es für Danielles Rettung notwendig gewesen wäre. Das warf also die Frage auf: trugen sie beide dieselbe Finsternis in sich, wie ihr Vater?

      Und jetzt, wo sie sich zusammengetan hatten, um so eine Sünde zu verbergen, hatte diese Finsternis noch mehr Macht über sie?

***

      Chloe war zu den Geräuschen des Gewitters eingeschlafen, ausgestreckt auf ihrer Couch. Als ihr Wecker am nächsten Morgen aus ihrem Schlafzimmer ertönte, setzte sie sich mit Schmerzen im Rücken auf, die das Resultat ihres unbequemen Schlafplatzes waren. Sie ging in ihr Schlafzimmer, streckte sich und knallte auf den Alarmknopf des Weckers, um ihn zum Schweigen zu bringen.

      Sie schaute sich in ihrem Schlafzimmer um und begriff, dass sie die letzten fünf Tage in einer Art Stupor verbracht hatte. Sie musste aufräumen. Sie musste Wäsche waschen. Sie musste eine anständige Mahlzeit zu sich nehmen, statt Fertiggerichte aus der Mikrowelle.

      Sie fragte sich, ob sie bei der Arbeit anrufen und sich einen Tag freinehmen konnte. Sie war sich sicher, dass Direktor Johnson durchschauen würde, dass sie nicht wirklich krank war, aber gegeben, was sie und ihre Schwester durchgemacht hatten, dachte sie, dass er es vielleicht durchgehen lassen würde. Sie nahm eine schnelle, heiße Dusche, um ihren Rücken zu lockern, in der Hoffnung, dass es ihr helfen würde aus dem Tief, in dem sie die letzten Tage gewesen war, rauszukommen. Es half ein wenig, obwohl sie die Idee ein oder zwei Tage frei zu nehmen immer noch gut fand, als sie sich abtrocknete und anzog.

      Sie war gerade dabei ihr Handy zu nehmen und den Anruf zu tätigen, doch das Gerät klingelte, bevor sie es in der Hand hatte.

      Als sie sah, dass der Anruf vom FBI Hauptquartier kam, verzog sie die Miene. Soviel zu einem freien Tag, nehme ich an…

      Sie nahm den Anruf entgegen und hörte Johnsons Sekretärin ein kurzes Guten Morgen sagen, bevor sie den Anruf an Johnsons Büroapparat weiterleitete.

      „Agentin Fine, habe ich Sie erwischt, bevor sie sich auf den Weg zur Arbeit machen konnten?“, fragte Johnson.

      „Ja, Sir.“

      „Gut. Ich brauche Sie so schnell wie möglich in meinem Büro. Wir müssen eine Einsatzeinweisung machen, wenn Sie in der Lage dazu sind.“

      Ehrlichgesagt war sie sich nicht sicher, ob sie in der Lage dazu war oder nicht. Was sie aber genau wusste war, dass wenn sie ein paar weitere Tage in ihrer Wohnung rumsitzen und alles was sie und Danielle getan und erfunden hatten hinterfragen würde, sie beginnen würde ein bisschen verrückt zu werden. Sie spielte erneut mit dem Gedanken, die Besprechung abzublasen und sich krank zu melden, doch nur für einen kurzen Moment. Es gab einen potentiellen neuen Fall dort draußen. Natürlich würde sie ihn übernehmen.

      „Klingt gut“, sagte sie, immer noch unschlüssig darüber, ob das stimmte oder nicht. „Ich bin in einer halben Stunde da.“

      Sie zog sich hastig an und verschlang dann ein schnelles Frühstück, bestehend aus Frühstücksflocken und Toast, bevor sie die Wohnung verließ. Selbst das zu tun, war eine angenehme Abwechslung. Routine war eine großartige Möglichkeit zurück in den Alltag zu finden. Obwohl sich nur die letzten fünf Tage so düster angefühlt hatten, waren es fünf Tage gewesen, die sie mental und emotional ausgelaugt hatten. Ja, sie war zur Arbeit gegangen, doch jedes Mal, wenn sie dort ankam, fühlte sie sich wie eine hirnlose Drohne, ihr Kopf gefüllt mit einer Million anderer Dinge.

      Doch nun, wo sie zur Arbeit ging, um die Details zu einem potentiellen Fall zu erfahren, fühle es sich anders an. Zum ersten Mal seit sie Texas verlassen hatte, hatte sie das Gefühl, dass sie in der Lage sein könnte, alles was geschehen war langsam hinter sich zu lassen.

      Als sie auf der Arbeit ankam, verschwendete sie keine Zeit. Sie machte sich direkt auf zu Johnsons Büro, gespannt was für einen Fall er für sie haben könnte. Aus irgendeinem Grund hatte sie irgendwie den Ruf bekommen, die Agentin zu sein, die die zwielichtigen Fälle der Vorstädte knackte, solche, in die reiche und verwöhnte Erwachsene verwickelt waren, die viel zu viel Zeit ihres Lebens darauf verschwendeten, Geheimnisse voreinander zu verbergen.

      Scheint so, als würde ich gut in einige dieser Nachbarschaften reinpassen, dachte sie. Denn, so sehr ich es auch leugnen mag, jetzt habe ich selbst Geheimnisse, denen ich nie entkommen kann.

      Als sie in Johnsons Büro eintraf, steuerte sie direkt den Stuhl vor seinem Schreibtisch an, auf dem sie normalerweise saß. Doch dann sah sie, dass er sich gar nicht hinter seinem Schreibtisch befand. Stattdessen saß er an dem kleinen Konferenztisch im hinteren Teil seines Büros. Und er war nicht alleine. Ein weiterer Mann und eine Frau saßen dort mit ihm. Sie hatte den Mann bereits zuvor gesehen; sein Name war Beau Craddock und er war ziemlich weit oben in der FBI Hierarchie – auf jeden Fall über Direktor Johnson. Die Frau hatte sie vorher nie gesehen, doch da sie in Craddocks Begleitung war, nahm Chloe an, dass sie auch ziemlich weit oben in der Nahrungskette stand.

      „Agentin Fine“, sagte Johnson. „Bitte, setzen Sie sich.”

      “Okay…”

      Es gab nur noch einen weiteren Stuhl am Tisch, direkt am Kopfende. Sie nahm ihn ein und nickte jedem der Anwesenden höflich zu.

      „Agentin Fine, lassen Sie mich Ihnen Stellvertretenden Direktor Craddock und Sonderberaterin des Direktors, Sarah Kirsch, vorstellen.“

      Craddock und Kirsch sagten nichts. Kirsch zwang sich jedoch zu einem ziemlich falschen Lächeln.

      „Wir würden gerne die zeitliche Abfolge der Ereignisse hören, die passiert sind, als sie in Texas waren, um ihre Schwester zu suchen“, sagte Craddock.

      Ein kalter Knoten des Grauens bildete sich in Choles Magengrube. Sie schaute Johnson direkt in die Augen, verwirrt. „Sir, ich habe das bereits zwei separate Male geschildert – einmal vor Ihnen und einmal vor der Polizei. Ist das wirklich nötig?“

      „Ehrlichgesagt, wahrscheinlich nicht“, sagte Kirsch bevor Johnson antworten konnte. „Doch so wie die Dinge stehen, ist es nun mal so, dass Sie an dem Ort aufgekreuzt sind, an dem ein Mann der gegenwärtig

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